05.09.2005 -

Bei einem Altersteilzeitvertrag im so genannten Blockmodell kann während der Freistellungsphase grundsätzlich nicht mehr gekündigt werden. So hat das BAG bereits entschieden, dass selbst die Stilllegung des Betriebes kein dringendes betriebliches Erfordernis darstellt, einen Arbeitnehmer in der Freistellungsphase betriebsbedingt kündigen zu können. In einem interessanten Urteil hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit der Frage zu beschäftigen, ob die Kündigung jedenfalls bei einem Diebstahl möglich und zulässig ist (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.01.2005 – 2 Sa 413/04 -).

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der 1941 geborene schwer behinderte Kläger (GdB 50) wurde zum 1. August 1996 bei dem beklagten Arbeitgeber als Schlachtergeselle eingestellt. Im Jahre 2001 wurde ein Altersteilzeitvertrag im Blockmodell abgeschlossen, demzufolge der Arbeitnehmer in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis 30. April 2003 arbeiten und ab dem 1. Mai 2003 bis 30. April 2005 freigestellt sein sollte. Während der Freistellungsphase sollte nur noch eine außerordentliche Kündigung möglich sein. Der Kläger war zuletzt Ersatzmitglied des im Betrieb gebildeten Betriebsrats.

Kurz nach Beginn der Freistellungsphase befand sich der Kläger am 20. Juni 2003 zum Einkauf in dem Markt, in dem er zuvor beschäftigt gewesen war. Bei dieser Gelegenheit steckte er einen Frischkäse in die Hosentasche und unterließ an der Kasse das Bezahlen des Frischkäses, der einen Verkaufspreis von 1,99 € hatte. Der Kläger wurde von dem Ladendetektiv angesprochen. In dem Gespräch gab er an, er habe den Frischkäse nicht mit Absicht nicht bezahlt.

Das auf die Strafanzeige des Arbeitgebers eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung zur beantragten fristlosen Kündigung. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung ebenfalls zu.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts:

Im Berufungsverfahren wurde die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

I. Diebstahl geringwertiger Sachen

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung setzen Rechtswidrigkeit sowie Vorsatz voraus und sind strafbewährt. Dem Arbeitnehmer muss die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens deshalb bewusst sein. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht der Loyalität hat er auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer bricht durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers.

Dies gilt nach dem BAG ausdrücklich auch für geringwertige Sachen. Auf den Wert der Gegenstände kommt es damit nicht an. Allerdings kann die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist, im Einzelfall ein anderes Ergebnis rechtfertigen.

Im Übrigen gilt: Liegen die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung wegen Diebstahls und / oder Unterschlagung vor, muss keine vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Diese ist wegen des erheblichen Vertrauensverlustes entbehrlich.

II. Sonderfall Altersteilzeit

Bei der Altersteilzeit im so genannten Blockmodell befindet sich der Arbeitnehmer zunächst in der so genannten Arbeitsphase. In dieser Arbeitsphase ist er zur ordnungsgemäßen „normalen“ Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet. Insoweit gelten keine Besonderheiten. Während der Arbeitsphase muss sich der Arbeitnehmer so vertragsgetreu verhalten, wie es auch allen anderen Arbeitnehmern abverlangt wird. Verfehlungen können mit den üblichen Mitteln der Abmahnung, ordentlichen bis hin zur fristlosen Kündigung geahndet werden.

Etwas anderes gilt allerdings in der Freistellungsphase. Der Arbeitnehmer hat hier bereits seine volle, vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Während der Freistellungsphase wird er nicht mehr beschäftigt. Die vom Arbeitgeber während der Freistellungsphase zu erbringende Leistung besteht allein noch in der Gehaltszahlung. Auch wenn damit die rechtlichen Bande zwischen den Vertragsparteien noch fortbestehen, sind sie doch durch die fehlende tatsächliche Arbeitsleistung gelockert. Dies muss auch im Falle einer fristlosen Kündigung in der Abwägung beachtet werden.

Dennoch ist das Vertrauen des Arbeitgebers auch noch während der Freistellungsphase erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch während der Freistellungsphase ehemalige Mitarbeiter oft in den Betrieb kommen, mit ihren alten Kollegen sprechen und es daher auch vorkommen kann, dass Zugang zu Betriebsteilen gewährt wird, die normalen Kunden nicht mehr zugänglich sind. Im vorliegenden Fall war zu Lasten des Arbeitnehmers auch zu berücksichtigen, dass er einen hohen Bekanntheitsgrad im Betrieb hatte, schon wegen seiner Betriebsratstätigkeit. Hätte der Arbeitgeber in einer Situation, in der er bei einem aktiven Arbeitnehmer ohne weiteres eine fristlose Kündigung ausgesprochen hätte, hier lediglich als milderes Mittel ein Hausverbot verhängt, so hätte dies gegenüber der übrigen Arbeitnehmerschaft den Eindruck erwecken müssen, der Kläger werde (unter Umständen auch wegen seiner Betriebsratsarbeit) bevorzugt behandelt.

Fazit:

Die fristlose Kündigung war trotz der Freistellungsphase in der Altersteilzeit wirksam. Das durch die Mitnahme des Frischkäses zerstörte Vertrauensverhältnis konnte nicht mehr wieder hergestellt werden. Die Entscheidung macht deutlich, dass sich Arbeitnehmer auch in der Freistellungsphase umfassend vertragsgetreu verhalten müssen und bei schweren Verfehlungen mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechnen müssen.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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