22.02.2022


Der Gesetzgeber bricht die „Männerdomäne“ Führungskräfte weiter auf (credit:adobestock)

Seit dem 5. August 2021 ist das „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, das FüPoG II, in Kraft getreten. Dieser sperrige Titel verbirgt eine kleine Revolution im Verhältnis Führungskraft und Gesellschaft: die „Mandatspause“ von Führungskräften. Das Gesetz ermöglicht Führungskräften ein Recht auf Widerruf ihrer Bestellung, verbunden mit einem Anspruch auf Neubestellung. Grund genug, sich die gesetzliche Regelung näher anzusehen.

Hintergrund:

Anlass der gesetzlichen Regelung war der Fall von Frau Delia Lachance. Frau Lachance ist Mitgründerin des Online-Möbelversandes Westwing Group AG und war Vorstandsmitglied der AG. Frau Lachance wünschte eine Mandatspause wegen Mutterschutzes. Eine solche Mandatspause sah das Aktiengesetz in der ursprünglichen Fassung nicht vor. Dem Aufsichtsrat blieb nichts Anderes übrig, als die Bestellung von Frau Lachance als Vorstandsmitglied zu widerrufen. Der Fall von Frau Lachance schlug Wellen. Die Initiative #stayonboard gründete sich. Diese erreichte, mit nicht wenig publizistischem Druck, dass sich der Gesetzgeber der Problematik annahm. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu FüPoG II enthielt noch keine Regelung zur Mandatspause. Diese wurde erst durch den Ausschuss für Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Gesetzgebungsverfahren eingefügt.

Gesetzliche Regelungen:

Der Gesetzgeber hat die Regelungen zur Bestellung und Widerruf im GmbH-Gesetz (GmbHG), im Aktiengesetz (AktG) sowie im Gesetz für den Status der Europäischen Gesellschaft (SEAG) angepasst. Nachfolgend beleuchtet werden nur die Regelungen bei der Aktiengesellschaft und der GmbH.

Aktiengesellschaft:

Gemäß § 84 Abs. 3 AktG hat ein Mitglied eines Vorstandes, der aus mehreren Personen besteht, das Recht, den Aufsichtsrat um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann. Aufgrund des Widerrufes sind die gesetzlichen Pflichten des Vorstandsmitgliedes aufgehoben, insbesondere die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 93 AktG oder auch die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages gemäß § 15a Insolvenzordnung.

Voraussetzung ist ein mindestens aus zwei Personen bestehender Vorstand. Da ein Vorstand aus einer Person bestehen kann (§ 76 Abs. 2 AktG), kommt die Regelung von vornherein nicht zur Anwendung, wenn es nur ein Vorstandsmitglied gibt. Sollte der Vorstand wegen der Höhe des Grundkapitals gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG aus mindestens zwei Personen bestehen müssen, wird diese gesetzliche Vorgabe für den Zeitraum des Widerrufs des Vorstandsmitglieds aufgehoben.

Sollte ein Vorstandsmitglied von dem Recht Gebrauch machen, hat der Aufsichtsrat die Bestellung dieses Vorstandsmitgliedes zu widerrufen und eine Wiederbestellung zuzusagen. Für den Zeitraum des Widerrufs und auch für etwaige Einwände des Aufsichtsrates, unterscheidet das Gesetz zwischen dem Mutterschutz einerseits und dem Widerruf wegen Elternzeit, Pflege und Krankheit andererseits. Im Falle des Mutterschutzes ist eine Wiederbestellung innerhalb der gesetzlichen Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes, 6 Wochen vor der Entbindung und 8 Wochen nach der Geburt, zuzusagen. Bei Mutterschutz kann der Aufsichtsrat den Anspruch auf Widerrruf und Neubestellung nicht ablehnen, auch nicht bei wichtigen entgegenstehenden Gründen der Aktiengesellschaft. In den weiteren gesetzlich geregelten Fällen der Elternzeit, Pflege und Krankheit hat der Aufsichtsrat die Bestellung des Vorstandsmitgliedes ebenfalls zu widerrufen und Wiederbestellung für einen Zeitraum von drei Monaten zuzusichern. Der Zeitraum kann auf 12 Monate verlängert werden. In diesen Fällen kann der Aufsichtsrat aber von dem Widerruf absehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Nach der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 19/30514, Seite 20) können wichtige Gründe ein Widerruf zur Unzeit sein, insbesondere wenn wesentliche Entscheidungen anstehen, beispielsweise ein (Konzern )Jahresabschluss oder ein Unternehmensverkauf.

Der Zeitraum des Widerrufs wird in den Bestellungszeitraum des Vorstandes eingerechnet. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG bestellt der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder auf höchstens fünf Jahre. Wenn ein Vorstandsmitglied innerhalb dieses Fünf-Jahres-Zeitraumes sein Recht auf Widerruf geltend macht, wird der Zeitraum des Widerrufs in diese fünf Jahre mit einberechnet. Bei einer Bestellung auf fünf Jahre und einem „Widerrufszeitraum“ von einem Jahr kann dieses Vorstandsmitglied daher nur für ein weiteres Jahr wiederbestellt werden (Beispiel nach der Gesetzesbegründung Bundestag-Drucksache 19/30514, Seite 21).

Der Widerruf sowie die Wiederbestellung sind im Handelsregister einzutragen. Der Rechtsverkehr muss wissen, welches Vorstandsmitglied die Aktiengesellschaft vertreten kann.

Der Widerruf ist unabhängig von dem Anstellungsvertrag. Das Vorstandsmitglied und die Aktiengesellschaft sollten in einer Ergänzungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag Regelungen für den Zeitraum des Widerrufs treffen.

GmbH:

Für die GmbH gilt die gleiche Regelung wie für die Aktiengesellschaft. Gemäß § 38 Abs. 3 GmbHG hat der Geschäftsführer das Recht, um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn er wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seine mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann und mindestens ein weiterer Geschäftsführer bestellt ist. Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft ist daher Voraussetzung für den Widerruf, dass mindestens zwei Geschäftsführer bestellt sind. Interessant wird die Frage sein, ob in (Konzern-)Gesellschaften ein Geschäftsführer von seinem Gesellschafter die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers verlangen kann, damit der vormalige Alleingeschäftsführer seinen Anspruch auf Widerruf und Wiederbestellung durchsetzen kann. Ebenso wie beim Vorstand wird auch bei der GmbH zwischen dem Mutterschutz einerseits sowie der Elternzeit, der Pflege und der Krankheit andererseits unterschieden. Das Recht auf Widerruf und Zusicherung der Bestellung ist im Rahmen der Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes zwingend, ohne dass auf entgegenstehende Interessen der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen ist. Im Falle der Elternzeit, der Pflege und der Krankheit kann der Gesellschafter von dem Widerruf der Bestellung absehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ebenso wie bei einem Vorstandsmitglied kann auch bei einem Geschäftsführer der Zeitraum des Widerrufs in den Fällen der Elternzeit, der Pflege und der Krankheit von drei auf 12 Monate verlängert werden. Widerruf und (Wieder-)Bestellung sind im Handelsregister einzutragen.

Bei der GmbH ist ebenfalls zwischen der Bestellung als Geschäftsführer sowie dem Dienstverhältnis zu unterscheiden. Das Recht auf Widerruf und Wiederbestellung betreffen nur die Stellung als Geschäftsführer. Sie lassen die Regelungen des Anstellungsvertrages grundsätzlich unberührt. Ebenso wie beim Vorstand sollten Geschäftsführer und Gesellschaft die Folgen des Widerrufs und der Wiederbestellung in einer Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag regeln.

Fazit:

Der Gesetzgeber bricht weiter die „Männerdomäne“ Führungskraft auf. Persönliche Belange der Führungskraft sind zu berücksichtigen. Führungskräfte werden von ihren neuen Rechten Gebrauch machen. Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften und Gesellschafter von GmbH werden sich damit auseinandersetzen müssen. Besser früher als zu spät.

Autor

Bild von Dr. Andreas Menkel
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