02.03.2022


Kapitalgeber aus verschiedenen Ländern können sich blockchainbasiert zusammenschließen (credit:adobestock)

Phänomen:

Die Entwicklung von Smart Contracts und die Blockchain-Technologie machen es möglich: Kapitalgeber aus verschiedenen Ländern können sich blockchainbasiert zusammenschließen, um „Gelder“ einzusammeln und diese zu investieren, alles ohne „Menschen“. Als Sammelbegriff eingebürgert hat sich Decentralized Autonomous Organization, DAO. Eine der ersten DAO („The DAO“) ist unter gleich mehreren Gesichtspunkten berühmt geworden. Zunächst gelang es den (deutschen) Gründern von The DAO innerhalb von 21 Tagen 150 Mio. US Dollar von mehr als 11.000 Investoren einzusammeln. Die als „Mitgliedschaft“ ausgegebenen Token umfassten 14% aller zu dem damaligen Zeitpunkt weltweit ausgegebenen Token. Leider war dem Projekt kein Erfolg gegönnt. Hacker oder Hackergruppen gelang es, Schwachstellen in dem Programm ausfindig zu machen und Bitcoins im Wert von 50 Mio. US Dollar abzuschöpfen. Das Projekt The DAO war damit erledigt. Gleichwohl könnte The DAO Pionier geworden sein. Technische Grundlage eines DAO sind Smart Contracts, die in (irgendeiner) Blockchain integriert sind. Als „Gegenleistung“ erhalten die Investoren Gesellschafterrechte, die „Token“. Da es DAOs in der Wirklichkeit gibt, muss sich das Recht damit auseinandersetzen. Der Gesetzgeber ist auch schon tätig geworden, wenngleich noch nicht im originären Gesellschaftsrecht. Seit dem 10. Juni 2021 gilt das elektronische Wertpapieregesetz. Auf EU-Ebene harrt die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates on Markets in Crypto-assets, and amending Directive (EU) 2019/1937 der Verabschiedung. Bei den klassischen deutschen Gesellschaften (Personengesellschaften wie GbR, OHG und KG sowie Kapitalgesellschaften wie GmbH, AG, SE und Genossenschaft) ist der Gesetzgeber dagegen noch nicht aktiv geworden, um blockchain- und/oder tokenbasierte Gesellschaften oder Gesellschafterrechte zu schaffen.

Wegen des „Numerus Clausus“ der Gesellschaftsrechtsformen können wiederum die Investoren keine eigenständige Gesellschaftsform entwickeln. Sie müssen sich vielmehr der gesetzlich vorgegebenen Gesellschaftsformen bedienen. Aufgabe des Rechtsanwenders ist es daher, ein tatsächliches Phänomen wie die DAO in die bestehenden Gesellschaftsrechtsformen zu integrieren. Darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Smart Contracts werden nachfolgend als Programmcodes verstanden, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen, eine bestimmte Folge auslösen („Wenn-Dann-Mechanismus“). Blockchain-Technologie ist die technische Möglichkeit, Smart Contracts in irgendeiner Blockchain zu integrieren und damit nicht oder nahezu nicht korrumpierbar zu machen. Token ist der Sammelbegriff für die Mitgliedschaft in diesem Verband. In dem nachfolgenden Beitrag wird von einer typischen Gestaltung ausgegangen: Eine Vielzahl von Investoren aus verschiedenen Ländern „beteiligen“ sich an einer DAO. Die Investoren leisten Beiträge in Form von „digitalen Währungen“ und erhalten hierfür Token.

Vorab das anwendbare Gesellschaftsrecht?

Der Rechtspraktiker stellt sich zunächst die Frage, welches nationale Recht bei einer DAO überhaupt Anwendung finden kann. Die einzelnen Gesellschafter sitzen in verschiedenen Ländern. Einen „schriftlichen“ Vertrag im herkömmlichen Sinne oder eine „Registrierung“ gibt es nicht; ebenso wenig eine durch Menschen gebildete Geschäftsführung, welche geschäftliche Aktivitäten entfalten kann. Eine DAO passt daher nicht in die herkömmliche Unterscheidung zwischen „Gründungstheorie“ und „Sitztheorie“. Nach der Gründungstheorie, die im angelsächsischen Raum vorherrschend ist, richtet sich das anwendbare (Gesellschafts-)Recht nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet worden und in dem sie in einem öffentlichen Register erfasst ist. Die Sitztheorie fragt demgegenüber, in welchem Land sich die Geschäftsführung befindet und die wesentlichen geschäftlichen Aktivitäten ausgeübt werden. Dieses Land kann von dem Land verschieden sein, in dem die Gesellschaft gegründet worden ist. Die Sitztheorie ist in Deutschland sowie in Kontinentaleuropa vorherrschend. Eine DAO passt zu keiner dieser beiden Theorien. Es gibt keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag; erst recht gibt es keine Registrierung in einem öffentlichen Register. Einer Vielzahl von Investoren wird allein schon der Gedanke einer öffentlichen Registrierung unter dem Klarnamen fremd sein. Eine aus Menschen besetzte Geschäftsführung gibt es ebenso wenig. Es handelt ein Computercode. Es bleibt dann nur die lex fori. Danach findet das Recht (lex) des Landes Anwendung, dessen Gericht (forum) angerufen worden ist. Würde in Deutschland um Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer DAO gestritten werden, könnte ein deutsches Gericht deutsches Gesellschaftsrecht zugrunde legen.

Organisationsform:

Das Grundprinzip – Zahlung eines Beitrages gegen Mitgliedschaftsrechte – ähnelt einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH, SE). Gleiches gilt für die blockchainbasierte Übertragung von Token. Die freie Übertragbarkeit von Mitgliedschaftsrechten entspricht der Übertragung von Aktien in einem geregelten Markt (Börse). Mangels einer notariell beurkundeten Satzung sowie einer Eintragung im Handelsregister, kann nach gegenwärtigem Rechtsstand eine DAO nicht als Kapitalgesellschaft qualifiziert werden. Aufgrund des Numerus Clausus der Gesellschaftsrechtsformen scheiden auch „analoge“ Anwendungen der gesetzlichen Regelungen zur AG, GmbH und SE aus. Als „offene“ Organisationsformen kommen nur der nichtrechtsfähige Verein sowie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts („GbR“) in Betracht. Da das Bürgerliche Gesetzbuch („BGB“) in § 54 Satz 1 BGB bei dem nichtrechtsfähigen Verein auf die Regelungen zur GbR verweist, können die gesetzlichen Regelungen zur GbR in den §§ 705 ff. BGB auch bei einer DAO fruchtbar gemacht werden.

Die GbR: Bei einer GbR verpflichten sich gemäß § 705 BGB die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten. Diese Regelung passt bei einer DAO. Ein Rechtsbindungswille („Gesellschaftsvertrag“) liegt nicht nur bei förmlichen schriftlichen Erklärungen vor, sondern auch bei Handlungen, die auf einen solchen Willen schließen lassen. Maßgeblich ist die Sichtweise eines objektiven Empfängers der Erklärung. Eine solche Erklärung könnte daher auch in einem Smart Contract liegen, mit dem ein Gesellschafter einer DAO beitritt, einen Beitrag leistet und hierfür Token als Mitgliedschaftsrechte erhält. Die „Empfänger“ eines solchen Smart Contracts verstehen eine solche Erklärung als Beitritt. Unerheblich ist wie die Erklärung und der Empfang einer solchen Erklärung technisch umgesetzt wird: Ob in der traditionellen Weise der gemeinsamen Unterzeichnung eines Vertrages oder dem Speichern eines Codes auf einer Blockchain. Ein Erklärungsgehalt liegt in beiden „Äußerungen“ vor. Der gemeinsame Zweck gemäß § 705 BGB ist das „Sammeln“ von „Geldern“, um einen vorher definierten Investitionszweck zu erreichen.

Schwierigkeiten bereiten die weiteren „Wesensmerkmale“ einer GbR. Diese passen nicht zu einer DAO. Zur Geschäftsführung sind alle Gesellschafter gemeinschaftlich berufen. Grundsätzlich ist gemäß § 709 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB die Zustimmung aller Gesellschafter für Geschäftsführungsmaßnahmen notwendig. Gleiches gilt für die Vertretung. Sämtliche Gesellschafter müssen gemeinschaftlich die DAO vertreten. Für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften neben der Gesellschaft sämtliche Gesellschafter als Gesamtschuldner. Jeder Gesellschafter kann schließlich jederzeit gemäß § 723 BGB eine GbR kündigen. Diese wandelt sich dann automatisch in eine Abwicklungsgesellschaft. Bei einer Abwicklungsgesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen der GbR versilbert, die Verbindlichkeiten bedient, die Einlagen erstattet und der Überschuss zwischen den Gesellschaftern, typischerweise nach Köpfen, verteilt. Diese gesetzlichen Regelungen lassen sich nur durch einen Gesellschaftsvertrag abändern. Dieser müsste in den Programmcodes, welche der DAO zugrunde liegen, abgebildet sein. Dies ist die eigentliche technische und rechtliche Herausforderung.

Alternative Treuhand: Als Alternative zu einer GbR werden Treuhandmodelle diskutiert. Danach gründet ein Treuhänder eine GmbH. Die DAO ist Treugeber. Die DAO steuert den Treuhänder mittels Smart Contracts. Praktische Schwierigkeit dieses Modelles ist der Sprung vom Digitalen ins Analoge. Der Treuhänder muss ein Mensch sein. Ein Mensch ist als Empfänger von Smart Contracts wenig geeignet. Zusätzlich müsste das Verhältnis des Treuhänders und der DAO in einem Treuhandvertrag geregelt werden, der wiederum der Logik von Smart Contracts und Blockchains gehorchen muss.

Fazit:

Die rechtliche Entwicklung hinkt gegenwärtig der Wirklichkeit hinterher. DAOs sind Lebenswirklichkeit. Sie existieren. Nach deutschem Rechtsverständnis handelt es sich um eine GbR. Die GbR passt nicht für eine DAO. Zu einer DAO passt die börsennotierte Aktiengesellschaft. Dafür muss aber der Gesetzgeber tätig werden; entweder durch ein eigenes Gesetz oder durch eine Anpassung des AktG

Autor

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