Streit kommt bekanntermaßen in den besten Familien vor. Bricht er allerdings unter den Gesellschaftern eines Unternehmens über die Wirksamkeit eines Beschlusses aus, drohen langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren, welche die gesamte Gesellschaft vor eine wirtschaftliche Zerreißprobe stellen können. Um dieses Szenario zu vermeiden und eine schnellere, kostengünstigere außergerichtliche Streitbeilegung sicherzustellen, finden sich in Gesellschaftsverträgen Schiedsvereinbarungen für eben solche Situationen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Vereinbarungen wirksam sind, beschäftigte nun bereits zum vierten Mal das höchste deutsche Zivilgericht. In seiner aktuellen Entscheidung vom 23. September 2021 – I ZB 13/21 – beseitigt der Bundesgerichtshof (BGH) Rechtsunsicherheiten betreffend Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften.
Endlich Klarheit zur Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften (Copyright: CrazyCloud/adobe.stock).
Rechtsgeschichtlicher Hintergrund
Trotz der bereits angesprochenen wirtschaftlichen Tragweite der Thematik findet sich bis heute keine gesetzliche Regelung zu Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen. Der Gesetzgeber überließ es den Gerichten eine Lösung für die rechtlichen Probleme zu finden. Es war somit vorgezeichnet, dass die Thematik die Gerichte einige Jahre beschäftigen würde. Entzündet hat sich die Diskussion an Beschlussmängelstreitigkeiten: Gesellschafter streiten um die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen; und zwar „von beiden Seiten“, demnach sowohl von Seiten des überstimmten Gesellschafters, der einwendet, dass ein Beschluss unwirksam sei oder von Seiten der zustimmenden Mehrheit, die ein „positives“ Beschlussergebnis festgestellt wissen wollen.
Die Reise beginnt mit einem Urteil des BGH vom 29. März 1996 – II ZR 124/95, das heute als „Schiedsfähigkeit I“-Urteil bekannt ist. In diesem sprach sich der BGH noch generell gegen die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten aus und verwies auf die Problematik, welche aus der Passivlegitimation der Gesellschaft für Beschlussmängelstreitigkeiten einerseits und der zwingenden Rechtskrafterstreckung der Entscheidung auf alle Gesellschafter andererseits entstehe. Aus diesen Gründen wurde eine gesetzliche Regelung gefordert.
Als dieser Ruf nach dem Gesetzgeber ungehört verhallte, legte der BGH in der sog. „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung am 6. April 2009 – II ZR 255/08 – schließlich fest, dass Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen einer GmbH wirksam seien, sofern sie einigen Anforderungen entsprachen. Ziel war die Gewährleistung des gleichen Rechtsschutzes den die Gesellschafter in Verfahren vor staatlichen Gerichten genießen. Zu den Anforderungen zählten neben der Zustimmung aller Gesellschafter zu der Schiedsvereinbarung auch, dass jedem Gesellschafter durch hinreichende Informationen die Möglichkeit offensteht, dem Verfahren beizutreten und an der Auswahl der Schiedsrichter mitzuwirken.
Mit Beschluss vom 6. April 2017 – I ZB 23/16 – („Schiedsfähigkeit III“) entschied der BGH, dass diese Anforderungen auch für Personengesellschaften gelten sollen, „sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind“. Die Entscheidung rief aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in einer GmbH und in Personengesellschaften Kritik hervor. Zudem blieb unklar, was nun eine abweichende Beurteilung gebieten könnte.
Die neue Entscheidung – Schiedsfähigkeit IV
Diese Kritik fand allem Anschein nach Gehör bei den Karlsruher Richtern. In der aktuellen „Schiedsfähigkeit IV“-Entscheidung vom 23. September 2021 weicht der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab und legt nun einen eindeutigen Maßstab fest, unter welchen Voraussetzungen eine Schiedsvereinbarung, welche auch Beschlussmängelstreitigkeiten umfasst, in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften wirksam sei. Demnach müssen die Regelungen sicherstellen, dass neben den Gesellschaftsorganen jeder Gesellschafter über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werde, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt. Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Für die bestehende Gesetzeslage ist Rechtssicherheit geschaffen, dem Rechtsschutz der Gesellschafter wird hinreichend Rechnung getragen.
Doch dürfte bereits in naher Zukunft Bewegung in die Problematik kommen. Durch das am 01. Januar 2024 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) hat der Gesetzgeber den Beschlussmängelstreit von Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften vereinheitlicht. Nach den §§ 113 Abs. 2 S. 1, 114 HGB n.F. sind Beschlussmängelklagen gegen die Gesellschaft zu richten; das Urteil wirkt nach §§ 113 Abs. 2 S. 1, 114 HGB n.F. gegen alle Gesellschafter und zwar unabhängig von ihrer Beteiligung an dem Verfahren. Hält die Rechtsprechung ihre Linie ein, wären Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften, die auch den Beschlussmängelstreit beinhalten, an den Anforderungen von Schiedsklauseln bei einer GmbH („Schiedsfähigkeit II“) zu messen. Aktuelle Schiedsklauseln von Personengesellschaften, die sich an dem gegenwärtigen Beschlussmängelrecht von Personengesellschaften orientieren, müssten dann womöglich angepasst werden. Gesellschafter und ihre Berater sollten dies im Auge behalten.
Autoren
Dr. Andreas Menkel
wiss. Mit. Constantin Dorschu
Autor
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