25.05.2022 -


in Brückenteilzeitantrag mit verkürzter Ankündigungsfrist ist nicht ohne Weiteres als Antrag auf den nächstzulässigen Zeitpunkt umzudeuten (credit:adobestock)

Bislang haben sich die Arbeitsgerichte mit den neuen Regelungen nur in seltenen Fällen befassen müssen. Daher ist eine nunmehr klarstellende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu der Verletzung der dreimonatigen Ankündigungsfrist von besonderer Bedeutung und soll hier besprochen werden (BAG v. 21.7.2021 – 5 AZR 543/20).

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin ist bereits seit dem 1. Juni 2007 bei dem beklagten Arbeitgeber in Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden tätig. Auf Basis des einschlägig vereinbarten Tarifvertrages (BAT/AOK-Neu) vereinbarten die Parteien Teilzeit in dem Zeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. März 2020 in unterschiedlichem Stundenumfang, zuletzt in Höhe von 33 Stunden.

Die Arbeitnehmerin bat den Arbeitgeber mit Schreiben vom 7. Januar 2020, einer neuerlichen Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit vom 1. April 2020 bis zum 31. März 2021 auf 33 Stunden zuzustimmen. Der Arbeitgeber lehnte dies ab, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 BAT/AOK-Neu für eine Teilzeitbeschäftigung nicht mehr vorlägen.

Mit weiterem Schreiben vom 22. Januar wiederholte die Arbeitnehmerin ihren Antrag unter Hinweis auf die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters. Der Arbeitgeber lehnte den Antrag erneut mit der Begründung ab, die Angaben der Klägerin reichten ohne Vorlage eines Gutachtens oder Attests nicht aus. Der Gewährung von Teilzeit stünden zudem dienstliche Belange entgegen.

Die Arbeitnehmerin arbeitete ab dem 1. April 2020 wieder in Vollzeit. Sie hat im Klagewege geltend gemacht, ihr stehe nach § 9a TzBfG ein Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit zu (Brückenteilzeit). Der Arbeitgeber sei daher verpflichtet, ihrem Antrag zuzustimmen.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei schon deshalb unwirksam, weil die dreimonatige Ankündigungsfrist nach § 9a Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG zur Geltendmachung nicht eingehalten worden sei. Man habe auf die Einhaltung der Mindestfrist auch nicht verzichtet.

Die Vorinstanzen haben dem Verringerungsantrag stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Antrag abgewiesen.

I. Kein Verzicht auf Ankündigungsfrist

Ein Antrag auf Brückenteilzeit muss nach § 9a Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG spätestens drei Monate vor deren Beginn in Textform geltend gemacht werden. Die Einhaltung dieser Frist ist zwingend.

Aber: Der Arbeitgeber kann auf die Einhaltung dieser Ankündigungsfrist verzichten. Das TzBfG sieht in § 22 Abs. 1 TzBfG nur Abweichungen zu Lasten der Arbeitnehmer als unzulässig an. Ein Verzicht muss nicht ausdrücklich erklärt werden, er muss sich aber zweifelsfrei und unmissverständlich aus den Umständen ergeben können. Dies ist natürlich immer dann der Fall, wenn dem Verringerungsverlangen ohne Weiteres zugestimmt wird. In allen anderen Fällen der Ablehnung bedarf es besonderer Umstände, die auf einen Verzicht der Mindestankündigungsfrist schließen lassen.

Hier war ein solcher Verzicht nicht erkennbar für das Bundesarbeitsgericht.

II. Grundsätze zu § 8 TzBfG nicht übertragbar!

In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht dann ausführlich begründet und klargestellt, dass die Grundsätze, die zu einem dauerhaften Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG entwickelt wurden, auf den Brückenteilzeitanspruch nach § 9a TzBfG nicht übertragbar sind. Bei einem Teilzeitanspruch im Sinne des § 8 TzBfG geht es dem Arbeitnehmer vor allem um das „ob“ der Verringerung und erst in zweiter Linie um den Zeitpunkt ihres Beginns. Hier geht das Bundesarbeitsgericht daher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass man hier regelmäßig den Beginn auf den später zulässigen Termin umdeuten kann. Diese Auslegungsregelung lässt sich aber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf „Brückenteilzeit“ nach § 9a TzBfG übertragen. Denn mit der Brückenteilzeit beantragt der Arbeitnehmer nicht nur den Anfang, sondern zugleich auch das Ende der verringerten Arbeitszeit. Bei einem solchen Antrag lässt sich gerade nicht ohne Weiteres durch Auslegung ermitteln, ob der Arbeitnehmer hilfsweise die Verkürzung oder die Verschiebung des von ihm angegebenen Zeitraums begehrt.

Hinweis für die Praxis:

Ein unter Verletzung der Mindestankündigungsfrist gestellter Antrag kann nur dann als Angebot auf eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt verstanden werden, wenn der Arbeitgeber aufgrund greifbarer Anhaltspunkte erkennen kann, ob der Arbeitnehmer die „Brückenteilzeit“ verkürzen oder verschieben möchte. Dies war hier für das Bundesarbeitsgericht nicht erkennbar.

Fazit:

Die Entscheidung führt zu erfreulicher Rechtssicherheit. Ein Brückenteilzeitantrag mit verkürzter Ankündigungsfrist ist nicht ohne Weiteres als Antrag auf den nächstzulässigen Zeitpunkt umzudeuten. Dazu bedarf es greifbarer Anhaltspunkte. Die zu § 8 TzBfG ergangene Rechtsprechung ist nicht ohne Weiteres auf § 9a TzBfG übertragbar. Natürlich kann aber ein korrekter Antrag jederzeit nachgeholt und neugestellt werden. Gegebenenfalls sind Arbeitnehmer hierauf rechtzeitig (freiwillig) hinzuweisen, um unnötige Rechtsstreite zu vermeiden.

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