08.09.2005

Das unbestimmte Rechtsinstrument der so genannten faktischen Geschäftsführung wird von Staatsanwaltschaften gerne herangezogen, um Haftungsverantwortlichkeiten Dritter zu konstruieren, die zwar nicht formal Geschäftsführer einer Gesellschaft sind, allerdings in vielerlei Hinsicht diverse Einflussnahmen, auch wesentliche Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der Gesellschaft genommen haben. Die Geschäftsführer ziehen in Fällen der Insolvenzverschleppung vielfach gerne die Entlastungsbehauptung heran, sie seien lediglich reine Befehlsempfänger gewesen, die faktische Geschäftsführung hätte ein anderer inne gehabt. Diese „Andere“ kann beispielsweise ein Beiratsvorsitzender, ein Gesellschafter oder auch ein Organ eines verbundenen Unternehmens sein. Welche Voraussetzungen aber konkret erfüllt sein müssen, um tatsächlich in die Position eines faktischen Gesellschafters zu rücken, ist vielfach unklar. Diese Unklarheit ist oft auch ein besonderes Haftungsrisiko für Berater und u.a. von Banken und sonstigen Kapitalgebern eingesetzten Sanierern eines Unternehmens.

Mit seiner Entscheidung vom 27. Juni 2005 (Aktenzeichen II ZR 113/03) bringt der BGH erneut einige Konturen in die recht unscharfe Konstruktion eines faktischen Geschäftsführers einer GmbH. Bezeichnenderweise hebt der BGH eine Verurteilung eines vermeintlich faktischen Geschäftsführer durch das OLG auf, wobei das OLG zuvor die Revision gegen sein eigenes Urteil nicht zugelassen hatte. Über eine Nichtzulassungsbeschwerde und anschließende Revision gelang es dem vermeintlich faktischen Geschäftsführer hier eine Entlastung zu erreichen.

Der BGH führt noch einmal aus, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senats für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens ankomme. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr,

„dass der Betroffene die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat“.

Dies hatte das OLG verkannt. Denn seine Feststellungen ließen lediglich interne Einwirkungen und Weisungen auf die Geschäftsführung entnehmen, nicht aber ein darüber hinaus immer auch erforderliches maßgebliches eigenes Handeln mit Außenwirkung.

So reicht es dem BGH nicht aus, wenn der vermeintlich faktische Geschäftsführer dem tatsächlichen Geschäftsführer Pflichten zur Berichterstattung auferlegt, die zentrale Steuerung der Werbung übernimmt, ebenso wie die Preiskalkulation und Preisfestsetzung sowie die Koordination des Abrechnungssystems verbundener Unternehmen.

In bemerkenswerter Klarheit führt der BGH aus:

„Das gilt selbst dann, wenn durch die Intensität der Einwirkungen der Beklagte zu 2 als satzungsmäßiger Geschäftsleiter zu einem „reinen Befehlsempfänger degradiert“ worden sein sollte.“

Der Senat lässt allenfalls dann eine andere Beurteilung zu, wenn der vermeintlich faktische Geschäftsführer Abbuchungsvollmachten, d.h. Kontovollmachten der betroffenen Gesellschaft inne hatte und hiervon mit Außenwirkung Gebrauch gemacht hat. Eine andere Ausnahme könnte sich „allenfalls“ dann ergeben, wenn es sich bei der betroffenen Gesellschaft um eine quasi abhängige Tochterfiliale gehandelt hätte. Hierfür aber gab der zu beurteilende Sachverhalt nichts her.

Diese aktuelle Rechtsprechung dürfte einigen vermeintlich faktischen Geschäftsführern die Sorge nehmen, für Ihre internen Sanierungsbemühungen bzw. ihre internen Einflussnahmen auf die Geschäftsführung und die Geschicke einer GmbH auch dann strafrechtlich und haftungsrechtlich in Anspruch genommen zu werden, wenn ein Handeln mit Außenwirkung nicht erfolgt ist. Die rein interne Einflussnahme wie Berichtspflichten, Genehmigungsvorbehalte und übertragene Rechte in Rechnungswesen, Kalkulation und Controlling reichen für eine Haftungsinanspruchnahme nicht mehr aus.

Es bleibt zu hoffen, dass sich damit zukünftig eine Vielzahl zivilrechtlicher Klagen und strafrechtliche Ermittlungsverfahren von vornherein erledigen.

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn

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