06.07.2022 -


Die Kündigungszustellung per Einwurf-Einschreiben ist mit Risiken behaftet (credit:adobestock)

Wir haben schon in sehr vielen Beiträgen auf die Risiken bei der Zustellung einer Kündigung hingewiesen. Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit dem Zugang von Kündigungen zu Problemen und Unsicherheiten. Für die Arbeitgeberseite ist dies besonders misslich, denn der Zugang ist allein von ihr zu beweisen. Gelingt dies nicht, gilt die Kündigung als nicht zugegangen! Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat sich nun mit einer weiteren Fallkonstellation befasst. Die Kündigung wurde mit nachweisbarer Sendungsnummer per Einwurf-Einschreiben zugestellt. Allerdings gab es weitere Probleme im Zusammenhang mit der Übergabe des Einschreibens durch einen Mitarbeiter an die Post. Das Landesarbeitsgericht hat daher in dieser Fallkonstellation den Nachweis als nicht erbracht angesehen (LAG Rheinland-Pfalz v. 2.3.2021, 8 Sa 184/20).

Wir möchten die Entscheidung hier besprechen und nochmals auf die zahlreichen Risiken, die bei einer Kündigungszustellung entstehen können, hinweisen.

Der Fall:

Der Arbeitgeber kündigte den Mitarbeiter, der als Produktionshelfer beschäftigt war, mit Schreiben vom 25. November 2019 unter Wahrung der kurzen tarifvertraglichen Kündigungsfrist zum 2. Dezember 2019. Der Kläger wiederum sprach eine Eigenkündigung zum 9. Dezember 2019 aus.

Die Parteien streiten über den Differenzlohn bis zum 9. Dezember 2019. Der Kläger hat behauptet, eine Kündigung des Arbeitgebers zu keinem Zeitpunkt erhalten zu haben. Ihm sei daher der Lohn bis zu seiner Eigenkündigung noch weiter zu zahlen.

Der Arbeitgeber hat zur Kündigung vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei dem Kläger mit Einwurf-Einschreiben der Post zugestellt worden. Der Auslieferungsbeleg sei als Anscheinsbeweis nach der Rechtsprechung zulässig.

Das Arbeitsgericht hat zu der Frage des Zugangs der Kündigung Beweis erhoben. Vernommen wurde dabei die Mitarbeiterin Frau G. Diese hat zum Kündigungsvortrag Folgendes in der Beweisaufnahme ausgesagt:

„Wir haben einen Block von der Post für insgesamt zehn Einwurf-Einschreiben. Der enthält für jedes Einwurf-Einschreiben drei Aufkleber. Einen davon klebe ich auf den Brief und versehe ihn mit den erforderlichen Angaben. Ein zweiter verbleibt bei mir. Auf dem vermerke ich das Datum, den Empfänger und andere Angaben und das Dritte ist ein Aufkleber, den ich auf die Kopie der Kündigung klebe, auch mit der Sendungsnummer. Ich habe dann den Brief noch in die Post gegeben, d.h. bei uns, wir haben ein Körbchen, in dem die Post des Tages gesammelt wird. Am Ende des Tages bringen dann entweder ich oder eine Kollegin diese Post dann zur Post. Ich weiß nicht mehr, ob ich diese Post weggebracht habe oder die Kollegin.“

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen. Die Kündigung des Arbeitgebers sei zugegangen. Dies habe die Beweisaufnahme ergeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht den Zugang der Kündigung als nicht erwiesen angesehen und der Zahlungsklage stattgegeben.

I. Unsicherer Übergabevorgang zur Post

Das Landesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung auf die Aussage der Zeugin G. gestützt. Diese habe eindeutig erklärt, nicht mehr zu wissen, wer die Post weggebracht habe. Das Landesarbeitsgericht hat hieraus geschlossen, dass damit die Frage des Postausgangs ungeklärt geblieben ist. Die Zeugin habe lediglich bestätigt, dass das Kündigungsschreiben von ihr in das Postausgangskörbchen der Beklagten eingelegt wurde. Wie, durch wen und in welchem Zustand es von dort zum Postbriefkasten eingeliefert wurde, blieb aber nach der Beweisaufnahme – so das Landesarbeitsgericht – völlig im Dunkeln.

Damit konnte die Zeugin G. diesen Einlieferungsvorgang nicht aus eigener Erinnerung schildern.

II. Zugang per Einwurf-Einschreiben

Der Arbeitgeber hatte sich dann darauf berufen, auf diese Frage komme es nicht an, da ja ein Sendungsnachweis vorliege, der den Zugang beim Kläger beweise. Dazu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass zwar nach der Rechtsprechung grundsätzlich ein Anscheinsbeweis bestehe, dass ein Einwurf-Einschreiben auch zugegangen sei. Hier fehle es aber schon an dem vorherigen Nachweis, dass überhaupt ein Schreiben zur Post gegeben worden sei. Damit habe es einen weiteren Unsicherheitsfaktor im Zustellprozess gegeben. Dieser stehe der Annahme eines Anscheinsbeweises entgegen. Zu groß sei dadurch die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften oder tatsächlich nicht erfolgten Zustellung, denn für die unveränderte Auslieferung eines Schreibens aus einem Postausgangskörbchen des Arbeitgebers zur Einlieferung in einen Postbriefkasten lässt sich ein Erfahrungssatz nicht erkennen.

Hinweis für die Praxis:

Das Landesarbeitsgericht hat daher klargestellt, dass eine lückenlose Beweisführung nicht vorliege und dem Arbeitgeber auch nicht gelungen sei. Damit sei der Nachweis für den Zugang des Kündigungsschreibens nicht geführt. Dies wiederum führe dazu, dass das Arbeitsverhältnis erst durch die Eigenkündigung des Arbeitsnehmers wirksam beendet worden sei.

Fazit:

Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist nicht überzeugend. Sie macht aber einmal mehr deutlich, dass der Nachweis des Zugangs einer Kündigung von großer Bedeutung ist. Wir empfehlen daher der Praxis, ausschließlich und allein den Weg der Zustellung über einen Boten zu wählen. Dem Boten ist das Original des Kündigungsschreibens vorher zu zeigen und erst dann in einen Briefumschlag einzutüten. Der Bote soll dann dieses Schreiben persönlich zustellen, entweder durch persönliche Übergabe oder durch Einwurf in den personalisierten Hausbriefkasten. Alle anderen Zustellwege sind risikobehaftet. Auch der Weg über ein Einwurf-Einschreiben ist nicht sinnvoll. Zum einen kann nicht sicher beurteilt werden, zu welchem Zeitpunkt die Post das Schreiben zustellt. Zum anderen gibt es zahlreiche arbeitsgerichtliche Entscheidungen, die auch diesen Weg als unsicher bewerten.

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