Seit dem 1.8.2022 ist bei Vorständen ab einer bestimmten Größe ein „Ein-Geschlecht-Vorstand“ nicht mehr möglich. (credit:adobestock)
Das „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (FüPoG II) ist bereits seit dem 8. August 2021 in Kraft. Die vom Gesetzgeber gewährte Übergangszeit ist nun abgelaufen, so dass seit dem 1. August 2022 bei Vorständen ab einer bestimmten Größe ein „Ein-Geschlecht-Vorstand“ nicht mehr möglich ist.
Hintergrund
Ob es in Deutschland – insbesondere im Bereich der unternehmerischen Führungspositionen – einer gesetzlich geregelten Geschlechterquote bedarf, ist seit längerem Gegenstand lebhafter Diskussionen. Mit Einführung des FüPoG I im Jahre 2015 hat der Gesetzgeber erstmals rechtliche Regelungen mit dem Ziel auf den Weg gebracht, den Anteil von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst signifikant zu erhöhen und perspektivisch eine Geschlechterparität zu erreichen. Für Aufsichtsräte von Gesellschaften, die an der Börse notiert sind und der sogenannten paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt seit Einführung des FüPoG I eine rechtlich verbindliche Geschlechterquote von jeweils 30 Prozent für Männer und Frauen (sog. fixe Quote). Darüber hinaus wurden weitere Regelungen zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil bei Aufsichtsräten, Vorständen, Geschäftsführern und weiterer Führungsebenen in Gesellschaften, die entweder börsennotiert oder der Mitbestimmung unterliegen, eingeführt (sog. flexible Quote).
Im Rahmen einer Evaluation des FüPoG I kam der Gesetzgeber zu dem Schluss, dass sich zwar seit der Einführung dieses Gesetzes einiges in den Führungsetagen der Wirtschaft getan habe, die erzielten Fortschritte allerdings nicht ausreichend seien. Vor diesem Hintergrund beschloss der Gesetzgeber mit Hilfe des FüPoG II auf die bisherigen Regelungen aufzubauen und diese fortzuentwickeln. Hierzu wurden insbesondere die Regelungen zur Festlegung der Zielgrößen überarbeitet und erstmals eine verbindliche Geschlechterquote auch auf der Vorstandsebene für bestimmte Gesellschaften geschaffen.
Verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand
Eine grundlegende Neuerung durch das FüPoG II betrifft die künftige Besetzung des Vorstands von größeren Aktiengesellschaften. Zentrale Norm ist hierbei der neugeschaffene § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG. Demnach muss der Vorstand einer börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaft künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein, wenn er aus mehr als drei Personen besteht. Der Gesetzgeber hat somit für Gesellschaften, die bereits seit 2015 eine verbindliche Geschlechterquote bei der Besetzung des Aufsichtsrates zu beachten haben, erstmals auch eine verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand geschaffen.
Flankiert wird die neu eingeführte Beteiligungsquote auf Vorstandsebene durch eine ausdrücklich normierte Rechtsfolgenregelung für den Fall einer dagegen verstoßenden Vorstandsbestellung. Nach § 76 Abs. 3a Satz 2 AktG ist die Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen die Beteiligungsquote nichtig. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gilt diese Rechtsfolge auch bei einer Blockwahl mehrerer Vorstandsmitglieder. Dies bedeutet für Gesellschaften, die von dieser Regelung betroffen sind und bislang kein weibliches Vorstandmitglied haben, dass zunächst nur eine Frau wirksam als Vorstand bestellt werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um die Wiederbesetzung eines bereits bestehenden Postens oder um die Besetzung eines neu geschaffenen Postens handelt.
Für die Umsetzung der neuen Beteiligungsquote sieht das FüPoG II allerdings eine Übergangsfrist vor. Gemäß § 26l Abs. 1 EGAktG gilt diese erst für Bestellungen von Vorständen, die nach dem 1. August 2022 erfolgen. Zudem hat der Gesetzgeber weiter klargestellt, dass bestehende Mandate auch weiterhin bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden können.
Änderungen bei der Zielgrößenfestlegung
Darüber hinaus sah sich der Gesetzgeber auch zu einer Anpassung der bereits mit dem FüPoG I eingeführten Zielgrößenfestlegung für den Frauenanteil bei Aufsichtsräten, Vorständen, Geschäftsführern und weiterer Führungsebenen genötigt. Grund hierfür war der Umgang mit der Zielgrößenfestlegung bei einem Großteil der davon betroffenen Gesellschaften, insbesondere bei der Besetzung der operativen Leitungspositionen. Laut Evaluationsgutachten wählten fast 70 Prozent aller Unternehmen, die dem Anwendungsbereich der flexiblen Geschlechterquote unterliegen, bisher die Zielgröße „Null“ für den vorgesehenen Frauenanteil bei der Besetzung des Vorstands. Aufgrund der bisherigen Regelungen in den §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG bzw. §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG war dies den Unternehmen grundsätzlich auch ohne weiteres möglich. Es existierte bisher lediglich ein Verschlechterungsverbot dahingehend, dass bei einer Zielgröße von unter 30 % der tatsächlich bereits vorhandene Frauenanteil nicht mehr unterschritten werden darf. Einer Begründung für die Zielgröße „Null“ bedurfte es aber nicht
Die Möglichkeit zu einer Zielgrößenfestlegung von „Null“ bleibt zwar nun auch mit dem FüPoG II grundsätzlich erhalten, soweit nicht bereits ein darüber liegender Frauenanteil in den betroffenen Führungspositionen erreicht worden ist. Die Zielgröße „Null“ muss allerdings künftig ausdrücklich begründet werden. Hierdurch soll die gesetzgeberische Intention zum Ausdruck gebracht werden, dass die Zielgröße „Null“ eine Ausnahme sein soll. Der Entscheidung für eine solche haben somit zumindest umfassende und sorgfältige Erwägungen vorauszugehen, die der Begründung zugrunde zu legen sind. Mit den in § 289f Abs. 2 Nr. 4 bzw. § 289f Abs. 4 HGB geregelten Berichtspflichten ist die Begründung zudem in der Regel offenzulegen. Der Gesetzgeber verspricht sich insoweit zusätzlich eine Erhöhung des öffentlichen Drucks auf die betroffenen Gesellschaften, da die interessierte Öffentlichkeit die offengelegte Begründung zur Kenntnis nehmen und bewerten kann.
Sondervorschriften bei Beteiligung des Bundes
Eine Besonderheit beinhaltet das FüPoG II insbesondere für Aktiengesellschaften und GmbH mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes. Gemäß § 393a AktG und § 77a GmbHG wurde eine verbindliche Geschlechterquote für die davon betroffenen Gesellschaften eingeführt, die über die oben genannten Regelungen noch hinausgeht. Für Gesellschaften mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes gilt demnach eine Mindestbeteiligung von je einer Frau und einem Mann bereits dann, wenn der Vorstand bzw. die Geschäftsführung aus mehr als zwei Personen bestehen. Diese Regelungen finden zudem unabhängig von einer Börsennotierung und einer Geltung der Mitbestimmungsgesetze Anwendung. Gleiches gilt für die zwingende Besetzung des Aufsichtsrates zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und mindestens 30 Prozent aus Männern.
Mit Hilfe dieses ausgeweiteten Anwendungsbereichs der fixen Geschlechterquoten möchte der Bund einer besonderen Vorbildfunktion Rechnung tragen, die von den Unternehmen mit seiner Mehrheitsbeteiligung nach Auffassung des Gesetzgebers ausgeht. Zugleich sollen durch eine repräsentative Teilhabe von Frauen in den Führungspositionen dieser Unternehmen allgemeine Maßstäbe für die Privatwirtschaft gesetzt werden.
Vergleichbare Sondervorschriften für Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligungen von Bundesländern oder Kommunen wurden durch das FüPoG II allerdings nicht eingeführt. Sowohl § 393a Abs. 3 AktG als auch § 77a Abs. 4 GmbHG sehen jedoch eine sogenannte Länderöffnungsklausel vor. Demnach können die Länder die Vorgaben der § 393a AktG und § 77a GmbHG durch Landesgesetz auf Aktiengesellschaften bzw. GmbHs erstrecken, an denen eine Mehrheitsbeteiligung eines Landes besteht. Von diesen Öffnungsklauseln hat bislang aber noch kein Bundesland Gebrauch gemacht.
Fazit
Wie bereits mit Hilfe des FüPoG I zielt der Gesetzgeber durch die Einführung des FüPoG II auf mehr Gleichberechtigung in den Führungspositionen deutscher Unternehmen. Das FüPoG II setzt dabei den Fokus nun insbesondere auch auf die Besetzung der operativen Leitungsorgane. Neben der Überarbeitung der bereits seit dem FüPoG I bestehenden Regelungen zur Zielgrößenfestlegung wurde erstmals auch eine verbindliche Geschlechterquote auf der Vorstandsebene geschaffen.
Inwieweit die neuen Regelungen des FüPoG II tatsächlich zu mehr Gleichberechtigung gerade auch auf Vorstandebene führen werden, bleibt abzuwarten. Aufgrund von festen Bestellzeiträumen wird es bereits automatisch eine gewisse Zeit dauern, bis die neue Mindestbeteiligungsquote zu Veränderungen bei der Vorstandsbesetzung führen wird. Zudem ist die Gesamtanzahl der Adressaten der Mindestbeteiligungsquote zunächst überschaubar, da – mit Ausnahme der Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes – aufgrund des Erfordernisses der Börsennotierung und der paritätischen Mitbestimmung größere Aktiengesellschaften von dieser Regelung betroffen sein werden. Inwiefern andere Unternehmen aufgrund einer möglichen Vorbildfunktion dieser Unternehmen freiwillig mehr Frauen zu Vorständen bestellen, wird sich noch zeigen müssen. Schließlich wird auch abzuwarten sein, wie die betroffenen Gesellschaften auf die ausdrückliche Begründungspflicht einer Zielgrößenfestlegung von „Null“ reagieren werden und ob diese dadurch zukünftig tatsächlich zu einem Ausnahmefall wird.
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