10.08.2022 -


Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist an gewisse Voraussetzungen gebunden: (credit:adobestock)

Bei einem Urlaubsabgeltungsanspruch handelt es sich bekanntlich um einen Zahlungsanspruch. Endet das Arbeitsverhältnis, wandelt sich der Urlaubsanspruch dann nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch um. Solche reinen Geldansprüche können nicht nur verjähren, sondern unterfallen auch den üblichen Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen. Voraussetzung ist aber, dass die vereinbarte Ausschlussfristenregelung wirksam ist und den aktuellen Ansprüchen der Rechtsprechung genügt. Die Formulierung einer solchen wirksamen Ausschlussfristenklausel ist aber nicht einfach und unterliegt dem stetigen Wandel. In einem aktuellen Urteil hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit der Frage zu befassen, ob eine zweistufige Ausschlussfristenregelung wirksam vereinbart wurde und ob nicht sogar bestimmte Hinweise ausdrücklich in der Klausel erteilt werden müssen (LAG Baden-Württemberg v. 24.8.2021, 19 Sa 7/21). Konkret geht es dabei um die Frage, ob in der Ausschlussfristenregelung Ansprüche aus dem Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen werden müssen, deren Erfüllung der Arbeitgeber bereits zugesagt oder die er anerkannt oder streitlos gestellt hat. Diese Notwendigkeit wird teilweise aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gefolgert (BAG v. 3.12.2019, 9 AZR 44/19). Das Landesarbeitsgericht hat daher auch die Revision zum Bundesarbeitsgericht im konkreten Fall zugelassen, da die Reichweite der vorgenannten Entscheidung des 9. Urlaubssenats für die hier zu besprechende Fallkonstellation nicht abschließend geklärt ist (anhängig unter dem Az. 9 AZR 461/21).

Der Fall (verkürzt):

Die klagende Arbeitnehmerin war bei der beklagten Rechtsanwältin als Rechtsanwaltsfachangestellte seit dem 7. Januar 2019 gegen ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 1.300,00 € brutto mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Arbeitsstunden an fünf Tagen in der Woche tätig.

Die Rechtsanwältin kündigte der Mitarbeiterin am 5. Juli 2019 fristgerecht zum 19. Juli 2019.

In dem Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise zum Urlaub und zur Ausschlussfristenregelung wie folgt:

㤠5 Urlaub

Der Urlaubsanspruch beträgt 24 Arbeitstage, wobei zur Berechnung des Urlaubsanspruchs die Arbeitswoche fünf Tage umfaßt.

§ 15 Verfallfristen-/Ausschlussfristen

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht werden und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen.

Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch eines Arbeitnehmers/in auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.

Bleibt die Geltendmachung erfolglos, erlöschen sie, wenn der Anspruch nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich anhängig gemacht wird.“

Die Arbeitnehmerin machte klageweise erst mit der am 23. Juli 2019 zugestellten Klage die Abgeltung von zehn Urlaubstagen geltend, mit späterer Klageerweiterung sogar die Abgeltung von insgesamt 30 Urlaubstagen. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Verfallklausel sei intransparent. So sei nach der zweiten Stufe eine schriftliche Geltendmachung erforderlich, in erster Stufe werde jedoch auf die Textform abgestellt. Zudem sei die Verfallklausel intransparent nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie auch Ansprüche erfasse, die ggf. ausdrücklich anerkennt worden waren oder streitlos gestellt wurden. Die Klausel sei geeignet, zu suggerieren, dass von ihr auch solche Ansprüche erfasst seien.

Die Verfallklausel sei auch unwirksam hinsichtlich der zweiten Stufe. Insofern sei der Text der Verfallklausel unübersichtlich und unverständlich. Der Fristenlauf sei unterschiedlich. Er knüpfte einerseits an die Ablehnung und andererseits an die schriftliche Geltendmachung an.

Der Arbeitgeber verteidigt sich mit der Wirksamkeit der Klausel. Selbst wenn die zweite Verfallstufe etwas verunglückt formuliert sei, wirke sich dies nicht auf die Wirksamkeit der ersten Stufe aus. Die drei Monate seien aber in keinem Fall eingehalten worden. Für die Abgeltung von 30 Urlaubstagen fehle es zudem an jeglicher vertraglichen Regelung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt.

I. Verfallklauseln und Urlaubsabgeltung

Zunächst ist klarzustellen, dass Urlaubsabgeltungsansprüche als reine Geldansprüche allgemeinen arbeits- und/oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht auch der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht entgegen. Mit der Umwandlung des geschützten Urlaubsanspruchs in einen reinen Geldanspruch greifen dann auch die vereinbarten Ausschlussfristen.

Hinweis für die Praxis:

Die Bestimmungen des MiLoG finden auf den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG keine Anwendung. Es handelt sich dabei nicht um Entgelt im Sinne von § 3 Satz 1 MiLoG. Die Urlaubsabgeltung dient nicht der Existenzsicherung.

II. Getrennte Prüfung bei zweistufigen Klauseln

Bei einer zweistufigen Ausschlussfristenklausel handelt es sich in der Regel um eine teilbare Klausel. Die Prüfung der Wirksamkeit erfolgt daher getrennt für jede Stufe. Das setzt voraus, dass die Regelungen nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sind. Das Bundesarbeitsgericht wendet für diese getrennte Prüfung den sogenannten Blue-Pencel-Test an. Mit diesem Test wird der unwirksame Teil gestrichen und dann ermittelt, ob die verbleibende Klausel aufrechterhalten werden kann. Ist das der Fall, bleibt dann die getrennte Klausel weiterhin wirksam, auch wenn ein zweiter Teil unwirksam ist. Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion, denn die Trennung ist in den vom Arbeitgeber gestellten Vertragsbedingungen bereits von vornherein vorgegeben.

So lag der Fall hier. Die Frage, ob die zweite Stufe der Ausschlussfristenregelung wirksam ist, wogegen erhebliche Zweifel bestanden, war nicht zu klären. Selbst die Gesamtunwirksamkeit der zweiten Stufe der Verfallfrist wirkt sich nicht auf die Wirksamkeit der ersten Stufe aus. Die Arbeitnehmerin hatte aber im Rahmen der ersten Stufe die vereinbarte Dreimonatsfrist lange überschritten und nicht eingehalten.

III. Inhaltliche Wirksamkeit der Ausschlussfristenregelung

Damit kam es aber weiterhin auf die Frage an, ob die erste Stufe wirksam vereinbart und formuliert war. Ausschlussfristen sind nur dann wirksam, wenn sie sich nicht auf alle bestehenden Ansprüche beziehen, sondern unabdingbare Ansprüche ausnehmen. Dies betrifft Mindestlohnansprüche, Ansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, Ansprüche, die auf vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen oder auf vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unerlaubten Handlungen beruhen oder auf kraft Gesetzes unverzichtbare Ansprüche.

Mit anderen Worten: Es reicht nicht mehr aus, schlicht eine Klausel zu vereinbaren, wonach alle Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von drei oder mehr Monaten geltend gemacht werden. Zudem muss die Form des Anspruchs, nämlich in Textform, benannt werden. Die Vorgabe einer strengeren Form als der Textform, z.B. Schriftform, würde ebenfalls zur Unwirksamkeit führen.

Hinweis für die Praxis:

Die vorstehenden kurzen Hinweise machen deutlich, dass eine wirksame Ausschlussfristenklausel durchaus anspruchsvoll ist und man auf die Formulierung große Sorgfalt verwenden muss. Kleinste Fehler oder vergessene Ausnahmen führen zur Unwirksamkeit der ganzen Regelung!

IV. Neue Frage: Herausnahme auch von zugestandenen Ansprüchen?

Im vorliegenden Fall war nun eine weitere Ausnahmeregelung als zwingende Formulierung geltend gemacht worden. Die Mitarbeiterin machte geltend, aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussfristenklausel seien nicht ausdrücklich auch solche Ansprüche ausgenommen worden, die der Arbeitgeber zugesagt oder die er anerkannt oder die er streitlos gestellt hat. Für diese aus Sicht der Arbeitnehmerin notwendige Formulierung hat sie sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2019 berufen (siehe oben Fußnote 2).

Das Landesarbeitsgericht ist dem deutlich entgegengetreten. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig für den vorliegenden Fall. Aus der Entscheidung sei nicht abzuleiten, dass Ausschlussklauseln generell und ausnahmslos Ansprüche, deren Erfüllung der Arbeitgeber zugesagt hat, oder er vorbehaltlos streitlos gestellt oder anerkannt hat, von dem Verfall nach einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung ausgenommen werden müssen. Dennoch wird dies teilweise in der Literatur aus dieser Entscheidung abgeleitet. Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Verfahren ist dort aktuell anhängig.

Fazit

Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist uneingeschränkt zuzustimmen. Fälle, in denen der Arbeitgeber zunächst einen Anspruch anerkennt, sich dann aber später auf die Ausschlussfrist beruft, sind ohne weiteres über die Regeln von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu lösen. Niemand darf zunächst einen Anspruch anerkennen und sich dann dennoch auf eine vereinbarte Verfallfrist berufen.

Die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung ist jedoch hier genau zu beobachten. Sollte sich das Bundesarbeitsgericht im Revisionsverfahren anders entscheiden, werden wir selbstverständlich darüber berichten. Abschließend können wir nur die dringende Empfehlung wiederholen, auf die Formulierung von arbeitsvertraglichen Abreden und insbesondere von Ausschlussfristenklauseln große Sorgfalt zu verwenden. Wegen der hohen Fehleranfälligkeit ist von zweistufigen Ausschlussfristenklauseln in der Regel abzuraten.

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