05.10.2022 -
Werden Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bei eingeführter Kurzarbeit Null anteilig gekürzt?
Werden Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bei eingeführter Kurzarbeit Null anteilig gekürzt? (credit:adobestock)

Durch die Pandemie kam es in vielen Betrieben zur Einführung von Kurzarbeit Null. Dies hat wiederum in der Folge zahlreiche Fragen zur Urlaubsberechnung aufgeworfen. Es wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten, je nach Interessenlage. Viele Arbeitnehmervertreter haben die Ansicht verfolgt, trotz der eingeführten Kurzarbeit Null bleibe der Urlaubsanspruch in voller Höhe unberührt. Arbeitgeber haben hingegen die Urlaubsansprüche anteilig gekürzt. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in zwei neuen Entscheidungen zu dieser Frage für Rechtssicherheit gesorgt und klargestellt, dass für Tage, an denen die Arbeitspflicht wegen wirksam eingeführter Kurzarbeit entfallen ist, der gesetzliche Urlaubsanspruch anteilig gekürzt werden muss (BAG v. 30.11.2021, 9 AZR 225/21 und 9 AZR 234/21). Die Entscheidungen befassen sich mit zahlreichen Aspekten der Kurzarbeit. Wir möchten uns hier auf die Berechnungsfragen zum Urlaub bei Kurzarbeit Null beschränken.

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer ist seit 1. April 2018 als Mitarbeiter in der Dreherei bei dem beklagten Unternehmen in Vollzeit beschäftigt. Sein Urlaubsanspruch beläuft sich auf 30 Arbeitstage bei einer Fünf-Tage-Woche.

Die Betriebspartner haben eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit mit Wirkung zum 30. März 2020 vereinbart. In der Folge wurde wiederholt Kurzarbeit durchgeführt.

Im Kalenderjahr 2020 fielen insgesamt 75 ganze Arbeitstage des Klägers aufgrund von Kurzarbeit aus. Im Hinblick darauf kürzte der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers um sieben Tage und gewährte ihm an 23 Tagen Erholungsurlaub.

Der Arbeitnehmer hat mit seiner Klage die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Kalenderjahr 2020 ein ungekürzter Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zu. Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage führe nicht zu einer Minderung seines Urlaubsanspruchs.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Berechnung der Urlaubstage und deren Anzahl

Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 BUrlG bestimmt die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht. So unterstellt die Vorschrift eine an sechs Tagen der Kalenderwoche bestehende Arbeitspflicht und gewährleistet unter dieser Voraussetzung einen gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen im Kalenderjahr. Ist hingegen die Arbeitspflicht nicht auf sechs Tage der Kalenderwoche, sondern auf weniger oder mehr Wochentage verteilt, vermindert oder erhöht sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten, ist die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung der für das Urlaubsjahr maßgeblichen Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage zu ermitteln. Maßgeblich ist grundsätzlich die im Arbeitsvertrag vorgesehene – regelmäßige – Verteilung der Arbeitszeit.

Hinweis für die Praxis:

Arbeitet ein Mitarbeiter also nicht sechs Tage die Woche, sondern z.B. nur drei Tage die Woche, ergibt sich folgende Umrechnung. Ausgehend von 24 Werktagen bei einer Sechs-Tage-Woche teilt man also diesen vollen Anspruch durch die Anzahl sechs, was dann pro Arbeitstag einen Urlaubsanspruch von vier Tagen ergibt. Diese Anzahl wird dann wiederum mit der tatsächlichen Arbeitspflicht je Woche multipliziert, hier also drei. Damit hat ein Mitarbeiter mit drei Arbeitstagen einen jährlichen Urlaubsanspruch von 12 Tagen im konkreten Beispiel.

II. Andere Berechnung durch gesetzliche Bestimmungen beachten

Diese Berechnung geht vom Grundsatz aus, dass ein Mitarbeiter durchgehend arbeitspflichtig ist. Andere Berechnungen können sich aber durch gesetzliche Bestimmungen ergeben, z.B. durch Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 24 Satz 1 MuSchG, für Zeiten nach § 17 BEEG während der Elternzeit oder auch durch andere gesetzliche Spezialregelungen, z.B. § 4 ArbPlSchG oder § 4 Abs. 4 PflegeZG.

III. Urlaubskürzung bei Kurzarbeit Null

Das Bundesarbeitsgericht hat nun in den beiden Entscheidungen vom 30. November 2021 eindeutig klargestellt, dass bei einer wirksam eingeführten Kurzarbeit Null, an denen die Arbeitspflicht an ganzen Tagen entfällt, der Urlaubsanspruch zu kürzen ist. Aus der Einführung von Kurzarbeit ergibt sich eine neue, die vertragliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bestimmende Verteilung der Arbeitszeit. Dies führt zu einer Neuberechnung der Urlaubstage. Zeiten der Kurzarbeit Null sind nicht mit Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.

IV. Umrechnungsformel

Das Bundesarbeitsgericht hat zur Neuberechnung eine eigene Umrechnungsformel entwickelt. So geht das Bundesarbeitsgericht ausgehend von einer Sechs-Tage-Woche von 312 möglichen Arbeitstagen aus. Dies beruht darauf, dass sich bei sechs Werktagen in 52 Wochen eine Zahl von 312 Werktagen ergibt. Auf dieser Basis ergeben sich bei einer Fünf-Tage-Woche 260 mögliche Arbeitstage. Die Umrechnung erfolgt dann so, in dem die in § 3 Abs. 1 BUrlG genannten 24 Werktage durch die Anzahl der Arbeitstage im Jahr bei einer Sechs-Tage-Woche geteilt und mit der Anzahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitstage im Jahr wiederum multipliziert werden.

Die danach maßgebliche Umrechnungsformel lautet vorliegend:

30 Arbeitstage Urlaub x 185 Tage mit Arbeitspflicht (260 – 75)
: 260 Arbeitstage

Den so errechneten Urlaubsanspruch im Umfang von 21,35 Arbeitstagen hatte der Arbeitgeber bereits erfüllt. Dem Arbeitnehmer wurden sogar mit 23 Arbeitstagen 1,65 Urlaubstage mehr gewährt.

Fazit:

Den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Mit dieser verständlichen Umrechnungsformel können jedenfalls alle Standardfälle ohne weiteres berechnet und nachvollzogen werden. Komplizierter wird es sicherlich, wenn verschiedene Freistellungsansprüche zusammentreffen und unterjährig auch die Arbeitszeit wechselt. Dann muss der Urlaubsanspruch ggf. unterjährig öfter berechnet werden. Im Einzelfall kann es also durchaus zu komplizierten Rechnungen kommen. Im Grundsatz hat das Bundesarbeitsgericht jetzt aber ganz klare Vorgaben gemacht, die der Praxis weiterhelfen.

Autor: Nicolai Besgen

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