20.09.2022 -

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates eine Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes sowie weiterer Gesetze verabschiedet. Mit Wirkung ab dem 24.09.2022 bzw. 01.10.2022 bis zum 07.04.2023 gelten damit umfangreiche Neuregelungen. So wird unter anderem die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung in abgeschwächter Form wieder in Kraft treten. Welche wesentlichen Neuerungen sich für Arbeitgeber ergeben, haben wir nachfolgend kurz zusammengestellt.


Neuerungen im Infektionsschutzgesetz und Implikationen für das Arbeitsrecht (Copyright:
403776401/adobe.stock).

Neben folgenden bereits ab dem 24.09.2022 geltenden bundesweit geltenden Basis-Schutzmaßnahmen (vgl. § 28b IfSG n.F.)

  • FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Fernverkehr (medizinische Masken für 6-14-Jährige und Personal)
  • FFP2-Maskenpflicht in Arztpraxen und Praxen aller humanmedizinischer Heilberufe
  • Masken- und Testnachweispflicht für den Zutritt zu Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen mit vergleichbarer medizinischer Versorgung sowie voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen sowie für Beschäftigte in ambulanten Pflegediensten und vergleichbaren Dienstleistern während ihrer Tätigkeit (Testnachweis mind. dreimal pro Kalenderwoche).

erfolgt durch den Gesetzgeber eine Klarstellung der aktuellen Frage:  

Sind Zeiten einer behördlich angeordneten Absonderung (= Quarantäne unter anderem aufgrund Anordnung nach § 30 oder § 32 IfSG n.F.) auf den Jahresurlaub anzurechnen?

Hierzu entstand über die Dauer der Corona-Pandemie ein instanzenausfüllender Streit, der letztlich vom Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 16.08.2022 (BAG, Beschl. v. 16.08.2022, Az. 9 AZR 76/22) zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde. Auch aktuell sorgt diese Frage in Betrieben für erhebliche Verunsicherung, gerade auch vor dem Hintergrund der sich im Fluss befindlichen Urlaubs-Rechtsprechung der letzten Jahre.

Der Gesetzgeber hält nunmehr durch § 59 Abs. 1 IfSG n.F. fest, dass bei Beschäftigten, die während Zeiten ihres Urlaubs zur Absonderung (= Quarantäne) verpflichtet sind, eine Anrechnung dieser Absonderungstage auf den Jahresurlaub nicht erfolgt.

Der Gesetzgeber nimmt also die ausstehende Entscheidung des EuGH, mit unbekanntem Ausgang, quasi vorweg und regelt diesen aktuellen arbeitsrechtlichen Streitpunkt jedenfalls für Fälle ab dem 01.10.2022 selbst. Bekannt ist, dass das BAG hier wohl aufgrund der Gesetzessystematik von § 9 Bundesurlaubsgesetz anders entschieden hätte, vgl. BAG, Beschl. v. 16.08.2022, Az. 9 AZR 76/22. Es bleibt also spannend, wie der EuGH die Vorlagefrage des BAG entscheiden wird. Eine Ungleichbehandlung von Zeiten der Absonderung während Urlaubs bis zum 30.09.2022 im Verhältnis zu Fällen ab Inkrafttreten des neuen IfSG ab dem 01.10.2022 erscheint möglich, jedenfalls aus Sicht des BAG.

Darüber hinaus gelten diejenigen Beschäftigten, die länger als 6 Monate einen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 59 Abs. 2 IfSG n.F. haben, künftig als Menschen mit Behinderungen im Sinne des SGB III.

Versammlungen und Sitzungen per Video bis 07.04.2023 weiter möglich

Weitere Neuerungen ergeben sich insbesondere aus der Fortschreibung der Möglichkeiten zur Durchführung von Versammlungen oder Sitzungen unter Verwendung von audiovisuellen Einrichtungen, was in der Pandemie bspw. für Betriebsratssitzungen eine häufig genutzte Möglichkeit war. Der Geltungszeitraum wurde hier jeweils bis zum 07.04.2023 ausgedehnt, vgl. § 129 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz n.F., § 41b Abs. 1 S. 1 des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes n.F., § 50 Abs. 1 S. 1 SCE-Beteiligungsgesetz n.F. und des § 4 Abs. 3 S. 4 des Heimarbeitsgesetzes n.F.

Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und
(ambulanten wie stationären) Pflegeeinrichtungen

Schließlich regelt der neue § 28b IfSG eine umfangreiche Masken- und Testpflicht für Beschäftigte in Krankenhäusern sowie Pflegeeinrichtungen. Beschäftigte von Krankenhäusern sowie Pflegeeinrichtungen sind demnach verpflichtet, sich mindestens dreimal pro Kalenderwoche auf das SARS-CoV-2 Virus testen zu lassen. Anders als etwa Beschäftigte anderer Arbeitgeber, denen nach der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nur ein Testangebot zu unterbreiten ist, greift hier eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung ein. Unterbleibt eine entsprechende Testung oder fehlt es an der verpflichtend zu tragenden FFP2-Maske (oder mit FFP2 vergleichbar), so besteht ein gesetzliches Betretungsverbot der Krankenhäuser sowie Pflegeeinrichtungen für den jeweiligen Beschäftigten, vgl. § 28b Abs. 1 Nr. 3 und 4 IfSG n.F.

Neue (abgeschwächte) SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ab 01.10.2022 in Kraft

Zudem setzt der Gesetzgeber die zwischenzeitlich ausgelaufene SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ab dem 01.10.2022 (geltend sodann bis 07.04.2023) in geringfügig abgeschwächter Form wieder in Kraft.

Im Wesentlichen werden also Arbeitgeber, wie schon aus einer früheren Geltungsdauer der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (kurz: Corona-ArbSchV) bekannt, zu Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes verpflichtet. Das umfasst insbesondere die Reduzierung der gleichzeitigen Nutzung von Räumen – etwa durch das Angebot von Homeoffice – sowie die Erstellung eines betrieblichen Hygienekonzepts. Auch werden Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigte bei der Wahrnehmung von Impfangeboten zu unterstützen, vgl. § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV.

Konkret ist also auf Basis von §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz eine Gefährdungsbeurteilung durch Arbeitgeber vorzunehmen und anschließend auf deren Basis nach einem betrieblichen Hygienekonzept die erforderlichen Schutzmaßnahmen umzusetzen. Hierzu ergeben sich aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (dort § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV) Mindestmaßahmen, die durch Arbeitgeber zwingend zu prüfen sind:

  • Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen
  • Sicherstellung der Handhygiene
  • Einhaltung der Hust- und Niesetikette
  • Infektionsschutzgerechte Lüften von Innenräumen
  • Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten
  • Angebot gegenüber Beschäftigten, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen (= Homeoffice) sowie
  • das Angebot an Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zuhause arbeiten, zur Minderung des betrieblichen SARS-CoV-2-Infektionsrisikos sich regelmäßig kostenfrei durch In-vitro-Diagnostika zu testen. Diese Tests müssen für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt und auf Grund ihrer CE-Kennzeichnung oder auf Grund einer gemäß § 11 Absatz 1 des Medizinproduktegesetzes erteilten Sonderzulassung verkehrsfähig sein. Eine Pflicht zur Testung der Beschäftigten besteht allerdings nicht.

Maskenpflicht bei Unterschreitung Mindestabstand

Dort wo eine Unterschreitung des Mindestabstandes nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber den Beschäftigten medizinische Gesichtsmasken bzw. FFP2-Masken (oder vergleichbar) zur Verfügung stellen, § 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV. Die Masken sind verpflichtend durch die Beschäftigten zu tragen.

Weitere Neuerungen ergeben sich bspw. für Personen, die in den in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige regelmäßige Tätigkeiten ausüben und Kontakt mit den dort Betreuten haben. Hier wird der Arbeitgeber vor erstmaligem Tätigkeitsbeginn und im Abstand von 2 Jahren eine Belehrung über die gesundheitlichen Anforderungen und Mitwirkungsverpflichtungen nach § 34 Abs. 1 bis 5 erteilen müssen, vgl. § 34 Abs. 5a IfSG n.F. Auch regelt der Gesetzgeber den Infektionsschutz in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe neu (§ 35 IfSG n.F.), wobei die Pflicht zur Vorlage einer vollständigen Immunisierung nach § 20a IfSG unberührt bleibt.

Fazit

Das neue Infektionsschutzgesetz bringt seit dem 24.09.2022 und weiter ab dem 01.10.2022 umfangreiche Neuerungen. Die Klarstellung des Gesetzgebers bezogen auf Zeiten der Quarantäne im Verhältnis zu etwa gleichzeitig gewährtem Urlaub ist für die Praxis hilfreich. Auch die konsequente gesetzliche Anordnung zur Testung in bestimmten medizinischen Einrichtungen sowie Krankenhäusern trägt zur Klärung von Praxisfragen bei. Inwieweit sich hier Streitfragen ergeben werden, die etwa die Entgeltfortzahlung bei Verweigerung des Zutritts zu den Einrichtungen bspw. mangels ausreichender Testfrequenz der Beschäftigten betreffen, wird sich in der arbeitsrechtlichen Beratung zeigen. Auch könnten bei Verstößen erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung in Betracht kommen.

Die Umsetzung der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sollte indes für Arbeitgeber mit überschaubarem Aufwand gelingen. Hier kann auf die bisherige Handhabung aus den zurückliegenden Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie zurückgegriffen werden.

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    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

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Alexander Helle
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