25.11.2022 -

BAG Urteil vom 25.5.2022 – 4 AZR 331/20


Verschränkungen von Beamten- und Arbeitsrecht können zu erheblichen Rechtsproblemen führen. (credit:adobestock)

Tarifliche Eingruppierung und beamtenrechtliche Besoldung funktionieren nach unterschiedlichen Maßstäben. Faktisch kommt es aber durchaus vor, dass Tarifangestellte und Beamte nebeneinander arbeiten und die beiden Regelungssysteme in Einklang gebracht werden müssen. Verweisen tarifvertragliche Vorschriften sogar ihrerseits auf Beamtenrecht, sind Rechtsprobleme vorprogrammiert. Das BAG hatte sich mit einer solchen Konstellation auseinanderzusetzen und einen Weg zu finden, wie mit den kollidierenden Grundsätzen von Tarif- und Beamtenrecht umzugehen ist

Der Fall

Klägerin war im Bundesland Sachsen-Anhalt als Gymnasiallehrerin eingestellt. Ihr Arbeitsvertrag verwies auf den BAT-O und auf diesen ergänzende, verändernde oder ersetzende Tarifverträge. Für die Eingruppierung war demnach unstreitig der TV-EntGO –L (Entgeltordnung Lehrkräfte) maßgeblich, diese nimmt die Entgeltgruppen nach dem TV-L in Bezug. Die Klägerin wurde zunächst nach der Entgeltgruppe 13 TV-L vergütet.

Mit Wirkung zum 02.11.2015 wurde die Klägerin nach einem vorangegangenen Bewerbungsverfahren zur ständigen Vertreterin des Schulleiters eines Gymnasiums bestellt. Diese Stelle ist mit Besoldungsgruppe A 15 bewertet und mit einer Amtszulage verbunden. Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schreiben vom 22.04.2016 schriftlich, in Entgeltgruppe 15 („+ Zulage“) eingruppiert zu werden. Das Land Sachsen-Anhalt antwortete ihr darauf hin, dass nach den hier anzuwendenden beamtenrechtlichen Regelungen erst nach Feststellung der Eignung der Klägerin für den höher bewerteten Dienstposten und mithin einer Erprobungszeit von einem halben Jahr eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 14 TV-L erfolgen könne. Eine dienstliche Beurteilung aus dem September 2016 stellte die Eignung der Klägerin für den höherbewerteten Dienstposten fest. Ab dem 01.10 2016 wurde die Klägerin nicht mehr nach Entgeltgruppe 13 TV-L, sondern nach Entgeltgruppe 14 TV-L vergütet. Dies blieb auch so, nachdem die Klägerin im August 2018 zur Schulleiterin eines Gymnasiums bestellt wurde. Eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe 15 TV-L erfolgte erst zum 01.11.2020.

In der Anlage zum TV EntGO-L – Entgeltordnung Lehrkräfte heißt es:

„Die Lehrkraft ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, die nach S. 3 der beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe entspricht, in welche sie eingestuft wäre, wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis stünde. Sind in dem beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgesetz Beförderungsämter in einer höheren Besoldungsgruppe als dem Eingangsamt ausgebracht, erfolgt eine Höhergruppierung unter denselben Voraussetzungen wie eine Beförderung bei einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft.“

Es folgt eine Tabelle, in der Besoldungsgruppen mit Entgeltgruppen verglichen werden. Besoldungsgruppe A 14 entspricht Entgeltgruppe 14, Besoldungsgruppe A 15 der Entgeltgruppe 15.

Die Lehrerin war der Auffassung, für die Zeit ab dem 02.11.2015 und damit seit Übertragung der Stelle einer stellvertretenden Schulleiterin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 15 TV-L beanspruchen zu können. Auf beamtenrechtliche Voraussetzungen könne es nicht ankommen. Sie erhob dementsprechend Klage auf entsprechende Feststellung. Das Land Sachsen-Anhalt wandte dagegen ein, dass entsprechend der Anlage zum TV EntGO-L vor einer Höhergruppierung auch die beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssten – es würden die gleichen Voraussetzungen wie bei einer beamteten Lehrkraft gelten. Dementsprechend habe eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe 14 TV-L erst nach Feststellung der Eignung für den höher bewerteten Dienstposten erfolgen dürfen. Eine direkte Höhergruppierung aus Entgeltgruppe 13 in die Entgeltgruppe 15 sei unzulässig gewesen, da das Verbot der Sprungbeförderung entgegengestanden habe. Nach der Höhergruppierung in Entgeltgruppe 14 sei entsprechend eines – unstreitig tatsächlich ergangenen- Kabinettsbeschlusses – für den Zeitraum von 2 Jahren eine weitere Höhergruppierung ausgeschlossen gewesen.

Die Entscheidung

Das BAG kam zum Ergebnis, dass die Klägerin auch für die Zeit ab dem 01.10.2016 bis zum 31.10.2020 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 15 TV-L nebst Amtszulage verlangen könne.

I. Keine Höhergruppierung durch Tarifautomatik
Es genüge für eine Höhergruppierung hier aber nicht, dass ein Beförderungsamt faktisch ausgeübt wurde – die Lehrerin sei also nicht schon ab dem 02.11.2015 in die Entgeltgruppe 15 TV-L einzugruppieren gewesen. Vielmehr komme es nach den hier geltenden tarifvertraglichen Regelungen darauf an, ob auch nach beamtenrechtlichen Grundsätzen eine Beförderung in das höhere Statusamt hätte erfolgen können, so das BAG. Insoweit die Anlage zum TV-EntGO-L auf die Beförderungsvoraussetzungen bei einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft abstelle, gehe es nicht nur um die Entgelthöhe. Während es bei der Einstellung nur auf die ausgeübte Tätigkeit ankomme, solle bei Beförderungen nach dem Wortlaut der Anlage zum TV-EntGO-L ein Gleichlauf zu den Karrierewegen verbeamteter Lehrkräfte erreicht werden.

Dem Beamtenrecht sei eine Tarifautomatik fremd – es sei weder ungewöhnlich noch rechtsfehlerhaft, dass Beamte höherwertiger Tätigkeiten ausüben, als dies ihrem Statusamt entspricht. Das Grundgehalt ergebe sich aus dem verliehenen Amt (§ 19 LBesG LSA). Eine Beförderung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen setze zunächst eine besetztbare Planstelle voraus. Darüber hinaus müsse der Dienstherr das ihr zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt haben, dass mit der Planstelle verbunden höherwertiger Amt der jeweiligen Beamtin – hier der Arbeitnehmerin – zu übertragen.

Es sei aber kein vollständiger Gleichlauf von Beamtenbesoldung und Beschäftigtenvergütung geboten. Durch den hier vorliegenden Verweis auf beamtenrechtliche Regelungen sei aber eine Ausnahme der Tarifautomatik begründet worden. Bei Neueinstellungen sei zwar auf die konkret ausgeübte Tätigkeit abzustellen und nicht auf den Werdegang bei neu eingestellten Beamten. Etwas Anderes gelte aber bei Beförderungen. Die Verweisung auf das Beamtenrecht sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Beförderung der Klägerin wäre nach beamtenrechtlichen Maßstäben nicht vor dem 01.10. 2016 zulässig gewesen, so das BAG. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die erforderliche Eignung der Klägerin festgestanden. Nach § 22 Abs. 2 Br. 3 Landesbeamtengesetz LSA sei eine Beförderung erst nach einer Erprobungszeit von mindestens 6 Monaten und nach Feststellung der Eignung für den höher bewerteten Dienstposten zulässig. Diese Wertung aus dem Beamtenrecht käme hier auch für das privatrechtliche Arbeitsverhältnis der Lehrerin zur Geltung, eben da die Anlage zur TV EntGO-L die Höhergruppierung an die für verbeamtete Lehrkräfte geltenden Beförderungsvoraussetzungen knüpfe.

II. Höhergruppierung trotz des Verbots der Sprungbeförderung
Das BAG prüfte weiter, ob die übrigen Voraussetzungen für eine – fiktive – Beförderung der Klägerin in die Vergütungsgruppe 15 vorgelegen hätten – ob also im Falle einer Verbeamtung einer Beförderung hätte erfolgen können. Im Ergebnis erfülle die Lehrerin alle Beförderungsvoraussetzungen. Unproblematisch wies die Lehrerin hier eine Dienstzeit von mehr als fünf Jahren auf und war eine freie Planstelle zu besetzen gewesen.

Das Verbot der Sprungbeförderung nach § 22 Abs. 3 Landesbeamtengesetz LSA hätte hier bei einer verbeamteten Lehrkraft einer Beförderung in die Besoldungsgruppe A 15 nicht entgegengestanden, so das BAG. Schließlich könne der Landespersonalausschuss nach § 22 Abs. 3 LBG Ausnahmen vom Verbot der Sprungbeförderung zulassen. Die Klägerin habe vorgebracht, dass Ausnahmen vom Verbot der Sprungbeförderung grundsätzlich möglich seien. Ein weitergehender Vortrag sei von ihr nicht zu erwarten. Vielmehr habe das beklagte Land eine sekundäre Darlegungslast getroffen – das Land hätte darlegen müssen, warum hier keine Ausnahme vom Verbot der Sprungbeförderung zugelassen worden wäre. Das Land sei dieser sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Ob tatsächlich zwischen zwei Beförderungen im Land Sachsen-Anhalt aufgrund eines entsprechenden Kabinettsbeschlusses eine Wartezeit von zwei Jahren eingehalten werden muss, prüfte das BAG nicht mehr, da es hierauf nicht ankam. Die Amtszulage stehe der Lehrerin ebenfalls – synchron zur Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 15 – ab dem 01.10.2016 zu.

Fazit

Der Fall zeigt die Probleme, die bei der Verschränkung von Beamten- und Arbeitsrecht entstehen können und ist daher auch für Fälle außerhalb von Sachsen-Anhalt instruktiv. An die Lehrerin wurde hier im Bewerbungsverfahren die Stelle der stellvertretenden Schulleiterin übertragen, ohne die beamtenrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen. Bei der Prüfung, nach welcher Entgeltgruppe die durch einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag beschäftigte Lehrerin zu vergüten ist, kam es aber durch die Regelung in der Anlage zum TV EntGO-L auf die Beförderungsvoraussetzungen bei einer verbeamteten Lehrkraft an. Daraus folgte zunächst, dass die Lehrerin vor Höhergruppierung eine „Erprobungszeit“ absolvieren musste. Sie stand also nicht besser als vergleichbare Beamte. Der Grundsatz der Tarifautomatik kommt hier insoweit nicht zum Tragen – eine Höhergruppierung konnte nicht schon durch Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit verlangt werden.

Auch das beamtenrechtliche Verbot einer Sprungbeförderung war hier im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu würdigen. Bei einer verbeamteten Bewerberin hätte sich die Problematik der Sprungbeförderung allerdings auf andere Art und Weise gestellt: Die Bewerbung einer Beamtin der Besoldungsgruppe 13 wäre bei der Ausschreibung eines Statusamts der Besoldungsgruppe 15 voraussichtlich gar nicht berücksichtigt worden – zumindest hätte der Landespersonalausschuss hiervon eine Ausnahme zulassen müssen. Einen Anspruch hierauf hätte eine verbeamte Lehrerin allenfalls bei einer Ermessensreduktion auf Null und damit nur in besonderen Ausnahmesituationen verlangen können. Hier wurden im Stellenbesetzungsverfahren die beamtenrechtlichen Beförderungsvoraussetzungen aber offenbar nicht geprüft.

Nach dem Ansatz des BAG verlagert sich die Problematik bei angestellten Lehrern hingegen von der Ebene der Stellenbesetzung auf die Ebene der Vergütung – und zwar unter für die Lehrkraft günstigen Vorzeichen. Das BAG ließ den pauschalen Verweis des Landes, dass eine Sprungbeförderung grundsätzlich nicht möglich sei, im Ergebnis nicht ausreichen. Stattdessen hätte das Land nach Ansicht des BAG konkret vortragen müssen, warum hier eine Ausnahme nicht hätte gewährt werden können. Damit konnte die Lehrerin im Ergebnis eine Höhergruppierung verlangen, obwohl dies wertungsmäßig einer „Sprungbeförderung“ gleichkam.

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Autor

Bild von Dr. Christopher Rinckhoff
Senior Associate
Dr. Christopher Rinckhoff
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