13.10.2005

Am 12.10.2005 stärkte der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen (BGH IV ZR 162/03, IV ZR 177/03 und IV ZR 245/03) die Rechte von Verbrauchern bei vorzeitiger Kündigung oder Beitragsfreistellung von Lebensversicherungen: Danach können unwirksame Klauseln in Allgemeinen Bedingungen für Kapital bildende Lebensversicherungen nicht nachträglich durch wirksame Klauseln ersetzt werden, soweit diese Klauseln Abzüge bei Beitragsfreistellung und Kündigung (Stornoabzug) oder die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswertes bzw. die Verrechnung der Abschlusskosten betreffen.

Von diesen Urteilen dürften ca. 10 – 15 Mio. Verträge betroffen sein, die zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001 abgeschlossen worden sind.

Zum Hintergrund:

Durch zwei Urteile vom 09.05.2001 erklärte der Bundesgerichtshof (BGH Z 147,354 und BGH Z 147, 373) Klauseln in Allgemeinen Bedingungen für Kapital bildende Lebensversicherungen wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam. Dabei handelte es sich um Klauseln über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswertes, die Verrechnung von Abschlusskosten und einen Stornoabzug. Der  BGH sah die im Transparenzmangel liegende unangemessene Benachteiligung darin, dass den Versicherungsnehmern die mit der Beitragsfreistellung und der Kündigung insbesondere in den ersten Jahren verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteile nicht deutlich gemacht werden. Diese Nachteile beruhen darauf, dass wegen der zunächst vollen Verrechnung der Sparanteile der Prämien mit den im Wesentlichen aus der Vermittlungsprovision bestehenden einmaligen Abschlusskosten (so genanntes „Zillmer-Verfahren“) in den ersten Jahren keine oder allenfalls geringe Beträge zur Bildung einer beitragsfreien Versicherungssumme oder eines Rückkaufswertes vorhanden sind.

In Folge dieser Urteile ersetzten eine Vielzahl von Lebensversicherern die für unwirksam gesetzten Klauseln im Treuhänderverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG durch transparente Regelungen.

Die Entscheidung des BGH:

In dem nun entschiedenen Verfahren ging es um die Frage, welche Konsequenzen die Unwirksamkeit der früheren Klauseln bei Kündigung oder Beitragsfreistellung der betroffenen Verträge hat, ob ob diese Klauseln also ohne weiteres durch wirksame Klauseln ersetzt werden können.

Nach Auffassung des BGH ist die von dem beklagten Versicherungsunternehmen mit Zustimmung eines Treuhänders vorgenommene Ersetzung der unwirksamen Klauseln durch ihrer Meinung nach transparente inhaltsgleiche Bestimmungen unwirksam.

Für die unwirksame Vereinbarung von Abzügen bei Beitragsfreistellung und Kündigung (Stornoabzug) gibt es eine Regelung im Gesetz. Nach §§ 174 Abs. 4, 176 Abs. 4 VVG ist der Versicherer zu einem Abzug nur berechtigt, wenn er vereinbart ist. Ist die Vereinbarung wie hier unwirksam, besteht kein Anspruch auf einen Abzug.

Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswertes bei Kündigung und über die Verrechnung der Abschlusskosten unterläuft die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB. Bei inhaltsgleicher Ersetzung bliebe der Verstoß gegen das Transparenzgebot folgenlos und die gegen Intransparenz unwirksamen Klauseln mit den verdeckten Nachteilen für den Versicherungsnehmer letztlich doch verbindlich. Schon deshalb verbiete sich die nachträgliche Ersetzung der unwirksamen Klauseln.

Der BGH entschied daraufhin im Wege der richterlichen ergänzenden Vertragsauflegung, auf welche Art die einmaligen Abschlusskosten mit den Beiträgen zu verrechnen sind. Nach seiner Auffassung gilt Folgendes:

Bei vorzeitiger Beendigung der Beitragszahlung bleibt jedenfalls die versprochene Leistung geschuldet; der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswertes darf aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser Mindestbetrag bestimmt sich in Höhe der Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten Deckungskapitals ohne „Zillmerung“. Allerdings werden bereits erworbene Ansprüche aus einer vereinbarten Überschussbeteiligung dadurch nicht nachträglich erhöht.

Konsequenz für die Praxis:

Wer zwischen Juli 1994 und Mitte 2001 eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, sollte auf jeden Fall von seiner Versicherung eine Neuberechnung der Rückkaufswerte verlangen. Wer in dieser Zeit abgeschlossene Verträge zwischenzeitlich beitragsfrei gestellt oder gar gekündigt hat, sollte durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen, ob von der Versicherung nachträglich noch Zahlungen gefordert werden können, weil unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH sich ein höherer Rückkaufswert errechnet hätte.

Mitgeteilt von:

Rechtsanwalt Alexander Knauss, Bonn
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 138/05 vom 12.10.2005

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