29.11.2005

1. Das Managermodell:

Viele deutsche Unternehmen sind in Form von Holdings strukturiert, die Märkte an verschiedenen Standorten in der Rechtsform einer jeweils eigenständigen GmbH betreiben.

Das dazugehörende Unternehmenskonzept zielt dann häufig darauf ab, die Motivation eines Geschäftsführers zu steigern, indem er am Unternehmen, also an „seinem“ Markt beteiligt wird. Diese Geschäftsführer erhalten dann regelmäßig eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von bis zu 10 % an der von ihm geleiteten lokalen GmbH. Die Gestaltung sieht üblicherweise vor, für die Minderheitsbeteiligung nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu verlangen und den Geschäftsführer bei Beendigung seiner Geschäftsführerstellung gegen geringes Entgelt hinauskündigen zu können. Dazu gibt der Geschäftsführer bei dem Erwerb des Geschäftsanteils ein Angebot zum Rückkauf und zur Rückübertragung des Geschäftsanteils im Falle der Abberufung und/oder der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages ab, welches der Mehrheitsgesellschafter nach den Bedingungseintritt binnen einer bestimmten Frist annehmen kann. Als Kaufpreis für den Rückkauf ist dann ein Betrag vereinbart, der sich entweder nach dem Einheitswert des Betriebsvermögens, einem wertmäßig beschränkten Durchschnittsertrag, nach dem Nennwert oder dem vom Geschäftsführer selbst aufgebrachten Kaufpreis richtet. Im Übrigen ist in dem Gesellschaftsvertrag der jeweiligen Gesellschaft bestimmt, dass eine Übertragung von Geschäftsanteilen nur mit Zustimmung der Gesellschaft zulässig ist (so genanntes „Managermodell“).

Wenn dann nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit die Geschäftsanteile wieder zurückgezogen bzw. zurückgekauft werden sollen, entsteht sehr häufig Streit über die Zulässigkeit solcher wie Hinauskündigungsklauseln wirkender Rückkaufs- und Rückabtretungsvereinbarungen und regelmäßig auch über den für die Anteile zu gewährenden Abfindungswert (Rückkaufspreis).

2. Die Entscheidung des BGH:

Mit seinem Urteil vom 19. September 2005 (II ZR 173/04) hat der BGH Klarheit in die oft streitträchtigen Hinauskündigungssituationen gebracht und Hinauskündigungsklauseln im so genannten Managermodell grundsätzlich gebilligt.

Hinauskündigungsklauseln sind grundsätzlich sittenwidrig und damit nichtig
Zunächst stellt der BGH allerdings im Grundsatz fest, dass nach seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung in Personengesellschaften und GmbH gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen („Hinauskündigungsklauseln“) grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind. Das Gleiche gilt für eine wie im entschiedenen Fall neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Vereinbarung, die zum demselben Ergebnis führen soll. Denn der betroffene Gesellschafter ist schutzwürdig. Die freie Ausschließungsmöglichkeit kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen („Damoklesschwert“).

Hinauskündigungsklausel aber wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist
Der Grundsatz der Nichtigkeit von Hinauskündigungsklauseln gilt jedoch nicht ausnahmslos. Eine an keine Voraussetzungen geknüpfte Hinauskündigungsklausel oder eine vergleichbare schuldrechtliche Regelung ist dann wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist.

So hat der entscheidende Senat freie Ausschließungsrechte als wirksam angesehen,

  • wenn der ausschließungsberechtigte Gesellschafter mit Rücksicht auf die enge persönliche Beziehung zu seiner Mitgesellschafterin die volle Finanzierung der Gesellschaft übernimmt und der Partnerin eine Mehrheitsbeteiligung und die Geschäftsführung einräumt,
  • wenn eine Praxisgemeinschaft von Ärzten einen neuen Gesellschafter aufnimmt und sich dabei eine zeitlich begrenzte Prüfungsmöglichkeit vorbehalten will
  • oder wenn die Gesellschaftsbeteiligung nur als Annex zu einem Kooperationsvertrag der Gesellschafter anzusehen ist und sichergestellt werden soll, dass der Gesellschaft nur die Partner des Kooperationsvertrages angehören.

Keine Bedenken hatte der Senat auch gegen eine Satzungsklausel, nach der in einer GmbH, in der alle Gesellschafter persönlich mitarbeiten, ein Geschäftsanteil eingezogen werden kann, wenn der betreffende Gesellschafter nicht mehr in dem Gesellschaftsunternehmen tätig ist.

Besonderheiten gelten für die hier im Streit stehenden Rückkaufs- und Rückabtretungsvereinbarungen. Die Möglichkeit, die Gesellschafterstellung des Geschäftsführers zu beenden, ist nicht an einen sachlichen Grund gebunden, sondern unterliegt dem freien Ermessen der Mitgesellschafter. Sie können mit Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer nach § 38 Abs. 1 GmbHG ohne Grund abberufen und damit die Bedingung für die Rückübertragung seines Geschäftsanteils herbeiführen.

Bei einem Managermodell ist diese Koppelung des freien Widerrufs der Geschäftsfrüherbestellung und der Beendigung der Gesellschafterstellung aufgrund der besonderen Umstände des Falles sachlich gerechtfertigt. Denn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des jeweiligen Geschäftsführers hat nach dem Unternehmenskonzept lediglich die Funktion, den Geschäftsführer stärker an das Unternehmen zu binden, seine Motivation zu steigern und seine Stellung als „geschäftsführenden Gesellschafter“ innerhalb des Betriebs und nach außen aufzuwerten. Durch das damit einhergehende Gewinnbeteiligungsrecht wird dem Geschäftsführer eine von seinem Geschick bei der Unternehmensführung mitabhängige und diesen Erfolg widerspiegelnde Einnahmequelle neben seinem Gehalt eingeräumt.

Der BGH sieht bei dieser Sachlage den das Hinauskündigungsverbot tragenden Gedanken, den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte nicht unter unangemessenen Druck zu setzen, nicht berührt. Im Vordergrund stehe vielmehr die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, den Geschäftsführer ohne Grund aus seiner Organstellung abzuberufen. Der dadurch entstehenden Abhängigkeit von den Mehrheitsgesellschaftern ist der Geschäftsführer schon nach der gesetzlichen Regelung in § 38 Abs. 1 GmbHG ausgesetzt. Die weitere Folge, dass er dann auch seine Gesellschafterstellung verliert, falle demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht, weil die – von vornherein auf Zeit eingeräumte – Beteiligung in dem „Managermodell“ nur einen Annex zu der Geschäftsführerstellung darstelle.

Ob die vereinbarte Abfindung des Geschäftsführers angemessen ist, hat für die Wirksamkeit einer solchen Hinauskündigungsregelung keine Bedeutung. Denn auch die Vereinbarung einer unangemessen niedrigen Abfindung ließe das Kündigungsrecht unberührt.

Schließlich sieht der BGH bei einer solche Rückkaufs- bzw. Rückabtretungsvereinbarung keinen Verstoß gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und auch keinen Verstoß gegen §§ 134, 622 Abs. 6 BGB.

3. Hinweis:

Mit diesem Urteil schafft der BGH für das so genannte Managermodell Klarheit. Der Mehrheitsgesellschafter ist bei Anwendung des Managermodells gut beraten, sein Unternehmenskonzept von vornherein sorgfältig zu dokumentieren und das Konzept anhand der Leitlinien des BGH zu gestalten. Risikoträchtige Auseinandersetzungen mit geschäftsführenden Minderheitsgesellschaftern, deren Ausgang bislang häufig ungewiss war, können so von vornherein vermieden werden. Damit können auch häufig schmerzliche und teuere Vergleiche erspart bleiben.

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn

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