01.12.2005

Ein Elternteil, der allein für den Lebensunterhalt seines volljährigen Kindes aufkommen muss, kann das volle Kindergeld vom geschuldeten Unterhalt abziehen. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem nun veröffentlichten Urteil entschieden. Dieses Urteil gilt allerdings nur für den Unterhalt volljähriger Kinder; für minderjährige Kinder bleibt es dabei, dass das Kindergeld nur zur Hälfte angerechnet wird.

Ein geschiedener Vater von vier Kindern hatte den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner volljährigen Tochter erreichen wollen. In erster und zweiter Instanz hatte er keinen Erfolg; das OLG Zweibrücken war der Auffassung, das Kindergeld, das die Mutter für die bei ihr lebende Tochter bezog, sei gemäß § 1612 b Abs. 2 BGB wie bei einem minderjährigen Kind lediglich zur Hälfte auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen. Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof nun aufgehoben.

Der Unterhalt eines volljährigen Kindes richtet sich grundsätzlich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile, die anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen für den Unterhalt aufzukommen haben, § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Für den Fall, dass beide Elternteile Unterhalt zu zahlen haben, ist das Kindergeld gemäß § 1612 b Abs. 2 BGB zwischen den Eltern hälftig aufzuteilen. Allerdings ist das Kindergeld nach § 1612 b Abs. 3 BGB bei Leistungsunfähigkeit eines Elternteils dem allein barunterhaltspflichtigen Elternteil voll anzurechnen.

In Rechtsprechung und Literatur war seit langem umstritten, ob das auch gilt, wenn das volljährige Kind bei einem Elternteil lebt, der zwar mangels Leistungsfähigkeit keinen Barunterhalt zahlen kann, durch die gemeinsame Haushaltsführung jedoch nach wie vor Naturalunterhalt leistet. Ein Teil der Oberlandesgerichte ging davon aus, dass auch dieser Elternteil Anspruch auf Kindergeld habe.

Der Bundesgerichtshof hat diesen Streit nun entschieden und damit für Rechtsklarheit gesorgt: Ist nur ein Elternteil einem volljährigen Kind gegenüber zum Barunterhalt verpflichtet, ist allein diesem Elternteil das Kindergeld zuzurechnen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs „widerspräche es dem Zweck des Kindesgeldes als einer Erleichterung der Unterhaltslast im Ganzen“, wenn das Kindergeld dem allein Unter-haltspflichtigen nicht in vollem Umfang zugerechnet würde. Die Betreuung, die der andere Elternteil unter Umständen nach wie vor erbringe, sei nicht mehr geschuldet, sondern erfolge freiwillig. Wenn diese freiwilligen Naturalleistungen des betreuenden Elternteils den Bedarf des volljährigen Kindes teilweise deckten, so könne das nicht über das Kindergeld ausgeglichen werden; vielmehr müsse das volljährige Kind, dessen Bedarf durch die Unterhaltszahlungen des leistungsfähigen Elternteils gedeckt sei, an den nicht leistungsfähigen Elternteil für dessen Naturalleistungen einen Teil des vom anderen Elternteil gezahlten Barunterhalts abgeben.

Eine Aufteilung des Kindergeldes kommt danach bei volljährigen Kindern nur insoweit in Betracht, wie die Eltern anteilig Unterhalt zahlen. Am einfachsten lässt sich eine solche Aufteilung nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dadurch erreichen, dass das Kindergeld voll auf den Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes angerechnet wird; auf diese Weise entlastet es beide Elternteile entsprechend der jeweils geschuldeten Quote vom Barunterhalt. Zahlt ein Elternteil überhaupt keinen Unterhalt für das volljährige Kind, so erhält er demnach auch kein Kindergeld; dieses wird vielmehr allein dem zahlenden Elternteil gutgeschrieben. Zahlt ein Elternteil 20% des Unterhalts, werden ihm 20% des Kindergeldes angerechnet.

Für die Praxis bedeutet dies: Sofern ein Elternteil den Unterhalt für sein volljähriges Kind allein zahlt, kann das Kindergeld nun in voller Höhe von dem Unterhalt abgezogen werden. Bestehende Titel können – sofern das Kindergeld zuvor lediglich zur Hälfte angerechnet worden war – im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO durch Beschluss abgeändert werden.

Verfasserin: Rechtsanwältin Annette Wittmütz, Bonn.

 

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