08.12.2005 -

Urteilsgründe:

Der EUGH hat mit Urteil vom 22. November 2005 – C 144/04 – die in § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG vorgesehene Möglichkeit, Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet haben, unbegrenzt häufig ohne Sachgrund zu befristen, für europarechtswidrig erklärt. Das Gericht sieht in § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Alters. Die Richter verweisen auf die Richtlinie 2000/78/EG, die einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung bestimmter Formen der Diskriminierung – u.a. wegen des Alters – in Beschäftigung und Beruf schafft. Nach der Richtlinie stellt eine unmittelbar auf das Alter gestützte Ungleichbehandlung eine gemeinschaftsrechtlich verbotene Diskirminierung dar. Die Richtlinie lässt allerdings zu, dass die Mitgliedsstaaten eine solche Ungleichbehandlung vorsehen, wenn sie im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, insbesondere rechtmäßige Ziele aus dem Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt, objektiv und angemessen gerechtfertigt ist. Darüber hinaus müssen die Mittel zur Erreichung des Ziels allerdings auch angemessen und erforderlich sein.

Der EUGH räumt zwar ein, dass der mit § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG verfolgte Zweck, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, grundsätzlich eine objektive und angemessene Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellt.

Allerdings gehe das TzBfG über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Wenn nämlich Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet hätten, unterschiedslos unbegrenzt häufig verlängerbare Arbeitsvertrage angeboten werden könnten, so liefe diese Gruppe von Arbeitsnehmern Gefahr, von festen Beschäftigungsverhältnissen während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens ausgeschlossen zu sein. Bislang sei aber nicht nachgewiesen, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Zieles der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer objektiv wirklich erforderlich sei.

Bemerkenswert in dem Urteil ist, dass der EUGH die nationalen Gerichte, bei denen eine Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anhängig ist oder wird, bereits jetzt für verpflichtet hält, das Verbot der Diskriminierung wegen Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, obwohl die Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2078/EG noch gar nicht abgelaufen ist. An sich entfaltet sie deshalb im Rechtsverkehr noch keine unmittelbare Wirkung. Hierüber hat sich der EUGH mit seinem Urteil hinweggesetzt und darauf verwiesen, die Wahrung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes könne nicht vom Ablauf einer Frist abhängen.

Folgen für die Praxis:

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des EUGH, dass Befristungen nicht mehr auf die Regelungen des § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG gestützt werden sollten. Überdies muss davon ausgegangen werden, dass bereits abgeschlossene befristete Verträge nach § 14 Abs. 3 S. 4 TzBfG rechtsunwirksam befristet sind und sich die Arbeitnehmer in unbefristeten Arbeitsverhältnissen befinden. Dieser Wertung könnte allenfalls der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegenstehen. Wie die Arbeitsgerichte hier entscheiden werden, lässt sich gegenwärtig noch nicht zuverlässig prognostizieren.

Verfasserin:
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Ebba Herfs-Röttgen

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