Das Problem – Erbbauzinsansprüche in der Insolvenz:

Gewährt ein Grundstückseigentümer einem Dritten auf seinem Grundstück ein Erbbaurecht, so erhält er hierfür regelmäßig wiederkehrende Zahlungen, so genannte Erbbauzinsen. Wird dann das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erbbauberechtigten eröffnet, scheint die Überlegung nahe zu liegen, den Erbbauzinsanspruch wie Mietzinsansprüche zu behandeln und die nach Insolvenzeröffnung angefallenen Mietzinsansprüche als bevorrechtigte Masseforderungen gegen den Insolvenzverwalter durchzusetzen. Dieser auf den ersten Blick naheliegenden Lösung hat der BGH mit Urteil vom 20. Oktober 2005 (Aktenzeichen IX ZR 145/04) jetzt eine Absage erteilt, gleichzeitig aber auch Lösungen aufgezeigt, wie der Grundstückseigentümer seine Erbbauzinsan-sprüche auch in der Insolvenz realisieren kann.

Die Entscheidung des BGH:

Erbbauzinsansprüche sind keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Denn der Erbbaurechtsvertrag ist im Gegensatz beispielsweise zu einem Mietvertrag kein Austauschvertrag, welcher im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung beiderseits noch nicht vollständig erfüllt ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 2, erste Alternative, § 103 InsO). Ein wirksames Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters im Sinne dieser Vorschriften liegt deshalb bei Erbbaurechtsverträgen nicht vor, denn der Erbbaurechtsvertrag ist mit Bewirken der geschuldeten Leistung (Bestellung des Erbbaurechts und der Einräumung des Besitzes) bereits vollständig erfüllt. Der Erbbauzins sei kein Entgelt für die dauernde Duldung der Grundstücksnutzung, sondern er sei dinglicher Natur.

Vor dem Hintergrund der Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. beispielsweise BFH DB 2004, 573) erscheint diese Lösung unverständlich. Denn in der Finanzrechtsprechung sind Erbbauzinsen beim Grundstückseigentümer steuerrechtlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusehen, weil sie die Gegenleistung für die Duldung oder Nutzung des Grundstücks seien.

Für die zivilrechtliche Betrachtung folgt der BGH dieser steuerlichen Ansicht ausdrücklich nicht. Vielmehr behandelt er unter Verweis auf § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO den Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts ausschließlich als Rechtskauf, nämlich den Kauf eines künftigen, erst durch den Erfüllungsakt des Verkäufers begründeten Rechts, das zum Besitz des Erbbaugrundstücks berechtigt. Mit der Bestellung des Erbbaurechts und der Einräumung des Besitzes an den Erbbauberechtigten ist dieser Vertrag von Seiten des Eigentümers vollständig erfüllt.

Somit sind Erbbauzinsen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO – und auch die Möglichkeit, sie als Masseforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 2, zweite Alternative, § 108 InsO zu behandeln, scheitert. § 108 InsO, der für den Insolvenzverwalter Kündigungsrechte nach §§ 109, 112 InsO vorsieht, kann sich nur auf Miet-, Pacht- und Dienstverhältnisse beziehen. Eine entsprechende Anwendung auf Erbbaurechtsverträge scheidet aus, weil der Erbbaurechtsvertrag kein Dauerschuldverhältnis ist und daher auch nicht kündbar ist. Dies gilt auch für das Erbbaurecht selbst. Demgemäß fehlt es an der in § 109 InsO genannten „gesetzlichen Frist“ für eine Kündigung. Mit einer Kündigung entfernt vergleichbar wäre allenfalls der Heimfallanspruch, der aber nur dem Grundstückseigentümer zusteht.

Das richtige Vorgehen des Grundstückseigentümers:

Diese vom BGH angestellten Betrachtungen stellen den Grundstückseigentümer nicht rechtlos. Er muss sich auch nicht wegen seiner Erbbauzinsansprüche auf die Quote verweisen lassen. Denn das Erbbaurecht gehört zur Insolvenzmasse und unterliegt nach § 864 Abs. 1 ZPO als grundstücksgleiches Recht der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Der Grundstückseigentümer wird wegen seiner dinglichen Erbbauzinsansprüche nach § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO, §§ 1105, 1107, 1147 BGB durch Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht befriedigt. Er ist deshalb in der Insolvenz des Erbbauberechtigten nach § 49 InsO zur abgesonderten Befriedigung aus dem Erbbaurecht im Wege der Zwangsversteigerung berechtigt.

Soweit die Ansprüche dadurch nicht voll gedeckt werden, ist er im Hinblick auf die persönliche Haftung des Schuldners nach § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO, § 1108 Abs. 1 BGB berechtigt, als Insolvenzgläubiger am Verfahren teilzunehmen (§ 52 InsO).

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen