26.01.2006

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hält die betragsmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen für verfassungswidrig, weil die gesetzlichen Höchstbeträge es dem Steuerpflichtigen nicht ermöglichen, in angemessenem Umfang Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Er hat daher mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 X R 20/04 das Revisionsverfahren ausgesetzt und diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Kläger sind ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt und seine Ehefrau, die Eltern von sechs Kindern sind. Sie machen geltend, dass sie für sich selbst und für ihre Kinder Beiträge zu privaten Krankenversicherungen aus dem versteuerten Einkommen zahlen müssten, da sie mit Prämien im betragsmäßigen Umfang des Sonderausgaben-Höchstbetrags einen existenzsichernden Versicherungsschutz nicht erlangen könnten.

Der BFH ist dem Vorbringen der Kläger weitgehend gefolgt. Nach seiner Auffassung gebietet es das verfassungsrechtliche subjektive Nettoprinzip, dass existenznotwendige Aufwendungen des Steuerpflichtigen steuerlich verschont werden. Hierzu gehörten auch Beiträge zu Krankenversicherungen, soweit sie dazu dienten, Versicherungsschutz in dem von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten Umfang zu erlangen. Diese Beiträge dienten der eigenverantwortlichen Vorsorge gegen ein stets gegenwärtiges Lebensrisiko; dieser Vorsorge könne sich – u.a. auch nach der Wertung des Sozialversicherungs- und des Sozialhilferechts – der Steuerpflichtige nicht entziehen. Zwar sei es steuersystematisch richtig, entsprechende Aufwendungen nicht in den steuerlichen Grundfreibetrag – das sog. steuerfreie Existenzminimum – einzubeziehen. Dem individuellen Vorsorgebedarf müsse der Gesetzgeber aber jedenfalls durch eine realitätsgerechte Bemessung des Sonderausgabenabzugs Rechnung tragen.

Soweit Eltern in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht für ihre Kinder Beiträge zu Krankenversicherungen aufbringen müssten, sei der Gesetzgeber zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Familie gehalten, diese Belastung angemessen steuerlich zu berücksichtigen. Das geltende Steuerrecht sehe eine entsprechende Entlastung der Eltern weder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs noch beim Sonderausgabenabzug vor.

Hinweis:Das gegenständliche Verfahren betrifft das Streitjahr 1997. Unklar ist, ob und wie sich dieses Verfahren auch auf andere Veranlagungszeiträume auswirkt: Denn obwohl die beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen bereits Gegenstand eines Vorläufigkeitsvermerks in den Einkommensteuerbescheiden ist, ist nicht sicher, ob dieses neue beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren ebenfalls davon umfasst wird. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich hierzu noch nicht verbindlich geäußert.

Ebenso könnten Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 2005 von diesem Verfahren betroffen sein, da der Abzug der Krankenkassenbeiträge durch das Alterseinkünftegesetz auch weiterhin begrenzt ist und die Kinderanzahl keine Rolle spielt. Solange das BMF den Vorläufigkeitsvermerk aber nicht ausdrücklich auch auf diesen Fall ergänzt, besteht hier ebenfalls keine abschließende Rechtssicherheit.

Betroffen sind alle Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung, die wegen der Höchstbeträge nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Daher kann zum jetzigen Zeitpunkt auch gesetzlich Versicherten nur angeraten werden, die weitere Vorgehensweise entweder (individuell) mit dem eigenen Berater abzuklären oder aber – rein vorsorglich – in allen noch offenen Fällen Einspruch einzulegen. Würde sich nach dem eingelegten Einspruch dann zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass dies „vergeblich“ war, würde es lediglich zu einer Zurückweisung des Einspruchs durch das Finanzamt kommen (BFH-Beschluss vom 14.12.2005, Az. X R 20/04).

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v.DANWITZ PRIVAT – Bonn

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  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

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