15.02.2006 -

Zeugnisformulierungen geben immer wieder Anlass zu Kritik und Beanstandungen. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der interessanten praxisrelevanten Frage zu befassen, ob ein Arbeitgeber bei einem berechtigten Verlangen des Arbeitnehmers nach einer Zeugnisberichtigung an seine bisherige Verhaltensbeurteilung gebunden ist (BAG, Urt. v. 21.06.2005 – 9 AZR 352/04 -, DB 2005, 2360). Der für Zeugnisangelegenheiten 9. Senat hat diese Bindung klar bejaht.

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Arbeitgeber als Finanzbuchhalterin vom 1. April bis zum 30. Dezember 2002 beschäftigt. Unter dem Datum 30. September 2002 erteilte der Arbeitgeber ein Zeugnis, in dem er das Verhalten der Klägerin wie folgt beurteilte:

„Ihr persönliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets einwandfrei.“

In dem Zeugnis war allerdings der Geburtsort falsch angegeben. Die Arbeitnehmerin reichte deshalb das Zeugnis mit der Bitte um Berichtigung zurück. Ihr wurde dann ein neues Zeugnis unter dem Datum 25. Oktober 2002 erteilt. Der Geburtsort wurde zutreffend korrigiert. Zusätzlich änderte aber der Arbeitgeber die Verhaltensbeurteilung und bescheinigte der Klägerin nunmehr:

„Ihr persönliches Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten war in der Zeit ihrer Anstellung einwandfrei.“

Beide Zeugnisse hatte die Leiterin der Buchhaltung unter Hinweis auf diese Funktion unterschrieben. Die Arbeitnehmerin beanstandete sowohl die geänderte Verhaltensbeurteilung (Weglassung des Wortes stets) als auch das Ausstellungsdatum. Der Arbeitgeber erteilte ihr daraufhin unter dem Datum 30. September 2002 ein Zeugnis mit der Formulierung:

„Ihr dienstliches Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten war einwandfrei.“

Dieses Zeugnis war nunmehr vom Geschäftsführer unterzeichnet.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Arbeitgeber habe ihr Verhalten so zu beschreiben wie in der Ursprungsfassung. Andernfalls werde der Eindruck erweckt, sie habe sich nicht ausnahmslos einwandfrei verhalten. Der Arbeitgeber hat sich damit verteidigt, die Bescheinigung einwandfreien Verhaltens heiße nichts anderes, als dass es frei von Beanstandungen sei. Das Wort sei nicht steigerungsfähig; die Aufnahme des Zusatzes „stets“ führe zu einem überflüssigen „Wortgeklingel“.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Bindung an Inhalt eines bereits erteilten Zeugnisses

Das BAG hat klargestellt, dass der Arbeitgeber an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses grundsätzlich gebunden ist. Der Arbeitgeber ist nur berechtigt von seinen Erklärungen zum Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers abzurücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen.

II. Rechtsgedanke des Maßregelungsverbotes

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei einer berechtigten Zeugnisberichtigung nicht nachträglich vom zunächst erteilten Endzeugnis nachteilig abzuweichen, ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots nach § 612 a BGB. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht befugt, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Zeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern.

III. Wohlwollende Formulierung

Im Interesse des beruflichen Fortkommens ist das Zeugnis außerdem wohlwollend zu fassen. Deshalb ist Grundlage des Zeugnisses das Verhalten, das für den Arbeitnehmer kennzeichnend ist. Einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, gehören nicht in das Zeugnis. Dem Arbeitnehmer kann mithin auch bei kleineren Auffälligkeiten oder einem einmaligen Fehlverhalten zu bescheinigen sein, dass sein Verhalten einwandfrei gewesen sei.

Gab das Verhalten des Arbeitnehmers keinerlei Anlass zu Beanstandungen, muss sich dieses positive Moment im Zeugnistext niederschlagen. In Betracht kommen sprachliche Beiwörter wie bspw. „immer“, „durchweg“ oder „ausnahmslos“. Dem steht auch die im ursprünglich erteilten Zeugnis gewählte Formulierung des Arbeitgebers, das Verhalten der Klägerin sei „stets einwandfrei“ gewesen gleich.

Hinweis für die Praxis:

Das Arbeitszeugnis dient dem Arbeitnehmer als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten Grundlage für ihre Personalauswahl. Inhaltlich muss das Zeugnis daher sowohl dem Gebot der Zeugniswahrheit als auch dem Gebot der Zeugnisklarheit gerecht werden. Einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, gehören daher nicht in das Zeugnis.

Die vorliegende Entscheidung macht zudem deutlich, dass Arbeitgeber an einer einmal erteilten Verhaltensbeurteilung gebunden sind. Verlangt deshalb der Arbeitnehmer nachträglich aus berechtigtem Anlass nach einer Berichtigung des Zeugnisses, kann das bisher erteilte Zeugnis nicht abgeändert bzw. verschlechtert werden.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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