Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. November 2005 umfasst die gesetzliche Leistungspflicht der Krankenkassen entgegen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über häusliche Krankenpflege jedenfalls nicht nur eine spezielle Krankenbeobachtung bei akuten Verschlechterungen einer Krankheit, sondern kann auch in sonstigen Fällen gegeben sein.
Der Fall:
Der Kläger hatte nach seiner Geburt einen Herz- und Atemstillstand erlitten und ist seitdem schwerstbehindert. Unter anderem bestehen Bewegungs-, Schluck- und Sprachunfähigkeit. Außerdem treten verstärkt Infekte der oberen Luftwege auf, wobei es zu starken Verschleimungen kommt, die in Verbindung mit einer eingeschränkten Schluckmotorik zu bedrohlichen Hustenanfällen führen können. Der Kläger bedarf daher ständiger Beobachtung durch eine medizinische Fachkraft, die jederzeit bei Verschlechterungen der Atmungsfunktion und bei Krampfanfällen einsatzbereit sein muss. Der Kläger erhält für die Grundpflege Sachleistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III. Die Behandlungspflege wird im Übrigen von seiner Mutter sichergestellt, die examinierte Krankenschwester ist. Da hierdurch aber der rund um die Uhr bestehende Pflegebedarf des Klägers nicht abgedeckt wurde, bean-tragte er bei der beklagten Krankenkasse die Gewährung von täglich 9,5 Stunden Behandlungspflege in der Form der Krankenbeobachtung und Durchführung der nach Lage der Dinge jeweils gebotenen Maßnahmen. Die Beklagte war jedoch nur bereit, Sachleistungen für die Dauer von bis zu 2 Stunden täglich zu gewähren, weil sie die reinen Beobachtungszeiten nicht als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege ansah.
Das Sozialgericht verurteilte die Klägerin zur Übernahme der Behandlungspflege für täglich 9,5 Stunden. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch ihre Revision blieb erfolglos.
Die Entscheidung des BSG:
Das BSG entschied, dass sich die häusliche Krankenpflege nicht in die gebotenen Pflegemaßnahmen einerseits und die Beobachtungszeit andererseits aufteilen lasse, da die Beobachtung des Klägers dazu diene, zu entscheiden, ob und welche konkre-ten Maßnahmen bei Verschlechterungen der Atmungsfunktion und beim Auftreten von Krampfanfällen geboten sind. Im konkreten Fall ließ das Gericht dahinstehen, unter welchen Umständen eine allgemeine Krankenbeobachtung eine Leistung der häuslichen Krankenpflege sein könne, wenn ärztliche oder pflegerische Maßnahmen zur Abwendung von Krankheitsverschlimmerungen eventuell erforderlich, aber kon-kret nicht voraussehbar seien. Soweit die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesaus-schusses über häusliche Krankenpflege nur eine spezielle Krankenbeobachtung bei akuten Verschlechterungen einer Krankheit zur Kontrolle der Vitalfunktion sowie die Überwachung eines Beatmungsgerätes als verordnungsfähig erklären, werde hier-durch die gesetzliche Leistungsverpflichtung der Krankenkassen bei der Erbringung von häuslicher Krankenpflege eingeschränkt, ohne dazu eine ausreichende gesetzli-che Ermächtigung zu haben. Insoweit seien die Gerichte nicht gebunden.
Verfasserin: Rechtsanwältin Barbara Scheben, MEYER-KÖRING v.DANWITZ PRIVAT – Bonn
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