Das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) ermöglicht Eltern in Elternzeit die Verringerung der Arbeitszeit. Das Verhältnis zwischen der Inanspruchnahme von Elternzeit und der Geltendmachung des Anspruchs auf Elternteilzeit wird im BErzGG nicht ausdrücklich geregelt. Im arbeitsrechtlichen Schrifttum werden unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert (vgl. den Aufsatz von Joussen, Elternzeit und Verringerung der Arbeitszeit, NZA 2005, 336 ff.). Das Bundesarbeitsgericht hat nun dieses Verhältnis mit erfreulicher Deutlichkeit für die Praxis entschieden (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 19.04.2005 – 9 AZR 233/04 -, DB 2005, 2582 = NZA 2005, 1354). Das Urteil enthält auch weitere interessante Ausführungen zur Inanspruchnahme der Elternzeit.
Der Sachverhalt der Entscheidung:
Die klagende Arbeitnehmerin war seit Oktober 1981 in einem Krankenhaus als Diätassistentin in Vollzeit beschäftigt. Im März 2002 wandte sich die Klägerin schriftlich an das Krankenhaus unter dem Betreff „Vorabmitteilung“. In diesem Schreiben teilte sie ihre Planungen betreffend der Elternzeit mit, ohne jedoch konkret einen Anspruch sowohl auf Elternzeit als auch auf Elternteilzeit geltend zu machen. Konkrete Anträge wollte sie vielmehr bis zur voraussichtlichen Geburt des Kindes im Juli 2002 zurückstellen.
Das Krankenhaus stellte zum 1. Juni 2002 eine weitere Diätassistentin in Vollzeit als Vertreterin während der Elternzeit der Arbeitnehmerin ein. Nach der Geburt des Kindes Ende Juni 2002 schrieb die Klägerin am 10. Juli 2002 an das Krankenhaus mit folgendem Text:
„…
Hiermit zeige ich an, dass ich im Anschluss an die achtwöchige Mutterschutzfrist Elternzeit in Anspruch nehmen werde. Mein Kind wurde am 29. Juni 2002 geboren. Da ich insgesamt drei Jahre Elternzeit in Anspruch nehmen werde, erfolgt dies im Zeitraum 29. Juni 2002 bis 28. Juni 2005.
Ich bitte um schriftliche Zustimmung.
Sobald ich einer Teilzeitbeschäftigung während meiner Elternzeit am Kreiskrankenhaus nachgehen kann, werde ich dies acht Wochen vorher beantragen.
…“
Sechs Monate später wandte sich die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 24. Januar 2003 erneut wegen der beabsichtigten Teilzeitbeschäftigung an das Krankenhaus und beantragt nunmehr beginnend ab 1. April 2003 Teilzeit an zwei Tagen insgesamt in einem Umfang von 15,4 Stunden pro Woche. Das Krankenhaus lehnte den Teilzeitantrag ab und berief sich auf die bereits eingestellte Elternzeitvertretung. Die mit den anderen Diätassistenten über eine freiwillige Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit geführten Gespräche blieben erfolglos.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage der Arbeitnehmerin auf entsprechende Verringerung der Arbeitszeit abgewiesen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:
Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Arbeitnehmerin zurückgewiesen.
I. Recht auf Elternzeit
Der Arbeitnehmer hat unter den in § 15 Abs. 1 BErzGG näher bestimmten Voraussetzungen das Recht auf Elternzeit. Er kann dann vollständig mit der Arbeit aussetzen. Die Inanspruchnahme dieses Rechts ist von keiner Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Sie führt unmittelbar zum Ruhen der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden wechselseitigen Hauptpflichten; Arbeits- und Vergütungspflicht werden suspendiert. Der Arbeitnehmer muss lediglich die Ankündigungsfristen nach § 16 BErzGG einhalten.
II. Zeitraum der Elternzeit
Der Arbeitnehmer hat nach § 16 Abs. 1 S. 1 BErzGG mit seinem schriftlichen Verlangen zugleich zu erklären, für welche Zeiten er innerhalb von zwei Jahren Elternzeit nehmen wird. Diese Anforderung ist dahin zu verstehen, dass der Arbeitnehmer den 2-Jahres-Zeitraum mindestens abdecken muss. Sie trägt dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter diesem Zeitraum zurück, kann der Arbeitnehmer eine Verlängerung der Elternzeit nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen.
Aber: Der Arbeitnehmer ist nicht daran gehindert, von vornherein den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes (§ 15 Abs. 2 BErzGG) abzudecken. Das Bundesarbeitsgericht hat nun ausdrücklich die im Schrifttum vertretene gegenteilige Auffassung, der Arbeitnehmer werde bei einem solchen dreijährigen Verlangen dennoch nur für die Dauer von zwei Jahren gebunden, abgelehnt. Der Gesetzgeber will mit dem Recht auf Elternzeit den Interessen von Eltern Rechnung tragen, die oft bei der Geburt eines Kindes Umfang und Dauer der erforderlichen Kindesbetreuung nicht abschätzen können. Deshalb wurde der Zeitraum von vormals drei Jahren Erziehungsurlaub auf nunmehr zwei Jahre Elternzeit reduziert. Eltern haben nun aber die Möglichkeit, das dritte Jahr der Elternzeit mit Zustimmung des Arbeitgebers auf einen Zeitpunkt nach Vollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes zu übertragen (§ 15 Abs. 2 S. 4 BErzGG). Dies ändert aber nichts daran, dass Arbeitnehmer generell berechtigt sind, bereits den vollen Zeitraum von drei Jahren verbindlich festzulegen.
III. Verhältnis von Elternzeit und Elternteilzeit
Im Schrifttum wurde bislang kontrovers diskutiert, ob der Antrag auf Teilzeit zeitgleich mit der Inanspruchnahme von Elternzeit gestellt werden muss oder noch nach Beginn der Elternzeit gestellt werden kann. Die Regelungen der §§ 15, 16 BErzGG geben insoweit keinen Aufschluss. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt: Der Antrag auf Elternteilzeit kann auch nach dem Beginn der Elternzeit gestellt werden. Damit ist ein Arbeitnehmer berechtigt, auch nach einer beantragten Elternzeit später eine Teilzeit zu verlangen. Dem stehen die Regelungen der §§ 15, 16 BErzGG nicht entgegen.
IV. Berücksichtigung personeller Dispositionen des Arbeitgebers
Dieses Recht der Arbeitnehmer führt nach zutreffender Auffassung des BAG zu keiner unzumutbaren Einschränkung der Planungssicherheit des Arbeitgebers. Dieser behält dennoch die Möglichkeit, während der Elternzeit des Arbeitnehmers die erforderlichen organisatorischen und personellen Dispositionen zu treffen. Hat deshalb der Arbeitgeber aufgrund der schriftlichen bindenden Erklärung des Arbeitnehmers, er nehme Elternzeit in Anspruch – ohne gleichzeitig eine Verringerung der Arbeitszeit zu verlangen – Dispositionen getroffen und stehen diese der nachträglichen Geltendmachung des Anspruchs auf Elternteilzeit entgegen, so wird der Arbeitgeber dadurch ausreichend geschützt, dass ihm § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BErzGG die Möglichkeit einräumt, sich auf das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe zu berufen, die dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen.
Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Allerdings müssen die betrieblichen Gründe „dringend“, d.h. von besonderem Gewicht sein. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer zunächst Elternzeit unter völliger Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch nimmt, der Arbeitgeber eine Vertretung befristet eingestellt hat und weder diese noch die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer bereit sind, ihre Arbeitszeit zu verringern.
Hinweis für die Praxis:
Der Arbeitgeber ist nicht gezwungen, der Vertretungskraft oder anderen Arbeitnehmern Kündigungen oder Änderungskündigungen auszusprechen, um Arbeitskapazität für eine Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers in Elternzeit freizumachen. Es besteht auch kein besonderes Kündigungsrecht gegenüber den vertretungsweise eingestellten Arbeitnehmern. Die Durchführung eines Kündigungsverfahrens, das mit den Risiken eines Kündigungsschutzprozesses verbunden ist, stellt für den Arbeitgeber eine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Dies alles rechtfertigt daher die Ablehnung des Teilzeitanspruchs. Den klaren Vorgaben des BAG können wir uns nur anschließen.
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn
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