23.03.2006 -

Ist in einer GmbH & Co. KG ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH aufgestiegen und wird dann als Geschäftsführer abberufen, so lebt das alte Arbeitsverhältnis in der Regel nicht wieder auf. Vereinbaren die Parteien jedoch nach der Kündigung des Geschäftsführervertrages eine Weiterbeschäftigung ohne wesentliche Änderung der Arbeitsaufgaben, lässt dies regelmäßig auf den Parteiwillen schließen, die Beschäftigungszeit als Geschäftsführer auf das neu begründete Arbeitsverhältnis anzurechnen. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der abberufene Geschäftsführer dann in dem neu begründeten Arbeitsverhältnis von Anfang an Kündigungsschutz genießt. (Urteil vom 24.11.2005, Az.: 2 AZR 614/04)

I. Sachverhalt

Der Kläger war seit 1984 zuletzt als Sachbearbeiter für die beklagte KG tätig. Auf Grund eines mit dieser geschlossenen «Geschäftsführer-Anstellungsvertrags» wurde er ab 01.01.1997 zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten bestellt. Nach einer Kündigung des Geschäftsführervertrages einigten sich die Parteien am 15.08.2002 über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses «entsprechend dem Anstellungsvertrag vom 15.11.1996». Ab 15.08.2002 arbeitete der Kläger als Assistent der Geschäftsleitung der Beklagten. Mit Schreiben vom 16.01.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.08.2003. Die Vorinstanzen haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, wegen Nichterfüllung der Wartezeit habe der Kläger noch keinen Kündigungsschutz gehabt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers war erfolgreich.

II. Die Entscheidung

1. Grundsätzlich keine Anrechung der Beschäftigung als GF
§ 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) setzt für die Erfüllung der Wartezeit voraus, dass das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Dies bedeutet, dass sonstige Zeiten, in denen der Betreffende nicht als Arbeitnehmer, sondern etwa als Geschäftsführer einer GmbH tätig geworden ist, bei der Berechnung der Wartezeit grundsätzlich nicht mitzuzählen sind. Der Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG schließt es nach Ansicht des BAG nicht von vornherein aus, Beschäftigungszeiten, die ein GmbH-Geschäftsführer auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses zurückgelegt hat, bei der Berechnung der sechsmonatigen Wartezeit mit zu berücksichtigen.

II. Kein Ruhen des alten Arbeitsvertrages bei Bestellung zum GF

In dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags durch einen leitenden Mitarbeiter ist nach Ansicht des BAG im Zweifel die konkludente Aufhebung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses zu sehen. Dies gilt aber nur für Altfälle. Zu beachten ist, dass bei der Bestellung eines leitenden Angestellten zum Geschäftsführer sein bisheriges Arbeitsverhältnis nur dann nicht ruht, wenn der ursprüngliche Arbeitsvertrag gemäß § 623 BGB ordnungsgemäß schriftlich gekündigt wurde. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB verhindert seit 1.5.2000 die konkludente Aufhebung.

III. Anrechung durch Vereinbarung
Durch vertragliche Vereinbarung kann jedenfalls nach der Entscheidung des BAG eine an sich nicht anrechnungsfähige frühere Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber oder bei einem anderen Unternehmen auf die Betriebszugehörigkeitsdauer angerechnet werden. Eine solche Vereinbarung liegt insbesondere dann nahe und entspricht regelmäßig dem Parteiwillen, wenn ein Geschäftsführer der beklagten Arbeitgeberin oder der Komplementär- GmbH der beklagten Arbeitgeberin nach Beendigung der Geschäftsführerstellung in einem Arbeitsverhältnis mit vergleichbarer Aufgabenstellung weiterbeschäftigt wird. Das BAG nahm an, aus den Vereinbarungen der Parteien anlässlich der Neubegründung des Arbeitsverhältnisses ergebe sich, dass die Beschäftigungszeit ab 15.11.1996 anzurechnen und die Wartezeit am 16.01.2003 deshalb erfüllt gewesen sei. Damit hat das BAG einen großzügigen Auslegungsmaßstab angelegt.

IV. Anrechnung nur bei ausdrücklicher Regelung ausgeschlossen

Ein abweichender Parteiwille, der dahin ziele, die frühere Beschäftigungszeit als Geschäftsführer unberücksichtigt zu lassen, sei nur dann beachtlich, wenn er in dem neuen Arbeitsvertrag hinreichend deutlich zum Ausdruck komme, so das BAG.

Praxistipp

Wollen die Gesellschafter einer GmbH eine Anrechnung und damit sofortigen Kündigungsschutz des abberufenen, aber als z.B. leitenden Angestellten weiterbeschäftigten, ehemaligen Geschäftsführers verhindern, empfiehlt sich eine genaue vertragliche Regelung. Ausreichend dürfte eine Klausel sein, dass die Anrechnung der Beschäftigungszeit als Geschäftsführer auf das neu begründete Arbeitsverhältnis ausscheidet. Das BAG entschied den vorliegenden Fall lediglich „mangels abweichender Vereinbarung“ durch Auslegung zugunsten der Anrechnung.

Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Sören Langner, LL.M., Bonn

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