18.10.2000

In vielen – vor allem innerstädtischen – Bereichen verlaufen die U- bzw. S-Bahn-Gleise im öffentlichen Verkehrsraum, sind also nicht auf einem gesonderten Gleiskörper vom übrigen Verkehr getrennt. Dementsprechend häufig kommt es zu Kollisionen. Oftmals liegt die bzw. eine der Ursachen darin, dass die Besonderheiten des Schienenverkehrs nicht hinreichend berücksichtigt werden, nämlich zum einen die Schienengebundenheit, so dass eine Bahn nun einmal nicht ausweichen kann, zum anderen der außerordentlich lange Bremsweg solcher Bahnen.

Weithin unbekannt ist immer noch, dass die StVO diesen Gegebenheiten durch zahlreiche Vorschriften Rechnung trägt, die im Grundsatz des Vorrangs des Schienenverkehrs zusammengefasst werden. Die daraus sich ergebenden Verhaltensanforderungen führen häufig zu einer Mithaftung des Individualverkehrs, vor allem dann, wenn etwa parkende Wagen geringfügig in den Schienenbereich hineinragen und der Bahnfahrer sich beim Passieren verschätzt, und auch in Situationen, in denen der Individualverkehr vor einer herannahenden Bahn auf die Schienen fährt und diese nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Oftmals stellt sich dann erst im Prozess für den Betroffenen heraus, dass er grundsätzlich verpflichtet ist, den Schienenbereich nicht in Anspruch zu nehmen, wenn auch nur damit zu rechnen ist, dass sich ein Schienenfahrzeug nähert, das er behindern könnte.

Instruktiv ist aus einer Fülle gleicher Urteile etwa eine Entscheidung des OLG Dresden vom 16.10.1995, in dem es zu einem Fall, in dem der Pkw-Fahrer links abbiegen wollte und deshalb anhielt, wobei es zum Auffahren einer nachfolgenden Bahn kam, u.a. heißt:

75% seines Schadens muß die Klägerin aber selbst tragen … Die Straßenbahn ist an Schienen gebunden und daher gehindert auszuweichen. Als Massenverkehrsmittel mit einem erheblichen Gewicht und einer betriebsbedingt geringeren Bremsverzögerung hat sie einen im Verhältnis zum Pkw bedeutend längeren Anhalteweg. Diese besonderen Betriebsbedingungen haben den Gesetzgeber veranlaßt, ihr bestimmte Privilegien einzuräumen. Andere Verkehrsteilnehmer müssen sie, soweit möglich, durchfahren lassen, Linksabbieger dürfen sie nicht behindern. Der Straßenbahnfahrer darf auf die Einhaltung seines Vorrechts durch den übrigen Verkehr vertrauen. Er braucht nicht damit zu rechnen, dass ein vor ihm fahrendes Fahrzeug in einer Entfernung, die die Gefahr eines Zusammenstoßes in sich schließt, in den Gleisbereich einbiegt und dort zum Halten kommt. Dies gilt auch dann, wenn der andere Fahrer seine Abbiegeabsicht bereits angezeigt hat. Der Sohn der Klägerin hätte sich nach dem Gesetz nur dann auf den Schienenbereich begeben dürfen, wenn eine Behinderung der Straßenbahn auszuschließen war. Daß dies nicht der Fall war, zeigt der eingetretene Unfall.

Die Kenntnis und strikte Beachtung dieses Grundsatzes des Vorrangs des Schienenverkehrs kann nur jedem Teilnehmer des Individualverkehrs dringend empfohlen werden. Es gibt wenige Vorschriften des Straßenverkehrsrechts, die leider so wenig bekannt sind.

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