19.07.2006 -

Die Ankündigung einer außerordentlichen Kündigung durch Vorgesetzte kann einen Arbeitnehmer, der daraufhin einen Aufhebungsvertrag abschließt, auch dann zur Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung berechtigen, wenn die Vorgesetzten ersichtlich nicht selbst kündigungsberechtigt sind. Die Drohung mit einer Kündigung ist insbesondere dann widerrechtlich, wenn dem Arbeitnehmer keine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird.

I. Der Fall

Der Kläger war bei der Wachpolizei im Polizeipräsidium angestellt. Zunächst legte er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verspätet vor. Zudem kam ihm wenig später ein Verwarnungsblock abhanden. Eine Abmahnung wurde hierfür nicht erteilt. Der Vorgesetzte des Klägers erlangte Kenntnis von einem gegen den Kläger ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und von Mietrückständen des Klägers. Der Kläger erklärte in einem Personalgespräch, dass er die Mietrückstände ausgleichen werde. Nach dem sich der Vermieter beschwert hatte, dass die Mietrückstände immer noch nicht beglichen seien, forderten zwei nicht zur Kündigung berechtigte Vorgesetzte den Kläger zu einem Gespräch auf. Wegen der Ereignisse und des zerstörten Vertrauensverhältnisses stellten sie eine außerordentliche Kündigung in Aussicht, falls der Kläger keinen Aufhebungsvertrag abschließe. Der Kläger musste seinen Spind räumen und unterzeichnete den Aufhebungsvertrag. Kurz danach focht er den Aufhebungsvertrag an. Damit hatte der Kläger in allen Instanzen Erfolg.

II. Die Entscheidung

1. Das BAG stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den Aufhebungsvertrag aufgelöst worden ist. Der Kläger sei durch widerrechtliche Drohung zur Abgabe der Erklärung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages bestimmt worden und habe diese Erklärung wirksam angefochten. Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer keinen Aufhebungsvertrag abschließe, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt.

2. Bei einer Drohung sind die gesamten Umstände zu würdigen. Die Drohung kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Die Vorgesetzten gaben vor, dass sie den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung beeinflussen können, was für eine Drohung ausreichend ist. Es ist unerheblich, dass die Vorgesetzten des Klägers nicht kündigungsberechtigt gewesen sind. Die Drohung ist für den Kläger auch ursächlich für die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages gewesen, wobei es genügt, dass die Erklärung ohne die Beeinflussung überhaupt nicht oder nicht zu dieser Zeit abgegeben worden wäre.

3. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung war widerrechtlich. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann der Fall, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft nicht in Erwägung ziehen durfte. Im vorliegenden Fall ist kein wichtiger Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gegeben gewesen. Denn Umstände aus dem außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers sind nur relevant, wenn dadurch entweder die Dienstpflichten im Arbeitsverhältnis erheblich vernachlässigt werden oder das Vertrauen des Arbeitgebers in die Eignung des Arbeiters schwer erschüttert wird. Die persönliche Integrität und seine Eignung für die geschuldete Tätigkeit sind jedoch durch die Mietrückstände nicht beeinträchtigt.

III. Praxishinweis

Die aktuelle Entscheidung des BAG zeigt erneut, dass aus Arbeitnehmersicht bei der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags größte Vorsicht geboten ist. Ohne hinreichende Bedenkzeit und ohne anwaltliche Beratung sollte keine Vereinbarung unterzeichnet werden. Arbeitgeber müssen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages darauf achten, dass eine Kündigung – als Alternative zum Aufhebungsvertrag – nur dann als „Druckmittel“ in Aussicht gestellt werden kann, wenn ein Kündigungsgrund tatsächlich vorliegt bzw. ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Sören Langner, LL.M., Bonn
MEYER-KÖRING v. DANWITZ PRIVAT

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