26.07.2006

Erst von einigen Monaten, im Februar 2006, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) beinahe einen Schlussstrich unter die unendliche Geschichte gezogen. In seinem „Hertz“-Urteil hat das höchste Zivilgericht entschieden, dass es keine gesetzliche Pflicht gibt, Einkaufsvorteile an Franchise-Nehmer auszuzahlen. Allerdings hatte auch diese Entscheidung nicht die letzte Klarheit gebracht, weil in dem Fall, der zur Entscheidung vorlag, die Einkaufsvorteile nicht an den Franchise-Geber, sondern an eine Tochtergesellschaft geflossen waren. Dennoch stellte das „Hertz“-Urteil eindeutig eine Stärkung der Position der Franchise-Geber dar.

Nun gibt es scheinbar einen neuen Grund zur Verunsicherung. Was ist geschehen? Überraschend hat das Bundeskartellamt am 8. Mai 2006 eine scheinbar gegenläufige Entscheidung gefällt. In dem sog. „Praktiker“-Beschluss haben die Wettbewerbshüter festgestellt, dass der Baumarkt-Franchise-Geber eine unbillige Behinderung begangen haben soll, als er einigen Franchise-Nehmern eine Bezugsbindung auferlegt und gleichzeitig Einkaufsvorteile nicht weiter geleitet hat. Das ist auf den ersten Blick ein Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH.

Kurzfassung: Die unendliche Geschichte der Einkaufsvorteile

Der Streit um die Einkaufsvorteile hat eine lange Tradition. Dem „Hertz“-Urteil waren 2003 die „Apollo“-Urteile vorausgegangen. In diesen Urteilen hatte der BGH die Frage, ob es eine gesetzliche Auszahlungspflicht für Einkaufsvorteile gibt, noch ausdrücklich offen gelassen. Das war möglich, weil der „Apollo Optik“-Vertrag eine Klausel enthielt, aus der sich sogar ein vertraglicher Anspruch der Franchise-Nehmer herleiten ließ. Hier zeigte sich bereits damals, wie wichtig es ist, diese Frage vertraglich klar zu regeln. Die „Apollo“-Urteile hatten die Verunsicherung eher noch verstärkt, weil das Offenlassen der Rechtsfrage natürlich bedeuten konnte, dass die Richter einen Anspruch der Franchise-Nehmer für möglich hielten. Das war sogar recht wahrscheinlich, denn so musste ein vorsichtiger Berater die Worte des Gerichts interpretieren. Noch früher, im Februar 1999, hatte der BGH im „Sixt“-Urteil allerdings deutlich entschieden, dass es keinen Anspruch der Franchise-Nehmer auf Auszahlung gibt, wenn dafür eine spezielle vertragliche Regelung nicht vorhanden ist.

Aus dem „Praktiker“-Beschluss ergibt sich also: Die Nichtweiterleitung der Einkaufsvorteile kann kartellrechtswidrig sein, obwohl sie schuldrechtlich („vertragsrechtlich“) durchaus erlaubt ist. Das ist nicht erstaunlich: Beide Rechtsgebiete haben unterschiedliche Zielrichtungen.

Welche Risiken drohen?

1. Vorbemerkung: Was heißt eigentlich Einkaufsvorteile?

Unter „Einkaufsvorteilen“ im Sinne dieser Diskussion versteht die Rechtsprechung viele denkbare Formen von Vergütungen, die von Systemlieferanten gewährt werden: Provisionen, Rückvergütungen, Boni, Kick-backs und Werbekostenzuschüsse. Je nach Branche werden unterschiedliche Begriffe verwendet. Denkbar ist auch, dass die Einkaufsvorteile seitens der Lieferanten mittelbar in Form von Rabatten gewährt werden. Zur Klarstellung: Es geht bei diesem Problem nicht darum, dass ein Franchise-Geber, der als Hersteller oder Importeur auftritt, an einer Handelsspanne verdient. Das ist eine Selbstverständlichkeit in unserer Wirtschaftsordnung.

2. Vorbemerkung: Wie ist das „Praktiker“-Franchise-System aufgebaut?

Um zu erkennen, ob Risiken drohen, muss man wissen, wie das „Praktiker“-Franchise-System organisiert ist. Die Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte AG („Praktiker AG“) führt ein eigenes Filialnetz von Baumärkten. Sie verfügt über eine Tochtergesellschaft, die Praktiker Baumärkte GmbH („Praktiker GmbH“). Die Praktiker GmbH tritt als Franchise-Geber auf und hat den Franchise-Nehmern eine fast 100%ige Bezugsbindung (ausschließliche Bezugsbindung) auferlegt. Die Waren müssen entweder von dem Franchise-Geber oder von gelisteten Lieferanten bestellt werden. Nur diejenigen Produkte, die nicht im Sortiment vorhanden waren (vor allem „lokale Spezialitäten“) dürfen von Fremdlieferanten bezogen werden. Ein elektronisches Warenwirtschaftssystem ermöglicht dem Franchise-Geber die Kontrolle. Faktisch führt dies dazu, dass die Franchise-Nehmer rund 95% der Waren bei dem Franchise-Geber bzw. bei gelisteten Lieferanten bestellen. Einkaufsvorteile werden heute von der Praktiker AG ausgehandelt. Dabei handelt es sich um Rabatte („sofortige Konditionen“) sowie um Rückvergütungen und Boni („spätere Konditionen“). Diese Einkaufsvorteile werden an die Franchise-Nehmer mittelbar nur zu einem kleinen Teil weiter geleitet.

Das besondere Problem liegt darin, dass die Franchise-Nehmer bei der Praktiker GmbH Einkaufspreise bezahlen mussten, die über den Einzelhandels-Verkaufspreisen des Filialsystems lagen. Die Verbraucher konnten also teilweise günstiger kaufen als die Franchise-Nehmer. Wenn die Franchise-Nehmer sich „gezwungen“ sahen, mit dem „Praktiker-Werbepreis“ in den Filialen mitzuhalten, um Kundenerwartungen an niedrige Preise zu erfüllen, konnte es vorkommen, dass eine Abgabe der Waren unter dem eigenen Einkaufspreis notwendig war. Ein solches „Mithalten“ mit Preissenkungen in den Filialen war mehrfach vorgekommen. Immerhin: Franchise-Nehmer, die „Dauerniedrigpreise“ mitmachten, erhielten von dem Franchise-Geber dafür auch eine Rückerstattung.

Was wurde beanstandet?

Das Bundeskartellamt hat die Nichtweitergabe der Einkaufsvorteile als „unbillige Behinderung abhängiger Unternehmen“ verboten. Dabei hat sich die Behörde von folgenden Aspekten leiten lassen:

  • Die Praktiker GmbH sei ein „marktstarkes Unternehmen“, von dem die Franchise-Nehmer abhängig sind. Deshalb sei die maßgebliche Vorschrift des Kartellgesetzes hier anwendbar.
  • Die Abhängigkeit soll sich daraus ergeben, dass den Franchise-Nehmern durch die Bezugsbindung und das Warenwirtschaftssystem faktisch alle anderen Bezugsmöglichkeiten genommen wurden. Die Behörde erwähnt in diesem Zusammenhang auch die franchisetypischen Bindungen, die dem Franchise-Nehmer zusätzlich alternative Wege versperrt hätten.
  • Der Umstand, dass es sich um eine 100%ige Bezugsbindung handelt, wird ganz besonders herausgestellt.
  • Die Franchise-Nehmer können nicht mit Lieferanten verhandeln. Zugleich haben sie keinen Zugang zu Einkaufsvorteilen der Lieferanten, an die sie gebunden sind.
  • Die Konkurrenz durch das eigene Filialnetz der Praktiker AG stellt einen weiteren Aspekt dar, der das Verhalten wettbewerbswidrig erscheinen lässt.
  • Die Kombination des Einkaufs zu hohen Preisen und der Niedrigpreis-Konkurrenz durch das Filialnetz wird als besonders schwerwiegend angesehen.

Das Bundeskartellamt hat dabei betont, dass eine Bezugsbindung von mehr als 80% von unserer Rechtsordnung generell als kritisch anzusehen ist. Und weiter: Bezugsbindungen zwischen 80% und 100% werden wie 100%ige Bezugsbindungen behandelt.

Was folgt daraus?

Bei Licht betrachtet ist der „Praktiker“-Beschluss nicht Besorgnis erregend. Es müssen verschiedene Faktoren zusammen kommen, bevor es Probleme geben kann. Fazit: Kein Grund zur Beunruhigung. Folgendes sollten Sie wissen:

  • Franchise-Geber, die keine 100%ige Bezugsbindung verlangen, müssen sich keine Sorgen machen. Der „Praktiker“-Beschluss betrifft sie nicht.
  • Franchise-Geber, die eine 100%ige Bezugsbindung vereinbaren, sollten sicher stellen, dass die Franchise-Nehmer immer marktgerechte Preise bezahlen. Preiskampf-Konkurrenz durch eigene Filialen muss außerdem vollständig vermieden werden. Als weitere Absicherung sollten Vertragslaufzeiten von unter fünf Jahren in Betracht gezogen werden. Man kann auch überlegen, Teile der Einkaufsvorteile an die Franchise-Nehmer fließen zu lassen; das müsste dann allerdings mehr als lediglich ein „Feigenblatt“ sein.

Was ist sonst noch zu beachten?

Die Erkenntnis, dass es keinen gesetzlichen Auszahlungsanspruch der Franchise-Nehmer gibt, nützt nichts, wenn der Vertrag unrichtig gestaltet ist. Immerhin ist „Apollo Optik“ zur Auszahlung von Einkaufsvorteilen verurteilt worden. Ratsam ist es deshalb, in dem Franchise-Vertrag eine Regelung vorzusehen, die diese Frage unmissverständlich im Sinne das Franchise-Gebers regelt.

Verfasser: Dr. Giesler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn

Dr. Giesler ist einer der bekanntesten Franchise-Anwälte und Autor diverser Bücher zu diesem Thema. Er berät ausschließlich die Seite der Franchise-Geber und leitet unsere Anwaltsgruppe „Franchising und Vertrieb“.

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