27.07.2006 -

Arbeitszeugnisse unterliegen dem so genannten Grundsatz der Zeugniswahrheit. Dieser Grundsatz wird aber durch das Verbot, das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers ungerechtfertigt zu erschweren, ergänzt. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der praxisrelevanten Frage zu befassen, ob die Erwähnung der Elternzeit in einem Arbeitszeugnis zulässig ist (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 10.05.2005 – 9 AZR 261/04 -, NZA 2005, 1237 = DB 2005, 2474 = BB 2005, 2755).

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der Arbeitnehmer war als Koch in einer Großküche vom 1. Mai 1998 bis zum 30. Juni 2002 beschäftigt. Von Mai 1999 bis Februar 2002 befand sich der Arbeitnehmer in Elternzeit (früher Erziehungsurlaub).

Zum Austrittsdatum erteilte der beklagte Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Zeugnis in dem es u.a. heißt:

„Herr P. arbeitete zunächst im Restaurant im T. in F. … Vom 3. Mai 1999 bis 14. Februar 2002 befand sich Herr P. im Erziehungsurlaub. Da der Bewirtschaftungsvertrag mit dem T. zum 31. Dezember 1999 endete, wurde Herr P. im Anschluss daran bis zu seinem Austritt in dem von uns bewirtschafteten Betriebsrestaurant im Hause S. AG in B. eingesetzt. Hier werden arbeitstäglich ca. 700 Gäste bewirtet.“

Der Arbeitnehmer ist der Ansicht, die Erwähnung seines Erziehungsurlaubs verstoße gegen den Grundsatz einer wohlwollenden Beurteilung. Da seine Frau und er in einem Alter seien, das weiterem Nachwuchs nicht entgegenstehe, sei zu befürchten, dass der fragliche Satz eine erfolgreiche Stellensuche beeinträchtigen könne. Schließlich habe er das Recht, frei darüber zu bestimmen, ob und ggf. inwieweit persönliche Sachverhalte Dritten gegenüber offenbart würden.

Er hat deshalb den Arbeitgeber mit dem Ziel verklagt, ein entsprechendes Arbeitszeugnis ohne den fraglichen Satz zu erteilen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung ebenfalls zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Der Arbeitgeber durfte also im Arbeitszeugnis den in Anspruch genommenen Erziehungsurlaub (ausnahmsweise) erwähnen.

I. Grundsatz der Zeugniswahrheit

Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und darf dessen weiteres Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Vom Arbeitgeber wird deshalb verlangt, dass er seinen Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit dies möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt. Dabei ist der Grundsatz der Zeugniswahrheit zu beachten. Er erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind deshalb in einem Zeugnis so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können.

Aber: Unwesentliches darf durchaus verschwiegen werden.

II. Elternzeit = erhebliche Ausfallzeit?

Erhebliche Ausfallzeiten eines Arbeitnehmers sind vom Arbeitgeber dann im Zeugnis zu dokumentieren, wenn ansonsten bei Dritten der falsche Eindruck erweckt würde, die Beurteilung des Arbeitnehmer beruhe auf einer der Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses üblicherweise entsprechenden tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Sind die Ausfallzeiten aufgrund ihrer Dauer oder Lage für die Bewertungsgrundlage wesentlich, so gebietet es der Zweck des Zeugnisses, sowohl über die ausgeübten Tätigkeiten des Arbeitnehmers zu informieren als auch dessen Leistung und Führung (Verhalten) zu bewerten, dass der beurteilende Arbeitgeber das Verhältnis zwischen dem Zeitraum der tatsächlichen Beschäftigung und dem des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses klarstellt.

In diesen Fällen muss bei unbefangenen Dritten der Eindruck vermieden werden, die Beurteilung durch den Arbeitgeber beruhe auf einer der rechtlichen Dauer seines Arbeitsverhältnisses entsprechenden tatsächlichen Arbeitsleistung. Insbesondere darf nicht zum Ausdruck kommen, der beurteilte Arbeitnehmer habe eine die tatsächliche Dauer der Arbeitsleistung wesentlich übersteigende Berufserfahrung erworben.

Fazit:

Vorliegend befand sich der Kläger während seines 50 Monate dauernden Arbeitsverhältnisses 33 Monate im Erziehungsurlaub. Damit hat er nur kapp 1/3 seines Arbeitsverhältnisses tatsächlich die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit als Koch ausgeübt. Gerade der Berufserfahrung kommt aber im Gaststättengewerbe eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb war der Arbeitgeber berechtigt, die Elternzeit im Zeugnis zu erwähnen. Dies galt umso mehr, als der Kläger während der letzten 38 Monate seines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber nur 4,5 Monate tatsächlich eine Arbeitsleistung als Koch erbracht hatte.

Praxishinweis:

Dem Urteil des BAG ist zuzustimmen. Arbeiten Arbeitnehmer den wesentlichen Teil ihres Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht, da sie sich in Elternzeit befinden, muss dies im Arbeitsverhältnis für künftige Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht werden. Die Entscheidung ist nach unserer Auffassung auch für langjährige freigestellte Betriebsratsmitglieder anwendbar. Ist ein Arbeitnehmer über Jahre hinweg als Mandatsträger tätig und zusätzlich sogar für diese Tätigkeit in vollem Umfange freigestellt, kann eine eingehende Berufserfahrung in dieser Zeit nicht erworben werden.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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