15.08.2006 -

Bekanntlich wurde zum 1. Januar 2004 das Kündigungsschutzgesetz geändert. Dabei wurde u.a. die in § 23 KSchG normierte Kleinbetriebsklausel von fünf auf zehn Arbeitnehmer angehoben. Die kompliziert formulierte Übergangsregelung hat teilweise zu unterschiedlichen Lösungsansätzen in der Literatur geführt. Das LAG Hamm hat sich nun in einem aktuellen Urteil zur Berücksichtigung von Neuverträgen geäußert. Die wesentlichen Aussagen des Urteils sollen nachfolgend kurz wiedergegeben werden (LAG Hamm, Urt. v. 1. 9. 2005 – 8 Sa 58/05 -, zitiert nach juris, Revision läuft beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 AZR 840/05).

I. Grundsatz

Das Kündigungsschutzgesetz greift nach sechs Monaten (Wartzeit) in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmern, § 23 Abs. 1 KSchG. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden dabei mit dem Faktor 0,5 und mit nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt.

II. Übergangsregelung

Bis zum 31. Dezember 2003 lag der Schwellenwert nicht bei 10, sondern bei 5 Arbeitnehmern. Es sollte jedoch bei der Gesetzesänderung vermieden werden, dass mit in Krafttreten des höheren Schwellenwertes von 10 Arbeitnehmern Kleinbetriebe, die zwar mehr als 5 Arbeitnehmer hatten, aber nun nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigten, automatisch den Kündigungsschutz verloren. Aus diesem Grunde wurde in einer komplizierten Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 KSchG geregelt, dass die vor dem 1. Januar 2004 beschäftigten Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz solange behalten, bis diese Altbelegschaft nicht unter die maßgebliche ursprünglich geltende Schwelle von 5 gesunken ist.

Hinweis für die Praxis:

Die Übergangsregelung kann in der Praxis zu einer zweigeteilten Belegschaft führen. Einmal die Altbelegschaft, die noch nach den alten Regelungen Kündigungsschutz genießt und einmal die neue Belegschaft, die unterhalb des Schwellenwertes von 10 beschäftigt wird und damit keinen Kündigungsschutz innehat.

Beispiel:

Ein Betrieb beschäftigt im Jahre 2003 sechs Vollzeitkräfte. Diese Altbelegschaft hat nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung umfassend Kündigungsschutz. Im Jahre 2004 werden zwei Mitarbeiter und im Jahre 2005 ein weiterer Mitarbeiter in Vollzeit eingestellt. Insgesamt sind damit neun Arbeitnehmer beschäftigt. Der neue Schwellenwert (ab 1. Januar 2004) von mehr als 10 Arbeitnehmern wird aber noch nicht erreicht. Nach der Übergangsregelung genießt die Altbelegschaft von sechs Arbeitnehmern weiterhin Kündigungsschutz. Die drei neuen Arbeitnehmer fallen unter die Neufassung und haben noch keinen Kündigungsschutz. Erst wenn noch zwei Mitarbeiter eingestellt werden, wird der neue Schwellenwert von insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmern erreicht. In diesem letzteren Fall hätten dann alle Arbeitnehmer vollen Kündigungsschutz.

III. Keine Berücksichtigung von Neuverträgen für die Altbelegschaft

Die Regelungen für die Altbelegschaft sollen nur den ursprünglichen Status quo erhalten. Die Altbelegschaft soll aber nicht besser gestellt werden. Sinkt deshalb die Altbelegschaft unter den ursprünglichen Schwellenwert von 5 herab, entfällt für diese Gruppe der Kündigungsschutz insgesamt. In dem vorherigen Beispiel würde sich dies wie folgt darstellen: Von der Altbelegschaft (sechs Arbeitnehmer) wird ein Mitarbeiter gekündigt. Die Altbelegschaft sinkt dann auf fünf Arbeitnehmer. Der Kündigungsschutz greift aber erst bei mehr als fünf Arbeitnehmern. Die verbliebenen fünf Mitarbeiter der Altbelegschaft verlieren insgesamt den Kündigungsschutz.

Die in dem Beispiel genannten drei neueingestellten Mitarbeiter werden bei der Altbelegschaft nicht berücksichtigt. Dies hat nun das LAG Hamm klargestellt. Es kommt nicht darauf an, dass die Anzahl der tatsächlichen Beschäftigten zu jedem Zeitpunkt über 5 lag. Für die Altbelegschaft sind nach dem eindeutigen (aber komplizierten) Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung macht deutlich, dass gerade in Kleinbetrieben genauestens auf die Zuordnung der Arbeitnehmer zur Altbelegschaft oder zur neuen Belegschaft geachtet werden muss. Mitarbeiter, die ursprünglich einmal Kündigungsschutz hatten, können diesen nachträglich verlieren. Die Zweiteilung der Belegschaft in Mitarbeiter mit Kündigungsschutz und Mitarbeiter ohne Kündigungsschutz ist vom Gesetzgeber gewollt. In Kündigungsschutzverfahren sollte deshalb gerade auf diesen Umstand besonderes Augenmerk gelegt werden.

Verfasser: Dr. Nicolai Besgen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bonn

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