In vielen Fällen werden Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Resturlaubsansprüche werden aber nur dann verbraucht, wenn die Freistellung – soweit zulässig – ausdrücklich unter Anrechnung des Resturlaubes erfolgt.
In einem interessanten Urteil hatte sich nun das LAG Köln mit der Frage zu befassen, ob es zulässig ist, bereits im Arbeitsvertrag die Anrechnung zu vereinbaren (Landesarbeitsgericht Köln, Urt. v. 20.02.2006 – 14 (10) Sa 1394/05 -, NZA-RR 2006, 342). Die wesentlichen Aussagen des Urteils sollen nachfolgend dargestellt werden.
Der Sachverhalt der Entscheidung:
Der klagende Arbeitnehmer war seit dem 1. Januar 2001 aufgrund eines schriftlichen Formulararbeitsvertrages als Leiter des Innendienstes mit zuletzt 5.113,00 € brutto beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages hieß es:
„Der Gesellschaft steht es frei, den Mitarbeiter nach einer Kündigung von der weiteren Mitarbeit zu entbinden. Auf einen etwa bestehenden Urlaubsanspruch wird diese Zeit angerechnet.“
Zwischen den Parteien kam es dann zu einem Kündigungsrechtsstreit, in dem sie sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2003 einigten. Der Arbeitnehmer beantragte noch Ende November restlichen Urlaub für die Zeit ab dem 28. November 2003 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses (31. Dezember 2003). Der Arbeitgeber lehnte den Urlaubsantrag zunächst ab, erteilte dann aber dem Arbeitnehmer am 1. Dezember 2003 Hausverbot und wies ihn an, seinen Schreibtisch zu räumen. Der Rechtsanwalt des Arbeitgebers schickte noch am selben Tage an den Arbeitnehmervertreter eine E-Mail mit folgendem Text:
„Damit dürfte sich die „Urlaubsdiskussion“ erledigt haben.“
Der Arbeitnehmer hielt die Anrechnungsklausel für unwirksam und machte auf dem Klagewege Urlaubsabgeltung in Höhe von 20 Tagen geltend.
Die Entscheidung des LAG:
Arbeitsgericht und auch Landesarbeitsgericht haben die arbeitsvertragliche Klausel für wirksam erachtet.
I. Urlaubsabgeltung
Arbeitnehmer haben nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Urlaubstage, die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in natura gewährt werden können. Arbeitnehmer, die bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist bzw. zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeiten, haben daher Anspruch auf Urlaubsabgeltung. In vielen Fällen werden Arbeitnehmer mit Zugang einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Anrechnung der Urlaubsansprüche freigestellt. Bei einer rechtmäßigen Freistellung ist diese Anrechnung grundsätzlich zulässig und wirksam.
II. AGB-Kontrolle?
Das LAG Köln hat die arbeitsvertragliche Klausel insgesamt für zulässig erachtet. Eine vertraglich bereits im Vorhinein vereinbarte Automatik der Gestalt, dass immer dann, wenn eine rechtmäßige Freistellung in der Kündigungsfrist erfolgt, eine Anrechnung auf einen noch bestehenden Urlaubsanspruch vorgenommen wird, kann wirksam vereinbart werden. Eine solche Klausel kann nicht als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB angesehen werden. Sie verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB oder stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
Solange der Arbeitnehmer keine anderweitigen Urlaubsansprüche äußert, erfüllt damit der Arbeitgeber den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er während der Kündigungsfrist Urlaub gewährt. Dies kann er bereits vertraglich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses festschreiben. Die Anrechnungsautomatik tritt nur dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise anderweitige Urlaubsansprüche äußert.
III. Unwiderruflichkeit erforderlich!
Die Anrechnungsklausel und damit die Anrechnungsautomatik können aber nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn der Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt worden ist. Denn nur bei Unwiderruflichkeit der Freistellung ist der Urlaubszweck erfüllt. Bei einer widerruflichen Freistellung muss ein Arbeitnehmer mit der Rückbeorderung zum Arbeitsplatz rechnen. Dies läuft dem Urlaubszweck, Freizeit in Anspruch zu nehmen, zuwider. Im vorliegenden Fall wurde unmissverständlich ein Hausverbot erteilt. Dies ist mit der Unwiderruflichkeit der Freistellung gleichzusetzen. Dass die Entbindung von der Mitarbeit in rüder und unangemessener Form erfolgte, macht sie nicht unwirksam
Hinweis für die Praxis:
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Voraussetzung ist aber, worauf ebenfalls deutlich hingewiesen werden muss, dass es sich um eine rechtmäßige Freistellung handelt. Im vorliegenden Fall war dies unproblematisch, denn die Freistellungsphase deckte sich bereits mit dem geäußerten Urlaubswunsch des Arbeitnehmers. Nicht in jedem Fall darf aber einseitig freigestellt werden, insbesondere kann ein Arbeitnehmer berechtigterweise der Freistellung widersprechen. Schließlich müssen bei einer Freistellung auch die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen beachtet werden, vgl. dazu ausführlich
Nicolai Besgen, Risiko unwiderrufliche Freistellung in Aufhebungsverträgen, B+P (Zeitschrift für Betrieb und Personal) Heft 5/2006, 313 ff.
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn
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