16.10.2006 -

Wir hatten bereits über das Thema unzulässige Internetnutzung während der Arbeitszeit berichtet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einem weiteren Urteil vom 27. April 2006 seine im Juli 2005 begründete Rechtsprechung bestätigt und weiter konkretisiert (BAG, Urt. v. 27.04.2006 – 2 AZR 386/05 -, NZA 2006, 977; siehe auch BAG, Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 -, NZA 2006, 98; ferner BAG, Urt. v. 12.01.2006 – 2 AZR 179/05 -, NZA 2006, 980).
Die wesentlichen Kernaussagen des Urteils sollen kurz zusammengefasst werden.

I. Verschiedene Pflichtverletzungen

Das Bundesarbeitsgericht differenziert die möglichen Pflichtverletzungen, die als kündigungsrelevantes Verhalten in Betracht kommen, wie folgt:

  • Das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme („unbefugter Download“), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder andere Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems verbunden sein können oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, bspw. weil strafbare oder pornographische Darstellungen herunter geladen werden;
  • die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise – zusätzliche – Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel – unberechtigterweise – in Anspruch genommen hat;
  • die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt.

II. Verletzung der Arbeitszeit

Bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer grundsätzlich seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt. Wer sich verbotswidrig ohne Kenntnis seines Arbeitgebers am Arbeitsplatz mit privaten Dingen beschäftigt, lässt sich diese private Beschäftigung als Arbeitszeit bezahlen. Der Arbeitnehmer kann sich hier allenfalls damit entlasten, dass ihm von dem Arbeitgeber nicht in ausreichendem Umfange Arbeiten zugewiesen werden, er also in den Phasen der privaten Nutzung seine Arbeitsverpflichtung mangels zugewiesener Arbeit nicht vernachlässigen kann.

III. Rufschädigung in der Öffentlichkeit

Das Bundesarbeitsgericht stellt nachhaltig auf die Gefahr einer Rufschädigung des Arbeitgebers ab. Allein die Befassung mit pornographischen Darstellungen bringt die Gefahr einer Rückverfolgung an den Nutzer mit sich und kann damit den Eindruck erwecken, ein Arbeitgeber befasse sich anstatt mit normalen Dienstaufgaben bspw. mit Pornographie.

IV. Pornographie als gesteigerte Pflichtverletzung?

In der bisherigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, auch des Bundesarbeitsgerichts, herrschte der Grundsatz, dass der Arbeitgeber nicht zum Sittenwächter über seine Arbeitnehmer berufen ist. Es kam deshalb mehr darauf an, ob generell eine Pflichtverletzung festzustellen ist. Auf den Inhalt z.B. bestimmter Internetseiten, insbesondere pornographischen Seiten, kam es deshalb nicht an. Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht nunmehr abgerückt. Die Ansicht von Seiten mit pornographischem Inhalt wird nunmehr als zusätzlicher Pflichtenverstoß bewertet. Dabei kommt es nicht auf die strafrechtliche Bewertung dieses Pflichtenverstoßes an.

Hinweise für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat in nunmehr drei Entscheidungen seine Rechtsprechung zur unerlaubten Internetnutzung während der Arbeitszeit konkretisiert. Die grundsätzlich tolerante und großzügige Rechtsprechung der Instanzgerichte wird von dem BAG nicht bestätigt. Vielmehr wird sich die Praxis auf die strenge Rechtsprechung einstellen müssen, die bereits bei zeitlichen Verfehlungen in einem Umfang von 20 Minuten grundsätzlich einen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung annimmt. Allerdings ist zu beachten, dass in zwei BAG-Fällen die fristlosen Kündigungen nicht bestätigt wurden, sondern vielmehr die Rechtsstreite zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanzen zurückgewiesen wurden.

Literaturempfehlung: BAG, Urt. v. 27.04.2006 – 2 AZR 386/05 -, NZA 2006, 977; siehe auch BAG, Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 -, NZA 2006, 98; ferner BAG, Urt. v. 12.01.2006 – 2 AZR 179/05 -, NZA 2006, 980.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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