Eine aktuelle Entscheidung des FG Düsseldorf vom 6. September 2006 (Aktenzeichen 4 K 6867/04 Erb) zeigt die Grenzen erbschaftsteuerlicher Gestaltungen zur Erreichung des Betriebsvermögensfreibetrags des § 13 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 Abs. 1 AO auf. Diese Entscheidung ist gerade jetzt bedeutsam, weil die Erbschaftsteuerreform voraussichtlich zum 1. Januar 2007 in Kraft treten wird und jetzt noch die letzten Möglichkeiten ausgenutzt werden können, erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Vergünstigungen durch Schaffung von Betriebsvermögen vor der Übertragung in Anspruch zu nehmen.
Solche Gestaltungen bieten sich derzeit insbesondere bei zu übertragenden Wertpapierdepots und Barvermögen an. Barschaften und Wertpapiervermögen gehen nämlich nach aktuell gültigem Erbschaftsteuerrecht (auch für Schenkungen anwendbar) ungeschmälert in die Bemessungsgrundlage für die Steuer ein; werden sie vorher in eine steuerliche Mitunternehmerschaft eingebracht (beispielsweise GmbH & Co. KG oder atypisch stille Gesellschaften) werden diese Vermögensbestandteile zu steuerlichem Betriebsvermögen und unterliegen damit einem besonderen Betriebsvermögensfreibetrag nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG in Höhe von 225.000,00 €, einem weiteren Bewertungsabschlag von 35 % nach § 13 a Abs. 2 ErbStG und zusätzlich der Tarifermäßigung nach § 19 a ErbStG.
Derartige Gestaltungen werden ab dem 1. Januar 2007 voraussichtlich nicht mehr mit steuerlicher Wirkung möglich sein. Aber auch bereits zum heutigen Zeitpunkt können derartige Gestaltungen als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten verworfen werden.
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, was ist das?
Viele steuerlich ausgefeilte Gestaltungen unterliegen dem Damoklesschwert der Beurteilung als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO. Davon sind auch erbschaftsteuerliche Gestaltungen nicht ausgenommen.
Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs ist insbesondere zu prüfen, wenn bei bestehender Aussicht, Privatvermögen zu erwerben, die Voraussetzungen für die Begünstigung des Übergangs dieses Vermögens nach § 13 a ErbStG formal herbeigeführt werden. Von einer Umgehung soll dann auszugehen sein, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist in diesem Sinne unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorgegebene Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll. Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung wird insbesondere dann angenommen, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck dient.
Der Fall:
Eine Erblasserin gründete in Erwartung ihres nahen Todes an einem einzigen Tag zunächst eine GmbH mit Mindeststammkapital und dem Unternehmenszweck, das Wertpapierdepot der Erblasserin von – im Todeszeitpunkt noch – rund 220.000,00 € zu verwalten. Sodann beteiligte sich die Erblasserin an der eigenen GmbH gegen Leistung einer Einlage atypisch still und konstruierte so eine steuerliche Mitunternehmerschaft. In das Sonderbetriebsvermögen dieser Mitunternehmerschaft überführte sie zeitgleich ihr Wertpapierdepot. Wiederum drei Tage später errichtete sie ein Testament, in dem sie verfügte, dass die GmbH-Beteiligung und die atypisch stille Beteiligung an ihren Lebensgefährten übergehen sollten. Aus dem Wertpapierdepot sollten sodann 300.000,00 DM in eine aufgeschobene Lebensversicherung eingezahlt werden, die nach fünfjähriger Wartezeit eine lebenslange Rente an den Lebensgefährten erbringen sollte. Während des Fünfjahreszeitraums sollten aus dem verbliebenen Rest des Wertpapierdepots monatliche Entnahmen von 3.330,00 DM geleistet werden. Nach dem Tode des Lebensgefährten sollte das nicht verbrauchte Wertpapierdepot an ihre Kinder fallen.
Kurz darauf verstarb die Erblasserin. Der Lebensgefährte übernahm GmbH und atypisch stille Beteiligung und begehrte den Betriebsvermögensfreibetrag von 225.000,00 €, den das Finanzamt versagte. Es sah in Erwartung des Ablebens gewählten Gestaltung einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg.
Die Entscheidung:
Das Finanzgericht Düsseldorf versagte die Anwendung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG ebenso wie das Finanzamt in Anwendung des § 42 Abs. 1 AO. Denn die von der Erblasserin im Streitfall gewählte Gestaltung sei unangemessen. Das Ziel der Vermögensverwaltung sei unproblematisch erreichbar gewesen durch Beauftragung eines reinen Vermögensverwalters. Demgegenüber stand die Gründung von zwei Gesellschaften verbunden mit der Verpflichtung zur Erbringung der Stammeinlage und zur Tragung der Kosten der Beurkundung sowie der Eintragung in das Handelsregister in keinem Verhältnis zum Wert des Depots der Erblasserin.
Der Senat hatte auch keine Zweifel daran, dass die gewählte Gestaltung ausschließlich der Steuerminderung dienen sollte. Dies leitete er aus folgenden Überlegungen ab:
- Erläuterung zur Sondereröffnungsbilanz (Umstände die zur Einlage des Depots in das Sonderbetriebsvermögen geführt haben)
- Den zeitlichen Ablauf der Geschehnisse im Streitfall mit der engen zeitlichen Abfolge der Schritte
- Den Inhalt des zeitnah geschlossenen Testaments, das erkennbar das Ziel verfolgte, die private Versorgung des Lebensgefährtin sicherzustellen
- Die Gestaltung in Erwartung des nahen Todes der Erblasserin
- Das Fehlen jeglicher wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher nichtsteuerlicher Gründe
Die Gestaltung war letztlich darauf ausgerichtet, die private Versorgung des Lebensgefährten durch eine lebenslange Rente sicherzustellen und für diese Leistungen zusätzlich den Betriebsvermögensfreibetrag in Anspruch zu nehmen, der nach der gesetzgeberischen Wertung für rein private Versorgungen nicht zu gewähren ist.
Für die dahinter stehende Missbrauchsabsicht bestand nach Auffassung des FG Düsseldorf eine tatsächliche Vermutung. Dabei sei es unerheblich, dass der klagende Lebensgefährte nicht selbst den Gestaltungsmissbrauch geschaffen hat. Denn die Folgen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten treffen auch denjenigen, der sich einer Gestaltung bedient, durch die das Steuergesetz umgangen wird. Das ist auch derjenige, der eine solche Gestaltung fortführt und für sich nutzt. Hier hatte der Kläger das formal geschaffene „Betriebsvermögen“ fortgeführt und beanspruchte den Freibetrag nach § 13 a ErbStG, was für die Fortführung des Missbrauchs ausreichend ist.
Demzufolge war der Vermögensanfall so zu versteuern als wäre die Gestaltung nicht erfolgt. Das heißt zu versteuern waren hier der volle Wert des Wertpapiervermögens und der Nennbetrag der unmittelbar zuvor gegründeten GmbH-Anteile abzüglich des ungünstigen Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG in Höhe von nur 5.200,00 €.
Empfehlung:
Bei Gestaltungen, bei denen zwangsläufig steuerliches Betriebsvermögen und die damit zusammenhängenden erbschaftsteuerlichen Begünstigungen geschaffen werden sollen, ist dringend der Indizienkatalog des FG Düsseldorf zu beachten. Zwar ist es nicht unbedingt erforderlich, den zeitlichen Ablauf auseinanderzuziehen und gewisse Schamfristen einzuhalten (wenn dies auch empfehlenswert ist), weil in gewissen Situationen – wie im Streitfall – Zeitdruck herrscht; es muss dann jedoch sichergestellt werden, dass besondere wirtschaftliche Gründe und nichtsteuerliche Motivationen bestehen und sorgfältig dokumentiert werden. Können solche wirtschaftlichen, nichtsteuerlichen Gründe nicht angeführt werden, und liegt die private Versorgung der Bedachten derart unverhüllt auf der Hand, wird die Finanzverwaltung ermutigt durch das Urteil des FG Düsseldorf vom 6. September 2006 voraussichtlich vermehrt § 42 Abs. 1 AO zur Anwendung bringen.
Verfasser: Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v. DANWITZ PRIVAT – Bonn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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