13.11.2006

 

Werden privat gehaltene Wirtschaftsgüter, insbesondere Wertpapiere innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als einem Jahr nach der Anschaffung veräußert, so zählen die hieraus erzielten Einkünfte gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu den steuerpflichtigen sonstigen Einkünften. Gewinne, die außerhalb dieses Einjahreszeitraums erzielt werden, bleiben steuerfrei; spiegelbildlich dazu bleiben Veräußerungsverluste außerhalb des Einjahreszeitraums steuerlich unbeachtlich.

Drohen dennoch Veräußerungsverluste, die sich erst nach dem Ablauf des Einjahreszeitraums realisieren würden, und wären sie deshalb unbeachtlich, so liegt die Idee nahe, den Verlust durch einen Verkauf mit sofortigen Rückkauf der Wertpapiere zu realisieren, um ihn wenigstens mit anderen positiven Einkünften verrechnen zu können. Diesem Modell hat jetzt das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht mit Urteil vom 14. September 2006 (Aktenzeichen 5 K 286/03) ein Ende gesetzt. Zur Begründung stützt sich das Finanzgericht sowohl auf § 23 EStG selbst als auch auf einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.

Der Fall:

Zu Beginn des Jahres erwarb die Klägerin Aktien im Anschaffungswert von mehr als 96.000,00 DM. Gegen Ende des Jahres belief sich der Kurswert auf nur noch rund 59.500,00 DM. Um den zwischenzeitlich eingetretenen Verlust auch steuerlich nutzbar zu machen, veräußerte sie die Wertpapiere und kaufte dieselbe Menge am Folgetag zurück. Die in der Einkommensteuererklärung geltend gemachten Verluste („Spekulationsverlust“) wies das Finanzamt zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Die Entscheidung:

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht verglich die Situation vom Vortag und vom Folgetag. Danach war die Klägerin jeweils im Besitz derselben Menge Aktien. Nur hatte sie aus einem Buchverlust einen scheinbar echten Verlust gemacht. Dies, so das Finanzgericht, sei kein Verlust im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 EStG. Denn Sinn und Zweck des § 23 EStG sei es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen und Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen bestimmter Wirtschaftsgüter im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Die Motivation für die Veräußerung sei dabei ohne Bedeutung; es komme insbesondere nicht auf eine Spekulationsabsicht an.

Anders sei es aber, wenn die Entscheidung über Kauf und Rückkauf von Aktien gleicher Gattung von vornherein durch einen Gesamtplan verbunden ist. Denn in einem solchen Fall mangele es an der durch § 23 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 EStG vorausgesetzten Verlustrealisation. Die Klägerin hatte nämlich auch keine außersteuerlichen nachvollziehbaren Gründe dafür vortragen können, dass Verkauf und Rückkauf der betreffenden Aktien auf jeweils eigenständigen Willensentschlüssen beruhten. Hier lag die formale Verlustreaktion im Fordergrund.

Diesen Umstand wertete das Finanzgericht zugleich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO. Denn für die Geltendmachung von Verlusten nach § 23 EStG komme es in der Weise auf den wirtschaftlichen Vorgang der Veräußerung von Wertpapieren an, dass das Gesetz davon ausgeht, dass eine Veräußerung tatsächlich erfolgen soll und auch wirtschaftlich stattfindet. Sind aber Verkauf und kurzfristiger Rückkauf von Aktien gleicher Gattung durch einen Gesamtplan verbunden, dessen alleiniges Ziel die Erlangung der steuerlichen Verlustanerkennung ist, dann handele es sich um eine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO, weil das für § 23 EStG vorausgesetzte Desinvestment bei wirtschaftlicher Betrachtung bewusst gar nicht stattfindet.

Dementsprechend müsse der Steueranspruch so entstehen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Die angemessene rechtliche Gestaltung wäre hier das Behalten der Aktien gewesen, so dass bei dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein Verlust nicht entstanden wäre und auch nicht zu berücksichtigen sei.

Fazit:

Will ein Steuerpflichtiger einen Spekulationsverlust geltend machen, obgleich er die verkauften Vermögensgegenstände wieder zurück erwirbt, so muss er hierfür beachtliche nichtsteuerliche Gründe ins Feld führen können und diese sinnvoller Weise von vornherein sorgfältig dokumentieren. Aber auch bei einer sorgfältigen Dokumentation wird die Verlustanerkennung voraussichtlich dann scheitern, wenn der zeitlich enge Zusammenhang für einen Gesamtplan spricht. Die Frist von nur einem Tag erscheint in jedem Fall zu kurz. Liegen zwischen Verkauf und Rückkauf hingegen einige Wochen, vielleicht auch eine spürbare Kursveränderung oder eine Unternehmensnachricht, die auf eine baldige Kursentwicklung schließen lässt, so kann dies zumindest als Argumentation ins Feld geführt werden. Anderenfalls verpufft der Verlust steuerlich ungenutzt.

Verfasser: Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v. DANWITZ PRIVAT – Bonn

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