16.11.2006 -

Gegenstand eines Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Ist bei einer betriebsübergreifenden Betriebsänderung der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig, folgt hieraus nicht zwingend auch die Zuständigkeit des GBR zum Abschluss des Sozialplans. Welche Abgrenzungskriterien maßgeblich sind, hat das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Beschluss entschieden (BAG, Beschl. v. 03.05.2006 – 1 ABR 15/05 -).

I. Originäre Zuständigkeit GBR

Der Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unter zwei Voraussetzungen originär zuständig. Zum einen muss die Angelegenheit entweder das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe des Unternehmens betreffen. Zum anderen darf die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt es hingegen an einer der beiden Voraussetzungen, sind allein die örtlichen Betriebsräte zuständig.

II. Überbetriebliche Angelegenheit

Eine überbetriebliche Angelegenheit liegt schon dann vor, wenn mehrere Betriebe betroffen sind. Nicht erforderlich ist, dass es sich um sämtliche Betriebe des Unternehmens handelt. Zudem setzt der Betriff des „Nichtregelnkönnens“ nicht notwendig die objektive Unmöglichkeit einer betrieblichen Regelung voraus. Ausreichend, aber regelmäßig auch zu verlangen ist vielmehr, dass ein sachlich zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht.

Bei Betriebsänderungen obliegt damit die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte dem Gesamtbetriebsrat, sofern es sich um Maßnahmen handelt, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und notwendigerweise nur einheitlich oder jedenfalls betriebsübergreifend geregelt werden können.

III. Unterscheide Interessenausgleich und Sozialplan

Bei einem Interessenausgleich und Sozialplan handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Zwar stellt die von einem Arbeitgeber geplante Betriebsänderung, welche die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG auslöst, regelmäßig einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar. Gleichwohl sind Interessenausgleich und Sozialplan Rechtsinstitute, die sich nach Inhalt und Ausgestaltung wesentlich unterscheiden.

Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Dagegen geht es beim Sozialplan darum, wie die wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen oder abgemildert werden, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Auch in ihrer Ausgestaltung unterscheiden sich die beiden Rechtsinstitute erheblich. So kann der Betriebsrat einen Interessenausgleich anders als den Sozialplan nicht erzwingen. Einem Sozialplan kommt die Wirkung einer Betriebsvereinbarung zu (§ 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), bei einem Interessenausgleich handelt es sich um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art. Es ist deshalb nicht zwingend, dass Interessenausgleich und Sozialplan stets mit dem gleichen Gremium auf Betriebsratsseite verhandelt werden müssen. Die Zuständigkeit ist stets gesondert zu prüfen.

Hinweis für die Praxis:

In der betrieblichen Praxis werden die Rechtsinstitute Interessenausgleich und Sozialplan einheitlich genutzt. Dies ist gefährlich, was der vorliegende Beschluss des BAG belegt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem zuständigen Gremium zu verhandeln. Wählt er den falschen Betriebspartner, ist er seinen Rechten und Pflichten nicht nachgekommen. Bei betriebsübergreifenden Maßnahmen muss deshalb die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zum Abschluss eines Sozialplans genauestens geprüft werden.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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