21.11.2006 -

Die Beisitzer einer Einigungsstelle haben, wenn sie nicht Betriebsangehörige sind, einen Honoraranspruch gegen den Arbeitgeber. Regelmäßig werden die Beisitzer auf Betriebsratsseite durch die den Betriebsrat betreuenden Rechtsanwälte besetzt. Der Honoraranspruch besteht aber nur dann, wenn die Bestellung der Einigungsstellenbeisitzer ordnungsgemäß erfolgte. Ein Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts macht deutlich, dass der Honoraranspruch nicht immer erfolgreich durchgesetzt werden kann (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss v. 01.06.2006 – 9 TaBV 164/05 -).

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

In dem zugrunde liegenden Beschlussverfahren streiten die Beteiligten um die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Vergütung an die Antragstellerin als Einigungsstellenbeisitzerin. Es handelte sich um die den Betriebsrat betreuenden Rechtsanwältin.

In der Betriebsratssitzung, in der über die Einigungsstellenbesetzung beschlossen werden sollte, befand sich die Bestellung ursprünglich nicht auf der Tagesordnung. An der Sitzung nahmen nicht alle Betriebsratsmitglieder teil, sondern zu Beginn der Sitzung, zu der ohne diesen Tagesordnungspunkt geladen worden war, nahmen nur vier von sieben Mitgliedern teil.

Die Beisitzerin ist der Auffassung, der Beschluss sei wirksam gewesen. Der Betriebsrat sei entsprechend § 22 BetrVG handlungsfähig, denn die übrigen Betriebsratsmitglieder seien entschuldigt gewesen. Die Tagesordnung habe deshalb wirksam ergänzt werden können. Im Übrigen sei der Beschluss in einer späteren Sitzung wirksam wiederholt worden.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erstattung der Kosten in Höhe von 2.100,00 € zuzüglich Zinsen zurückgewiesen.

Die Entscheidung des LAG:

Das Landesarbeitsgericht hat in der Beschwerdeinstanz die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Ein Anspruch auf Erstattung der Vergütung für die Betreuung des Einigungsstellenverfahrens besteht nicht.

I. Einladungsmangel

Eine wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses ist die gem. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erfolgte rechtzeitige ordnungsgemäße Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung. Die Einhaltung dieser Verfahrensvorschrift ist Voraussetzung für eine wirksame Beschlussfassung. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Fehlt es an ihr, so entfällt schon deshalb ein Honoraranspruch aus § 76 a Abs. 3 BetrVG. Der Betriebsrat war zwar mit vier seiner sieben Mitglieder grundsätzlich beschlussfähig, § 33 Abs. 2 BetrVG. Die Bestellung der Einigungsstellenbeisitzer stand aber nicht auf der Tagesordnung.

II. Heilung der Tagesordnung?

Ein Einladungsmangel kann ausnahmsweise nachträglich noch in der betreffenden Sitzung geheilt werden. Nach der äußerst strengen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt eine Heilung aber voraus, dass der vollzählig (!) versammelte Betriebsrat einstimmig (!) sein Einverständnis erklärt, den zusätzlichen Beratungspunkt auf die Tagesordnung zu setzen. Jedes einzelne Betriebsratsmitglied soll dadurch in die Lage versetzt werden, seine Meinung und Stimme in die Beratungen und Abstimmungen einzubringen. Es reicht also nicht aus, dass lediglich alle betriebsanwesenden Mitglieder an der Sitzung teilnehmen. Ist auch nur ein Betriebsratsmitglied verhindert, kann eine Heilung nicht mehr erfolgen.

III. Nachträgliche Beschlussfassung?

Der Betriebsrat hatte im vorliegenden Fall später nochmals einen ordnungsgemäßen Beschluss über die Besetzung der Einigungsstelle gefasst. Es stellte sich daher die Frage, ob eine nachträgliche Genehmigung von unwirksamen Betriebsrats¬beschlüssen möglich und zulässig ist.

Das Hessische LAG hat dies im vorliegenden Fall unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BAG abgelehnt (BAG, Beschluss v. 08.03.2000 – 7 ABR 11/1998 -, EzA Nr. 19 zu § 40 BetrVG 1972). Darin ging es um Schulungsteilnahmen im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG. Es gibt allerdings auch eine andere Rechtsprechung des BAG, wonach der Betriebsrat die bereits erfolgte Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten grundsätzlich auch später noch genehmigen kann (BAG, Beschluss v. 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 -, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung; BAG, Beschluss v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 -, EzA Nr. 4 zu § 80 BetrVG 2001). Diese Rechtsprechung hielt aber das LAG im vorliegenden Fall nicht für einschlägig.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung ist konsequent begründet, aber nach unserer Auffassung nicht überzeugend. Die Parteien hatten eine Vielzahl von Einigungsstellenterminen gemeinsam absolviert. Sich in einem solchen Fall später bei der Frage Honorierung darauf zu berufen, der ursprüngliche Betriebsratsbeschluss sei nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen, ist nicht angemessen. In solchen Fällen muss dem Betriebsrat jedenfalls die Möglichkeit gegeben werden, den formalen Mangel später zu heilen. Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen. Es bleibt nun abzuwarten, wie das BAG entscheiden wird. Bis dahin bleibt der Praxis nur anzuraten, die insbesondere strenge Rechtsprechung zur nachträglichen Ergänzung der Tagesordnung genau zu beachten.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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