04.12.2006 -

Kündigungen müssen dem Arbeitnehmer zugehen. Erst mit Zugang kann eine Kündigung ihre rechtlichen Wirkungen entfalten. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte sich nun in einem aktuellen Urteil mit Fragen der Zugangsvereitelung zu befassen (LAG Köln, Urt. v. 10.04.2006 – 14 (4) Sa 61/06 -, NZA-RR 2006, 466; auch abrufbar im Internet unter www.justiz.nrw.de). Wegen der weitreichenden praktischen Bedeutung möchten wir die Kernaussagen des Urteils kurz zusammenfassen.

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der Arbeitnehmer war seit 1. Oktober 2001 als Zahntechniker beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 31. März 2005 das Arbeitsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 30. April 2005. Das Kündigungsschreiben ging dem Arbeitnehmer erst am 1. April 2005 zu. Aufgrund dessen verlangte er die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende erst zum 31. Mai 2005 sein Ende gefunden habe.

Der Arbeitgeber berief sich in dem Klageverfahren auf Zugangsvereitelung. Der Arbeitnehmer sei nicht bis zum Ende seiner regulären Arbeitszeit um 17:15 Uhr am Arbeitsplatz geblieben, so dass um 16:45 Uhr, als der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger das Kündigungsschreiben habe übergeben wollen, dieser nicht mehr im Betrieb gewesen sei. Es sei zu vermuten, dass er im Laufe des Tages des 31. März 2005 das Kündigungsschreiben auf dem Schreibtisch des Geschäftsführers gesehen habe und deshalb früher gegangen sei. Weitere Schritte zur Zustellung des Kündigungsschreibens noch am 31. März 2005 habe der Geschäftsführer nicht mehr unternehmen können, da er aufgrund einer zwingenden Verpflichtung zu seinem bettlägerigen Vater habe fahren müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung des LAG:

Das LAG hat im Berufungsverfahren die Entscheidung des Arbeitsgerichts in vollem Umfange bestätigt.

I. Arbeitnehmer nicht zu Vorkehrungen verpflichtet

Der Sachverhalt war über die genauen Umstände am späten Nachmittag des 31. März 2005 zwar streitig. Dennoch kam es hierauf nach Auffassung des LAG nicht an. Denn auch wenn ein Arbeitnehmer von einer bevorstehenden Kündigung weiß, hat er keine Verpflichtung, aktiv Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ihm die Kündigung auch zugehen kann. Es ist vielmehr Aufgabe desjenigen, der eine Kündigung aussprechen will, für einen ordnungsgemäßen Zugang zu sorgen und entsprechende Vorsorge zu treffen.

II. Risiko trägt Arbeitgeber

Im vorliegenden Fall war ferner zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber ein erhebliches Risiko bereits dadurch eingegangen war, dass er die Kündigungsfrist bis zum letzten Tag und bis in die letzten Stunden des letzten Tages ausreizen wollte. Wer aber die Kündigungsfrist bis zum letzten Tage und bis kurz vor Arbeitsschluss ausschöpfen will, läuft ein erhöhtes Risiko und muss die Folgen tragen, wenn sich dieses Risiko realisiert. Selbst wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz vorzeitig verlassen hätte, wäre die Zustellung der Kündigung im Übrigen nicht unmöglich geworden. Es hätte noch eine Reihe von weiteren Möglichkeiten gegeben, die Zustellung der Kündigung zu bewerkstelligen (z.B. Bote, persönliche Überbringung, Einschaltung eines Dritten etc.). Die Zustellung wurde also nicht durch ein früheres Verlassen des Arbeitsplatzes unmöglich gemacht. Von einer Zugangsvereitelung konnte damit keine Rede sein.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber trägt für den Zugang der Kündigung die volle Darlegungs- und Beweislast. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, Kündigungen stets nachweisbar durch eine vertrauenswürdige Person (Boten) überbringen zu lassen. Dem Boten muss dabei das Kündigungsschreiben im Original vorgelegt worden sein. Von der Übermittlung per Post oder sogar per Einschreiben ist dringend abzuraten. In diesen Fällen könnte sich der Arbeitnehmer darauf berufen, kein Schriftstück erhalten zu haben. Zudem besteht keine Verpflichtung, ein Einschreiben anzunehmen. In Fällen der notwendigen Fristwahrung bleibt deshalb nur die persönliche Übergabe im Beisein eines Zeugen oder aber eben die beschriebene Übermittlung per Boten.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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