02.01.2007 -

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Rostock) hatte in einem praxisnahen Fall die Frage zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung bei einer schweren Beleidigung des Arbeitgebers ausnahmsweise dann ausgeschlossen ist, wenn die Äußerung in einem privaten Gespräch gegenüber einem Freund des Arbeitnehmers erfolgte. 1)

Der Fall:

Der Arbeitnehmer war als Barleiter in einem Hotel seit dem 1. April 2005 beschäftigt. Am 17. August 2005 kam es zwischen ihm und einem Freund in dem dem Hotel benachbarten Internetcafe zu einem Gespräch über den Geschäftsführer des Hotels. In diesem Gespräch äußerte der Barleiter, er habe „für das größte Arschloch der Welt gearbeitet“. Das Gespräch hörte auch ein weiterer Zeuge zufällig mit. Hierbei handelte es sich um den Küchenchef des Hotels. Dieser trug die Äußerung unmittelbar dem Geschäftsführer zu.

Gestützt auf diese Beleidigung wurde das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt.

Die Entscheidung:

I. Beleidigung als wichtiger Grund

Eine schwere Beleidigung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer ist stets in sich geeignet (erste Prüfungsstufe) als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Als derart schwere Beleidigung kann die Bezeichnung des Arbeitgebers als „Arschloch“, noch dazu in der erweiterten Form „größtes Arschloch der Welt“ durchaus in Betracht kommen.

II. Umstände des Gesprächs maßgeblich

Die fristlose Kündigung ist aber nicht stets wirksam. Vielmehr müssen die besonderen Umstände des jeweiligen Falles konkret Berücksichtigung finden. Es entspricht insoweit ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass diffamierende und ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen unter bestimmten Umständen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen können 2). Der Arbeitnehmer darf in solchen Fällen nämlich regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört bzw. das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht zerstört.

Ein Arbeitnehmer ist nicht gehalten, von seinem Arbeitgeber und seinen Kollegen nur positiv zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich positiv über sie zu äußern. Dies gilt, solange der Betroffene diese Vertraulichkeit nicht selbst aufhebt. Hebt der Gesprächspartner gegen den Willen des sich negativ über seinen Arbeitgeber äußernden Arbeitnehmers die Vertraulichkeit auf, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers.

Aber: Der Arbeitnehmer darf allerdings nicht ohne weiteres jedes private Gespräch als in diesem Sinne vertraulich ansehen. Insbesondere bei einem Gespräch im Kreise von Kollegen kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen durfte, dass seine Kollegen die Äußerungen für sich behalten würden.

Fazit:

Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein solches vertrauliches Gespräch. Der weitere Zeuge hatte dieses Gespräch nur zufällig mitgehört. Die Äußerungen waren an diese Person nicht gerichtet und in der Beweisaufnahme konnte noch nicht einmal aufgeklärt werden, ob dem Arbeitnehmer überhaupt bewusst war, dass seine Äußerungen von diesem weiteren Zeugen mitgehört wurden.

Die Entscheidung macht deutlich, dass selbst grobe Beleidigungen gegen den Arbeitgeber dann nicht sanktioniert werden können, wenn der Arbeitnehmer Äußerungen in vertraulicher Atmosphäre tätigt.

Quellen:

1) Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Rostock), Urt. v. 20.07.2006 – 1 Sa 69/06 -, zitiert nach juris.

Leitsatz:

Eine beleidigende Äußerung des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber (hier: „größtes Arschloch der Welt“) kann an sich geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu begründen. Die Kündigung kann allerdings ausgeschlossen sein, wenn die Äußerung in einem privaten Gespräch gegenüber einem Freund des Arbeitnehmers erfolgt ist, auf dessen Vertraulichkeit der Arbeitnehmer rechnen durfte und das nur zulässig von einem Arbeitskollegen mit angehört und dem Arbeitgeber zugetragen worden ist.

2) Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01 -, DB 2003, 1797; BAG, Urt. v. 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 -, NZA 2006, 917.

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