Droht eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung, ist nach Ansicht des Bundessozialgerichts bei einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Sperrzeit zu verhängen. Der Senat erwägt, für Streitfälle ab dem 1. 1. 2004 auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung zu verzichten, wenn die Abfindung in Anlehnung an § 1a KSchG nicht mehr als ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr beträgt.
I. Der Fall
Der Arbeitnehmer war seit rund zehn Jahren bei einer GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 Euro und sofortiger Freistellung beendet. Ohne den Aufhebungsvertrag wäre eine betriebsbedingte Kündigung zum gleichen Zeitpunkt unumgänglich gewesen. Der Arbeitnehmer meldete sich unverzüglich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die beklagte Arbeitsagentur bewilligte ihm zwar Arbeitslosengeld, verhängte jedoch eine Sperrzeit. Den eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid zurück. Die dagegen gerichtete Klage war vor dem SG und LSG erfolgreich. Die Revision der Arbeitsagentur blieb ebenfalls erfolglos.
II. Die Entscheidung
Die Klage war begründet. Der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 32 Monaten. Der Anspruch – so das Bundessozialgericht – ruhe auch nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer sonst erfolgten betriebsbedingten Kündigung sei ein wichtiger Grund. Eine betriebsbedingte Kündigung müsse aber objektiv rechtmäßig gewesen sein. Dem Arbeitnehmer sei ein Abwarten der drohenden rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung nicht zuzumuten gewesen. Angesichts der ohnehin nicht zu vermeidenden Beschäftigungslosigkeit stünde dem Interesse, sich durch Abschluss des Aufhebungsvertrages zumindest die ihm zugesagte Abfindung zu sichern, kein gleichwertiges Interesse der Versichertengemeinschaft an einem Abwarten der Arbeitgeberkündigung gegenüber. Dazu genüge die Feststellung, dass ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrages eine Abfindung nicht zahlbar gewesen wäre. In diesem Zusammenhang sei die Höhe der Abfindung unerheblich.
Für die Zukunft gebiete § 1a KSchG eine andere Bewertung für die Auslegung des Merkmals „wichtiger Grund“. Mit dieser neuartigen kündigungsschutzrechtlichen Regelung wollte der Gesetzgeber den Arbeitsvertragsparteien im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine einfache, effiziente und kostengünstige vorgerichtliche Klärung der Voraussetzungen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anbieten. Diese unmittelbar nur auf das Arbeitsrecht bezogene „Öffnung“ für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen könnte Veranlassung dafür geben, künftig einen wichtigen Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne die ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung anzuerkennen. Letzteres erwägt das BSG für Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe mit einem Lösungssachverhalt ab dem 1. 1. 2004, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a Abs. 2 KSchG vorgesehene nicht überschreitet, also ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (ausführlich zu § 1a KSchG: Giesen/Besgen, NJW 2004, 185).
III. Praxishinweis
Mit der vorliegenden Entscheidung führt das BSG seine Rechtsprechung fort. Danach löst die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Sperrzeit aus, wenn eine wirksame betriebsbedingte Kündigung gedroht hätte. Bedeutsamer ist jedoch die Ankündigung, dass bei Regelsatzabfindungen gemäß § 1a Abs. 2 KSchG künftig die Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung entfällt. Übersteigt die Abfindung nicht den Regelsatz des § 1a KSchG, ist eine Sperrzeit nicht mehr zu befürchten. Eine Sperrzeit droht daher künftig nur, wenn im Aufhebungsvertrag eine höhere Abfindung (über Regelsatz) vereinbart wurde und die betriebsbedingte Kündigung objektiv rechtswidrig gewesen wäre.
Rechtsanwalt Dr. Sören Langner, LL.M., Bonn
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