13.02.2007

Die Wirksamkeit von Eheverträgen, durch die nachehelicher Unterhalt ausgeschlossen werden soll, ist seit der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 11. Februar 2004 ein Dauerbrenner des Familienrechts. Der BGH unterscheidet seitdem zwischen einer Wirksamkeits- und einer Ausübungskontrolle. Eheverträge können unter bestimmten Umständen schon beim Vertragsabschluss unwirksam sein (Wirksamkeitskontrolle) oder jedenfalls im Zeitpunkt der Scheidung aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände einer abweichenden Beurteilung unterliegen (Ausübungskontrolle). In dieses Spannungsfeld von Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle hat der BGH nunmehr mit zwei aktuellen Entscheidungen neue Pflöcke für die Wirksamkeit von Eheverträgen speziell mit Ausländern geschlagen.

In der Entscheidung vom 22. November 2006 (II ZR 119/04) musste sich der BGH mit der Wirksamkeit eines Ehevertrages beschäftigen, der zwischen einem deutschen und einer russischen Staatsangehörigen unmittelbar vor Eheschließung vereinbart war. Nach ca. einem Jahr Brief- und Telefonkontakt war die Ehefrau mit ihrem damaligen achtjährigen Sohn aus Russland mit einem Besuchervisum nach Deutschland eingereist. Die Ehefrau war Klavierlehrerin, sie litt zu diesem Zeitpunkt schon an einer Krankheit. Genauere Umstände waren beiden Ehegatten noch unbekannt. Kurze Zeit nach Eheschließung wurde bei der Ehefrau Multiple Sklerose diagnostiziert. Wie damals üblich wurde in dem Ehevertrag nachehelicher Unterhalt völlig ausgeschlossen. Nach dem Scheitern der Ehe begehrte die Ehefrau nachehelichen Krankheitsunterhalt von dem Ehemann. Wie nicht anders zu erwarten hat der BGH den Unterhaltsverzicht für unwirksam erklärt. Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung hat der BGH auch in diesem Fall eine Zwangslage der Ehefrau erkannt, die diese veranlasst habe, in den Abschluss des für sie nachteiligen Ehevertrages einzuwilligen. Die besonderen Umstände sah der BGH in Folgendem:

Die Ehefrau hat für den Ehemann erkennbar ihren Lebensmittelpunkt von Russland nach Deutschland verlagert. Ebenfalls war beiden Seiten klar, dass die Ehefrau wegen der fehlenden deutschen Sprachkenntnisse in Deutschland keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte. Letztlich – und dies dürfte der entscheidende Grund gewesen sein – war die Erkrankung der Ehefrau bekannt; es fehlte lediglich die genaue Diagnose. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund war die ehevertragliche Regelung so einseitig zu Lasten der Ehefrau gestaltet, dass der gesamte Ehevertrag nichtig ist. Folge ist gesetzliches Unterhaltsrecht mit dem nachehelichen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit.

In der Entscheidung vom 25. Oktober 2006 (XII ZR 144/04) hat der BGH über einen weiteren Ehevertrag mit nachehelichem Unterhaltsverzicht entschieden. In diesem Fall war die Ehefrau deutsche Staatsangehörige und der Ehemann polnischer Staatsangehöriger. Die Ehefrau war zum Zeitpunkt des Ehevertrages schon erwerbsunfähig erkrankt und bezog Sozialhilfe. Der 15 Jahre jüngere Ehemann war vollerwerbsfähig. Nach Scheitern der Ehe begehrte die Ehefrau zunächst im Wege der Klage Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehemanns. Der Ehemann wies dies Begehren unter Hinweis auf den Unterhaltsverzicht zurück. Der BGH gab ihm Recht. Der Unterhaltsverzicht sei im beiderseitigem Interesse gewesen. Die Ehefrau hatte nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts in Zukunft eine Rente zu erwarten, der Ehemann war Eigentümer eines Grundstücks in Polen und hatte das Interesse, seine zukünftige Erwerbstätigkeit in Deutschland vor nachehelichen Unterhaltsansprüchen zu schützen. Unwirksamkeit wegen evident einseitiger Lastenverteilung nachehelicher Pflichten konnte der BGH daher nicht erkennen.

Das Interessante an dieser Entscheidung war jedoch, dass der BGH ein bekanntes Argument für Sittenwidrigkeit nicht anerkannt hat: Ein Vertrag zu Lasten Dritter, sprich des Sozialhilfeträgers. Folge des fehlenden Unterhaltsanspruchs der Ehefrau war nämlich, dass sie weiterhin Sozialhilfe bis zum Rentenbeginn beziehen würde. Regelmäßig wird in diesen Fällen argumentiert, dass es sich hier um einen Vertrag zu Lasten Dritter – des Sozialhilfeträgers – handele. Der BGH wies dieses Argument mit dem nachvollziehbaren Hinweis zurück, dass die Ehefrau vor Vertragsabschluss bzw. Eheschließung schon Sozialhilfe bezogen habe, sich die Situation für den Sozialhilfeträger damit nicht verschlechtert habe. Umgekehrt sei es nicht Pflicht der Ehegatten, eine Begünstigung des Sozialhilfeträgers dadurch zu erreichen, dass Unterhalt anstelle von Sozialhilfe gewährt werde.

Trotz dieser erfreulich klaren Worte des BGH ist bei Abschluss von Eheverträgen weiterhin Vorsicht geboten, wenn ein Ehegatte aufgrund des Ehevertrages nachehelich sozialhilfebedürftig wird. Der BGH hat deutlich darauf hingewiesen, dass Eheverträge selbstverständlich unwirksam seien, wenn sie erkennbar zu Lasten des Sozialhilfeträgers abgeschlossen werden. Hierbei hatte der BGH den Klassiker unter den Eheverträgen vor Augen: Nachehelicher Unterhalt zu Gunsten der die Kinder betreuenden und erziehenden Ehefrau wird ausgeschlossen, gleichzeitig – als Kompensationsgeschäft – wird der Ehefrau ein Recht eingeräumt, das seinerseits nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird, typischerweise ein Wohnrecht. Offenkundige Unwirksamkeit wegen einseitiger Lastenverteilung der nachehelichen Pflichten wird in diesen Fällen nicht ohne Weiteres anzunehmen sein, da der verzichtende Ehegatte – die Ehefrau – ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht in einem Haus bzw. einer Eigentumswohnung erhält. Andererseits ist der Ehemann vor nachehelichen Unterhaltspflichten seiner Frau – scheinbar – geschützt. Leidtragender dieser Gestaltung ist der Sozialhilfeträger, der für die Bedürftigkeit der Ehefrau aufzukommen hat. Diese Gestaltungen sind weiterhin unwirksam.

Verfasser: Andreas Menkel, Rechtsanwalt in Bonn

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