28.02.2007 -

Während der üblichen sechsmonatigen Probezeit läuft auch die so genannte sechsmonatige Wartezeit nach § 1 KSchG. In dieser Wartefrist genießen Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz. In einem interessanten Urteil hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit der Frage zu befassen, ob eine Kündigung in diesem Zeitraum dann Einschränkungen unterliegt, wenn das Arbeitsverhältnis durch ein Abwerben des Arbeitgebers zu Stande gekommen ist (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.05.2006 – 6 Sa 962/05 -). Das LAG hat diese Frage klar verneint. Das Abwerben an sich begründet noch keinen erhöhten Bestandsschutz für das Arbeitsverhältnis.

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

Mit Arbeitsvertrag von Dezember 2003 wurde der Arbeitnehmer zum 1. Oktober 2004, also 10 Monate später, als Niederlassungsleiter eingestellt. Zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin und dem Arbeitnehmer wurden bereits seit Mai 2003 Gespräche geführt, die schließlich zu der Einstellung geführt haben.

Die Parteien verzichteten in dem Arbeitsvertrag auf die Vereinbarung einer Probezeit. Die Kündigungsfrist betrug sechs Monate zum Monatsende.

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis am 24. März 2005, also im sechsten Monat der Beschäftigung, fristgerecht zum 30. September 2005. Der Arbeitnehmer hat die Auffassung vertreten, der Verzicht auf die Probezeit beinhalte auch einen Verzicht auf die Wartezeit im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Durch den Verzicht auf die Probezeit hätte erkennbar seine Absicherung erreicht werden sollen. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass er von der Arbeitgeberin mit zahlreichen Gesprächen aus seinem früheren Arbeitsverhältnis abgeworben worden sei. Ihm sei es nicht zuzumuten gewesen, den Verzicht auf die Wartezeit auch ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufnehmen zu lassen. Dies hätte ein Misstrauen gegenüber dem Angebot der Arbeitgeberin bedeutet und dieser zudem zu erkennen gegeben, dass er selbst die Gefahr einer kurzfristigen Trennung in den ersten sechs Monaten sehe, was ihn in seiner Wertigkeit als künftiger Mitarbeiter herabgesetzt hätte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen die Kündigung abgewiesen.

Die Entscheidung des LAG:

Das Landesarbeitsgericht hat in der Berufung die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Unterscheide Probezeit und Wartezeit

Das Kündigungsschutzgesetz greift erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten. Von dieser Wartezeit ist die so genannte Probezeit deutlich zu unterscheiden (Siehe dazu ausführlich Besgen, Die Probezeit, B+P 2002, 628 ff.). Die Vereinbarung einer Probezeit führt allein zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist, § 622 BGB. Wird hingegen auf eine Probezeit verzichtet, bedeutet dies nicht den Verzicht auf die Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes. Sollen die Wirkungen der Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes beseitigt werden, bedarf dies einer ausdrücklichen Vereinbarung.

Hinweis für die Praxis:

Der Unterschied zwischen einer vertraglichen Probezeit und der Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes wird in vielen Fällen verkannt. Nicht selten meinen die Parteien, wegen mangelnder Testmöglichkeiten, z.B. bei längerer Krankheit des Arbeitnehmers, die Probezeit einvernehmlich verlängern zu können. Dies ist jedoch unzutreffend. Das Kündigungsschutzgesetz greift nach der sechsmonatigen Wartefrist des § 1 KSchG und zwar unabhängig davon, ob der Mitarbeiter adäquat getestet bzw. sich bewähren konnte. Die Wartezeit kann vertraglich nicht verlängert werden. Spätestens nach Ablauf des sechsten Monats nach der Einstellung muss sich deshalb jeder Arbeitgeber entscheiden, ob er einen Mitarbeiter weiter beschäftigen möchte.

II. Keine Einschränkungen bei vorausgegangener Abwerbung

Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer abgeworben wurde, begründet für sich noch keinen erhöhten Bestandsschutz für das Arbeitsverhältnis. Jeder Arbeitnehmer hat bei Abwerbungsbemühungen eines neuen Arbeitgebers grundsätzlich eine bessere Verhandlungsmöglichkeit und kann so seine Vorstellungen Vertragsinhalt werden lassen. Wenn dabei als Ergebnis, wie im vorliegenden Fall, erreicht wird, dass eine Probezeit entfällt, so hat dies für den Arbeitnehmer bereits einen weitergehenden Bestandsschutz dadurch bewirkt, dass der Arbeitgeber auf verkürzte Kündigungsfristen nicht zurückgreifen kann. Im vorliegenden Fall wurde die übliche zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit sogar auf sechs Monate zum Monatsende verlängert. Im Übrigen gilt: Soweit die Parteien einen ausführlichen Arbeitsvertrag vereinbaren, kommt es grundsätzlich auf die vor Vertragsschluss geführten Gespräche und Aktivitäten nicht mehr an. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass alle Gespräche und Vereinbarungen im endgültigen Vertrag ihren Eingang gefunden haben und weiteren nicht zu berücksichtigen ist.

Fazit:

Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz macht einmal mehr deutlich, dass Arbeitnehmer, die sich abwerben lassen, ein hohes Risiko eingehen, wenn sie für einen neuen Arbeitsplatz einen langjährigen Bestandsschutz ohne Sicherungsklauseln aufgeben. Nicht nur der neue Arbeitgeber übernimmt in solchen Konstellationen eine erhöhte Verantwortung, sondern auch der Arbeitnehmer sollte entsprechende Sicherungsklauseln in den Vertrag aufnehmen, wenn er nicht das Risiko des fehlenden Bestandsschutzes in Kauf nehmen möchte.

Verfasser: Dr. Nicolai Besgen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bonn

 

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