29.03.2007

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Grundsatzentscheidung zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen vom 11. Februar 2004 festgestellt, der Totalverzicht eines Ehegatten auf die gesetzlichen Scheidungsfolgen sei sittenwidrig, wenn für diesen Totalverzicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine sachlichen Gründe vorlagen und der verzichtende Ehegatte sich in einer Zwangslage befand, die der andere Ehegatte ausgenutzt hat. Ein typischer Fall dieser Zwangslage kann eine Schwangerschaft der Frau sein, wobei der zukünftige Ehemann die Heirat von dem Totalverzicht abhängig macht. Totalverzicht bedeutet, dass die Ehegatten nach Scheidung der Ehe auf gegenseitigen Unterhalt, Versorgungsausgleich sowie Zugewinnausgleich verzichten. Der Verzicht nur auf Zugewinnausgleich, d.h. Gütertrennung, ist regelmäßig unschädlich. Demgegenüber ist der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt sowie auf Versorgungsausgleich dann kritisch zu beurteilen, wenn ein Ehegatte zu Gunsten des anderen Ehegatten auf eine berufliche Betätigung verzichtet und gemeinsame Kinder erzogen hat. Nach Scheidung der Ehe wäre dieser Ehegatte, in der Regel die Ehefrau, auf der Basis des Verzichtsvertrages schutzlos.

In der Entscheidung vom 11. Februar 2004 hat der BGH allerdings offen gelassen, ob der Verstoß gegen die guten Sitten den Ehevertrag ganz oder lediglich teilweise unwirksam macht. Mit Urteil vom 25. Mai 2005 – XII ZR 296/01 – hat der BGH angedeutet, dass im Regelfall von einer Gesamtnichtigkeit der vertraglichen Regelung auszugehen sei, wenn nicht der Parteiwille eindeutig ergebe, dass der Vertrag trotz der nichtigen Regelung in anderen Teilen aufrecht erhalten bleiben solle. Mit weiterem Beschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03 – hat der BGH seine Rechtsprechung fortgeführt und festgestellt, dass ein Ehevertrag dann vollständig nichtig sei, wenn die Gesamtwürdigung eine ausnahmslos für eine Partei nachteilige Regelung ergebe. Wenn einzelne Regelungen aufgrund berechtigter Belange der anderen Partei gerechtfertigt seien, könnten diese allerdings ggf. wirksam sein und bleiben.

Der BGH nimmt eine Doppelprüfung vor: Ergibt die Gesamtwürdigung eines Ehevertrages, dass dieser eine Partei ausnahmslos benachteiligt – was im Regelfall bei einem Totalverzicht der Fall ist – ist der Ehevertrag nichtig. Die Nichtigkeitsfolge erfasst damit auch Bestandteile des Ehevertrages, die für sich genommen wirksam sind, insbesondere die Gütertrennung. Diese umfassende Nichtigkeitsfolge ist im Ausnahmefall dann nicht gegeben, wenn es für die jeweiligen Einzelregelungen eine für sich nachvollziehbare Berechtigung gibt. Eine solche nachvollziehbare Berechtigung liegt regelmäßig vor, wenn bestimmte Vermögensteile einschließlich ihres Wertzuwachses aus dem Zugewinnausgleich ausgeklammert werden sollen, insbesondere Betriebsvermögen oder über Generationen angesammeltes Familienvermögen.

Auf der Grundlage dieser neuen Rechtsprechungsentwicklung wird nunmehr im Schrifttum diskutiert, ob die Gesamtnichtigkeit auch gelten soll, wenn abweichend von der ursprünglichen Erwartung die Gesamtnichtigkeit demjenigen zugute kommt, der sie zum Zeitpunkt des Vertragschlusses gegenüber dem anderen Ehegatten durchgesetzt hat. Zudem ist es fraglich, ob die Gesamtnichtigkeit lediglich die familienrechtlichen Scheidungsfolgen umfasst oder auch erbrechtliche Regelungen mit ergreift.

1. Ein Beispielsfall für die Umkehrung der vertraglichen Regelung wäre es, dass die Ehefrau nach Abschluss eines vom Ehemann gewollten Ehevertrages mit Totalverzicht einer Erwerbstätigkeit nachgeht, Rentenanwartschaften begründet und Vermögen anhäuft, während der Ehemann nach Vertragschluss, aber während der Ehezeit, insolvent wird, das Vermögen im Rahmen der Insolvenz verliert und keine Rentenanwartschaften ansammeln konnte. Die ehevertragliche Regelung des Totalverzichts kommt im Scheidungsfall der Ehefrau zugute. Die Ehefrau hätte nach dem Vertrag weder Unterhalt zu zahlen noch die Rentenanwartschaften zu teilen noch Zugewinnausgleich zu leisten.

Nach maßgeblichen Stimmen im Schrifttum soll ein solcher – offensichtlich nichtiger – Ehevertrag wirksam bleiben, damit derjenige Ehegatte, der den Ehevertrag im eigenen Interesse durchgesetzt hat – im Beispielsfall der Ehemann – nicht von der von ihm gesetzten Sittenwidrigkeit profitieren kann. Hierbei wird argumentiert, dass es sich bei dem Ehevertrag um zwei unterschiedliche Verzichtsverträge handele, zum einen um einen Verzichtsvertrag zu Gunsten des Ehemanns, zum anderen um einen Verzichtsvertrag zu Gunsten der Ehefrau. Der Verzichtsvertrag zu Gunsten des Ehemannes sei unwirksam, der Verzichtsvertrag zu Gunsten der Ehefrau dagegen wirksam. Ob sich diese Lösung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

2. Eine weitere praxisrelevante Frage ist es, ob auch erbrechtliche Regelungen in einem sittenwidrigen Ehevertrag nichtig sind. Häufig wird nämlich in einem Ehevertrag auch auf das Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet.

Hier dürfte wie folgt zu entscheiden sein: Der Totalverzicht in dem ehevertraglichen Teil des Ehe- und Erbvertrages ist wegen Sittenwidrigkeit in Gänze unwirksam. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hat damit auch nach Scheidung einen Anspruch auf Unterhalt gegen den anderen Ehegatten. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht ist von der ehevertraglichen Nichtigkeit an sich unberührt (es sei denn, dieser Verzicht wäre nur im Hinblick auf den Ehevertrag erklärt worden). Bei einem (unerwartet) frühen Versterben des Unterhaltsverpflichteten bestünde dann aber die Gefahr, dass der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten gegen die Erben gem. § 1586 b BGB aufgrund des Erb- und Pflichtteilsverzichts ins Leere läuft; nach dieser Bestimmung hat der geschiedene unterhaltsberechtigte Ehegatte einen Unterhaltsanspruch gegen die Erben des Unterhaltsverpflichteten, und zwar der Höhe nach beschränkt auf den fiktiven Pflichtteil des Unterhaltsberechtigten. Aufgrund des Erb- bzw. Pflichtteilsverzichts ist nach herrschender Auffassung im Schrifttum dieser Anspruch des geschiedenen Ehegatten gem. § 1586 b BGB ausgeschlossen, da ein Pflichtteilsrecht auch fiktiv nicht besteht. Würde man also die erbrechtliche Regelung im ansonsten unwirksamen Vertrag bestehen lassen, würden die Erben des unterhaltsverpflichteten Ehegatten von den sittenwidrigen ehevertraglichen Regelungen des Vertrages profitieren. Deshalb muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Unwirksamkeit eines Ehevertrages dazu führt, dass auch ein damit verbundener Erb- und Pflichtteilsverzicht unwirksam ist.

Demgegenüber dürften erbrechtliche Regelungen Bestand haben, die nicht zu einem Verzicht von Erb- bzw. Pflichtteilsrechten führen, sondern lediglich die gesetzliche Erbfolge abwandeln. Selbst wenn nach Scheidung der Ehe der unterhaltsverpflichtete Ehegatte von den erbrechtlichen Regelungen zurücktritt, verbleibt dem geschiedenen Ehegatten der Unterhaltsanspruch gem. § 1586 b BGB gegenüber den Erben.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Andreas Menkel, Bonn

 

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