22.05.2007

Die Bundesregierung hat am 9. Mai 2007 eine grundlegende Reform des familienrechtlichen Verfahrens beschlossen. Die Regelungen in der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie im Gesetz der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) sollen in einem einheitlichen Verfahrensgesetz zusammengefasst werden. Die wesentlichen Änderungen sind:

  • Vorrang und Beschleunigung in Kindschaftssachen;
  • Beseitigung von Vollstreckungsnachteilen;
  • Umgangspfleger;
  • Einführung des „Großen Familiengerichts“;
  • Ende der „Scheidung light“.

Die Verfahrensdauer in umgangsrechtlichen Angelegenheiten betrug in 2005 im Schmitt 6,8 Monate. Obwohl regelmäßig im einstweiligen Rechtsschutz früher als in normalen Verfahren verhandelt wird, besteht die Gefahr der Entfremdung von Kind und dem nicht betreuenden Elternteil, im Regelfall dem Vater. Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot gem. § 55 FGG-RG soll dieser Gefahr in Zukunft vorbeugen. Demnach soll in Angelegenheiten, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, das Gericht spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens einen Termin anberaumen. Vor diesem Termin soll noch das Jugendamt eingeschaltet werden, so dass in dem Termin alle Beteiligten – Gericht, Eltern, Jugendamt – gehört werden können. Die häufig destruktive Konfrontationshaltung, die sich bei einem mehrmonatigen Umgangsverfahren ergeben kann, soll dadurch verhindert werden.

Ein Missstand ist die Vollstreckung von Umgangssachen. Die gegenwärtigen Vollstreckungsmöglichkeiten sind so schwach, dass der betreuende Elternteil das Umgangsrecht des anderen Elternteils unterlaufen kann. Als Zwangsmittel sieht das Gesetz Zwangsgeld sowie Zwangshaft vor. Beide Vollstreckungsmittel taugen in einigen Fällen nicht.

Beispiel:

Die Eltern vereinbaren eine Umgangsregelung über Ostern. Der betreuende Elternteil hintergeht die Vereinbarung und verhindert den Umgang des Kindes mit dem umgangsberechtigten anderen Elternteil. Die vom Gesetz vorgesehenen Vollstreckungsmittel – Zwangsgeld/Zwangshaft – gehen ins Leere. Nach der Systematik des Vollstreckungsrechts dient das Zwangsgeld/die Zwangshaft zur Erzwingung einer Handlung, dagegen nicht zur Bestrafung der Verweigerung dieser Handlung. Beantragt daher der umgangsberechtigte Elternteil nach Ostern Zwangsgeld bzw. Zwangshaft gegen den betreuenden Elternteil, ist der Antrag abzuweisen. Da sich das Umgangsrecht auf die Osterfeiertage bezog, kann die Handlung des betreuenden Elternteils nicht mehr mit Zwangsmitteln geahndet werden.

Ein weiterer Missstand ist, dass die Zwangsmittel Zwangsgeld/Zwangshaft häufig dann ins Leere gehen, wenn der betreuende Elternteil nicht leistungsfähig ist. Zwangsgeld wird in diesen Fällen häufig nicht festgesetzt oder bei Festsetzung in so geringen Höhen, dass der betreuende Elternteil die Zahlung des Zwangsgeldes in Kauf nimmt, um dem umgangsberechtigten Elternteil zu schädigen. Zwangshaft steht der Sache nach nur auf dem Papier. In der Praxis kommt die Zwangshaft schon wegen der Kinder des betreuenden Elternteils nicht in Betracht.

Diese Missstände sollen durch das FGG-RG (teilweise) beseitigt werden. Anstelle der Vollstreckungsmittel Zwangsgeld bzw. Zwangshaft treten die Vollstreckungsmittel Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. Entscheidender Unterschied ist, dass Ordnungsgeld auch eine Bestrafungsfunktion vorsieht. In dem Beispiel des vereitelten Umgangsrechts über Ostern kann daher der umgangsberechtigte Elternteil Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den betreuenden Elternteil beantragen. Das Ordnungsgeld kann auch noch nach Ostern festgesetzt und beigetrieben werden. Gerade in den Fällen, in denen der betreuende Elternteil genügend leistungsfähig ist, bietet das Ordnungsgeld eine geeignete Handhabung, die Umgangsvereinbarungen durchzusetzen. Wenig Erfolg wird das Ordnungsgeld bzw. die Ordnungshaft allerdings auch in den Fällen haben, in denen der betreuende Elternteil nicht leistungsfähig ist. Ebenso wie beim Zwangsgeld wird Ordnungsgeld entweder in geringer Höhe oder überhaupt nicht festgesetzt. In diesen Fällen gibt es – wie gegenwärtig auch – nur die Möglichkeit der Reduzierung des Unterhalts für den betreuenden Elternteil gem. § 1579 Nr. 7 BGB.

Mit der Einführung des Umgangspflegers wird die Möglichkeit geschaffen bei besonders zerstrittenen Elternteilen den Umgang durch eine dritte Person sicherzustellen. Der Umgangspfleger wird das bzw. die Kinder bei dem betreuenden Elternteil abholen und dem umgangsberechtigten Elternteil übergeben. Gleiches gilt für die Rückgabe der Kinder: Diese erfolgt auch durch den Umgangspfleger und nicht durch den umgangsberechtigten Elternteil. Das Aufeinandertreffen der Elternteile anlässlich der Kindesübergabe bzw. Kindesrückgabe wird dadurch vermieden.

Mit der Einführung des Großen Familiengerichts sollen die Schwierigkeiten bei der sachlichen Zuständigkeit beseitigt werden. Gegenwärtig besteht eine getrennte Zuständigkeit zwischen den Familiengerichten einerseits und den allgemeinen Zivilgerichten andererseits. Bestimmte Verfahren, die ihren Ursprung in der ehelichen Lebensgemeinschaft haben, werden vor den allgemeinen Zivilgerichten ausgetragen, z.B. Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Rückzahlung gemeinsamer Kredite. Diese Verfahren haben regelmäßig Auswirkungen auf spezielle familienrechtliche Angelegenheiten wie Unterhalt und Zugewinnausgleich. Diese Besonderheiten werden von den allgemeinen Zivilgerichten häufig nicht berücksichtigt. Mit Einführung des Großen Familiengerichts erfolgt eine Konzentration der Zuständigkeit sämtlicher Verfahren, die Bezug zur Ehe haben, bei dem Familiengericht.

Die vom Gesetzgeber zunächst geplante „Scheidung-Light“ wird es jedenfalls nach dem Kabinettsentwurf nicht geben. Es war zunächst vorgesehen, dass Ehegatten ohne gemeinsame Kinder im gerichtlichen Scheidungsverfahren keinen Anwalt brauchen, wenn sie sich über den Ehegattenunterhalt (notariell beglaubigt) sowie über Hausrat und Ehewohnung (formfrei) geeinigt hatten. Es bleibt aber abzuwarten, ob im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf Initiative der Bundsländer nicht doch eine „Scheidung-Light“ eingeführt wird. Die Vorbehalte werden jedenfalls bleiben. Es ist kaum ratsam, ohne eigene anwaltliche Beratung Verhandlungen über Ehegattenunterhalt zu führen. Die Hoffnung, dass die Gegenseite – möglicherweise anwaltlich beraten – einen fairen Kompromiss verschlägt, könnte sich als trügerisch erweisen.

Quelle: Bundesministerium der Justiz; www.bmj.bund.de

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. Andreas Menkel in Bonn

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