10.12.2000

Werden ec-Karten gestohlen und kommt es danach zu unbefugten Abbuchungen vom Konto des Bestohlenen, kann der geschädigte Kontoinhaber die Rückbuchung von seiner Bank verlangen, wenn ihn kein Sorgfaltsverstoß trifft und die Vorgaben der AGB für den ec-Kartengebrauch eingehalten wurden. Da der Unberechtigte zur Abhebung auch die persönliche Geheimnummer (PIN) benötigt und irgendwie erhalten haben muss, liegt in aller Regel der Verdacht hahe, der Bestohlene habe die PIN zusammen mit der Karte aufbewahrt. Das wäre nicht nur nach den AGB für ec-Karten grob fahrlässig, sondern auch nach den Wertungsmaßstäben deutscher Gerichte. Die Banken müssten dann im Ergebnis nicht zahlen.

Was aber gilt, wenn Karte und PIN zwar nicht zusammen in einem Behältnis, aber zusammen in einer Wohnung in verschiedenen Zimmern aufbewahrt werden und beide bei einem Einbruch entwendet werden? Nachdem die Instanzgerichte hier einen Anwendungsfall grober Fahrlässigkeit der Geschädigten sahen, hatte sich letztlich der BGH – Urt. v. 17. 10. 2000 — XI ZR 42/00 – mit der Frage zu befassen.

Dem Fall lag folgender – verkürzt wiedergegebener – Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Sparkasse die Erstattung unberechtigter Barabhebungen an Geldausgabeautomaten, die ihrem Girokonto belastet worden sind.  Die AGB der Beklagten für die Verwendung der ec-Karte enthielten u. a. folgende Regelungen:

„Für Schäden, die vor der Verlustanzeige entstanden sind, haftet der Kontoinhaber, wenn sie auf einer schuldhaften Verletzung seiner Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten beruhen. . . .

Die Sparkasse übernimmt auch die vom Kontoinhaber zu tragenden Schäden, die vor der Verlustanzeige entstanden sind, sofern der Karteninhaber keine Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten . . . grob fahrlässig verletzt hat.

Grobe Fahrlässigkeit des Karteninhabers liegt insbesondere vor, wenn

— die persönliche Geheimzahl auf der ec-Karte vermerkt oder zusammen mit der ec-Karte verwahrt war (z. B. der Originalbrief, in dem die PIN dem Karteninhaber mitgeteilt wurde),  . . .

Während einer vierzehntägigen Auslandsreise verwahrte die Klägerin die ec-Karten in ihrer Wohnung auf ihrem Schreibtisch in einem unverschlossenen Behältnis zwischen Briefen und Notizen. Die Originalmitteilung der Geheimnummer für das Privatkonto befand sich in einer Plastikhülle zusammen mit zahlreichen anderen Papieren, insbesondere Visitenkarten, in einer unverschlossenen Schublade eines Sekretärs in einem anderen Raum ihrer Fünf-Zimmer-Wohnung. Die Geheimnummer für das Geschäftskonto war, in einer Telefonnummer verschlüsselt, in einem Adressbuch verzeichnet. Nach Rückkehr aus dem Urlaub waren die ec-Karten unauffindbar. Die Geheimnummern befanden sich noch am jeweiligen Ort. Während der Abwesenheit der Klägerin waren vom Geschäftskonto 28 000 DM und vom Privatkonto 14 500 DM an Geldausgabeautomaten abgehoben worden.

Die Klägerin hat eine Freundin, die sie um Versorgung ihrer Katzen während der ersten Tage ihrer Abwesenheit gebeten hatte, verdächtigt, einem Bekannten Gelegenheit zum Diebstahl der ec-Karten gewährt zu haben. Nachweisen ließ sich der Verdacht nicht.

Das Kammergericht Berlin (= OLG) hatte Ansprüche der Klägerin verneint und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe bei der Aufbewahrung der ec-Karten und der Geheimnummer ihre in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten festgelegte Sorgfaltspflicht grob fahrlässig verletzt, weil sie die Originalmitteilung der Geheimnummer zusammen mit der ec-Karte verwahrt habe. Der räumliche Zusammenhang werde durch die Einheit der Wohnung und die Art der offenen Verwahrung begründet.

Diese Beurteilung weist der BGH zurück. Statt dessen führt er zugunsten der Klägerin aus, sie habe gegen die beklagte Sparkasse gem. §§667, 675 Abs. 1 BGB oder gem. §700 Abs. 1, §607 BGB Anspruch auf Zahlung der unberechtigte abgebuchten Beträge, denn ein Kunde, auf dessen Girokonto ohne seinen Auftrag oder sonstigen Rechtsgrund Belastungsbuchungen vorgenommen werden, könne die Rückbuchung und Auszahlung des sich nach der Berichtigung ergebenden Guthabens verlangen.

Der Sparkasse stehe gegen die Klägerin auch kein Gegenanspruch wegen positiver Vertragsverletzung in Höhe des streitigen Betrages zu. Denn die Klägerin habe ihre vertraglichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Verwahrung der ec-Karte und der Geheimnummer für ihr Privatkonto nicht grob fahrlässig verletzt und hafte nicht für die unberechtigten Abhebungen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Nach diesen Maßstäben konnte der Klägerin keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden.

Die Klägerin hat nach Auffassung des BGH ec-Karte und PIN nicht „zusammen verwahrt“. Die Bewertung einer gemeinsamen Verwahrung von ec-Karte und Geheimnummer als grob fahrlässig trägt dem Umstand Rechnung, dass dadurch der besondere Schutz, den die für Abhebungen neben der ec-Karte zusätzlich benötigte Geheimnummer bietet, aufgehoben wird, weil ein Unbefugter, dem ec-Karte und Geheimnummer gemeinsam in die Hände fallen, ohne weiteres Abhebungen vornehmen kann. Entsprechend diesem Regelungszweck liegt eine gemeinsame Verwahrung nur vor, wenn ein Unbefugter ec-Karte und Geheimnummer in einem Zugriff erlangen kann und nicht nach dem Auffinden der einen Unterlage weiter nach der anderen suchen muss. Hingegen werden ec-Karte und Geheimnummer nicht zusammen verwahrt, wenn sie sich an verschiedenen Stellen der Wohnung des Kontoinhabers befinden und ein Unbefugter, der ec-Karte oder Geheimnummer gefunden hat, die Wohnung weiter nach der anderen Unterlage durchsuchen muss.

 

Wer für den Fall eines Einbruchdiebstahls sicher gehen will, nicht den Erstattungsanspruch gegen seine Bank zu verlieren, kann sich ganz einfach an den Vorgaben des BGH orientieren. Es ist danach nicht mehr erforderlich, PIN und ec-Karte auch in verschiedenen Wohnungen aufzubewahren. Die räumliche Trennung, die einen Dieb erst zu weiterer Nachsuche zwingt, reicht danach aus.

 

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