16.07.2007 -

Bekanntlich ist zum 1. Januar 2004 das Kündigungsschutzgesetz hinsichtlich seines Anwendungsbereichs geändert worden. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nunmehr nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 beschäftigen Arbeitnehmern. Der Gesetzgeber hat allerdings weiter eine zeitlich unbegrenzte Übergangsregelung normiert. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einem praxisrelevanten Urteil grundsätzliche Fragen zur Übergangsregelung entschieden (BAG, Urt. v. 21.09.2006 – 2 AZR 840/05 -, NZA 2007, 438 = BB 2007, 831 = DB 2007, 691). Die wesentlichen Aussagen des Urteils sollen nachfolgend kurz wiedergegeben werden.

I. Ausgangslage

Das Kündigungsschutzgesetz greift nach sechs Monaten (Wartezeit) in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmern, § 23 Abs. 1 KSchG. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden dabei mit dem Faktor 0,5 und mit nicht mehr als 30 Stunden mit dem Faktor 0,75 berücksichtigt. Die Beschäftigung von 20 geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern führt damit zu einer rechnerischen Arbeitnehmerzahl von genau 10 Arbeitnehmern (20 x 0,5). Damit werden aber in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz findet in diesem Fall keine Anwendung.

Hinweis für die Praxis:

Bereits die Berechnung der Kopfzahlen bereitet in der Praxis oftmals Schwierigkeiten. In vielen Fällen werden nur die Vollzeit- und Teilzeitkräfte berücksichtigt. Geringfügig Beschäftigte werden regelmäßig vergessen. Auch Aushilfen, die einmal die Woche für wenige Stunden arbeiten, müssen aber mit dem Mindestfaktor von 0,5 berücksichtigt werden (z.B. Putzhilfen, Aushilfsfahrer, Packer etc.).

II. Übergangsregelung

Bis zum 31. Dezember 2003 lag der Schwellenwert nicht bei 10, sondern bei 5 Arbeitnehmern. Es sollte jedoch bei der Gesetzesänderung vermieden werden, dass mit Inkrafttreten des höheren Schwellenwertes von 10 Arbeitnehmern Kleinbetriebe, die zwar mehr als 5 Arbeitnehmer hatten, aber nun nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, automatisch den Kündigungsschutz verlieren. Aus diesem Grunde wurde in einer komplizierten Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 KSchG geregelt, dass die vor dem 1. Januar 2004 beschäftigten Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz solange behalten, bis diese Altbelegschaft nicht unter die maßgebliche ursprüngliche geltende Schwelle von mehr als 5 gesunken ist.

Hinweis für die Praxis:

Die Übergangsregelung, die zeitlich unbegrenzt gilt, kann in der Praxis zu einer zweigeteilten Belegschaft führen. In der Literatur wird sogar von einer virtuellen Spaltung des Kleinunternehmens gesprochen.

Einmal die Altbelegschaft, die noch den nach den alten Regelungen Kündigungsschutz genießt und einmal die Neubelegschaft, die unterhalb des Schwellenwertes von 10 beschäftigt wird und damit keinen Kündigungsschutz inne hat.

Beispiel:

Ein Betrieb beschäftigt im Jahre 2003 sechs Vollzeitkräfte. Diese Altbelegschaft hat nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung umfassend Kündigungsschutz. Im Jahre 2004 werden zwei Mitarbeiter und im Jahre 2005 ein weiterer Mitarbeiter in Vollzeit eingestellt. Insgesamt sind damit neun Arbeitnehmer beschäftigt. Der neue Schwellenwert (ab 1. Januar 2004) von mehr als 10 Arbeitnehmern wird aber nicht erreicht. Nach der Übergangsregelung genießt nun die Altbelegschaft von sechs Arbeitnehmern weiterhin Kündigungsschutz. Die drei neuen Arbeitnehmer fallen unter die Neufassung und haben noch keinen Kündigungsschutz. Erst wenn noch zwei Mitarbeiter in Vollzeit eingestellt werden, wird der neue Schwellenwert von insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmern erreicht. In diesem letzteren Fall hätten dann alle Arbeitnehmer vollen Kündigungsschutz.

III. Keine Berücksichtigung von Neuverträgen für die Altbelegschaft

Die Regelungen für die Altbelegschaft sollen nur den ursprünglichen Status quo erhalten. Die Altbelegschaft soll aber nicht besser gestellt werden. Sinkt deshalb die Altbelegschaft unter den ursprünglichen Schwellenwert von 5 herab, entfällt für diese Gruppe der Kündigungsschutz insgesamt!

Beispiel (Fortführung):

In dem vorherigen Beispiel würde sich dies wie folgt darstellen: Von der Altbelegschaft (6 Arbeitnehmer) wird ein Mitarbeiter gekündigt. Die Altbelegschaft sinkt dann auf 5 Arbeitnehmer. Der Kündigungsschutz greift aber erst bei mehr als 5 Arbeitnehmern. Die verbliebenen 5 Mitarbeiter der Altbelegschaft verlieren insgesamt den Kündigungsschutz. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Altarbeitnehmer bei der Berechnung zugunsten der Altbelegschaft nicht berücksichtigt werden.

Die in dem Beispiel genannten drei neu eingestellten Mitarbeiter werden damit bei der Altbelegschaft nicht berücksichtigt. Es kommt nicht darauf an, dass die Anzahl der tatsächlichen Beschäftigten zu jedem Zeitpunkt über 5 lag. Für die Altbelegschaft sind nach dem eindeutigen (aber komplizierten) Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des BAG macht deutlich, dass gerade in Kleinbetrieben genauestens auf die Zuordnung der Arbeitnehmer zur Altbelegschaft oder zur neuen Belegschaft geachtet werden muss. Mitarbeiter, die ursprünglich einmal Kündigungsschutz hatten, können diesen nachträglich verlieren. Die Zweiteilung der Belegschaft in Mitarbeiter mit Kündigungsschutz und Mitarbeiter ohne Kündigungsschutz ist vom Gesetzgeber gewollt. In Kündigungsschutzverfahren sollte deshalb gerade auf diesen Umstand besonderes Augenmerk gelegt werden.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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