16.07.2007

In einem Urteil des BGH vom 28. März 2007 – XII ZR 130/04 – wird erneut das Spannungsverhältnis zwischen Ehevertragsfreiheit und der nachehelichen Solidarität behandelt.

Nach Ansicht des BGH können Eheleute grundsätzlich die gesetzlichen Regelungen über Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich vertraglich verändern, solange dadurch nicht eine offensichtliche, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte einseitige Lastenverteilung entsteht und damit der Schutzzweck der jeweiligen Regelungen beliebig unterlaufen wird. Je unmittelbarer die ehevertragliche Vereinbarung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift, desto genauer muss geprüft werden, ob der Vertrag für den gegenüber der gesetzlichen Regelung benachteiligten Ehegatten noch zumutbar ist. Dieser Kernbereich umfasst die gesetzlichen Regelungen über den Ehegattenunterhalt in abgestufter Rangfolge ebenso wie den Versorgungsausgleich, den Zugewinnausgleich jedoch in der Regel nicht; der Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes gemäß § 1570 BGB gehört dabei in besonderem Maße zum Kernbereich.

Die vertraglichen Regelungen werden in zwei Schritten geprüft: Zunächst ist festzustellen, ob der Ehevertrag schon zum Zeitpunkt der Unterzeichnung sittenwidrig war; zu diesem Ergebnis kommt man beispielsweise, wenn der Vertrag extrem einseitig nur die Interessen eines Ehegatten berücksichtigt. Ist dies nicht der Fall, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob es zulässig ist, dass sich ein Ehegatte auf den bei Vertragsabschluss wirksamen Vertrag beruft. Hierzu ein Beispiel: Hatten die Ehegatten bei Vertragsabschluss die Absicht, keine Kinder zu bekommen, so ist ein völliger Unterhaltsverzicht im Regelfall nicht zu beanstanden. Ändern sich später jedoch die Planungen, gibt es Kinder und übt der betreuende Elternteil deshalb keine Erwerbstätigkeit mehr aus, so kann sich der andere Ehegatte auf den – wirksamen – Ehevertrag mit dem Unterhaltsverzicht nicht berufen, weil das wegen der geänderten Verhältnisse unanständig wäre.

Bei jedem Schritt der Überprüfung müssen die Gesamtumstände des Einzelfalles gewürdigt werden; eine pauschale Feststellung, dass bestimmte Regelungen gewissermaßen automatisch verwerflich sind, ist nicht zulässig. Sittenwidrig ist ein Ehevertrag nur, wenn die in Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreifende Vereinbarung nicht durch einen Vorteil in einem anderen Bereich aufgewogen wird oder die Vereinbarung durch gewichtige und schutzwürdige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird.

So hat der BGH in der angesprochenen Entscheidung festgestellt, es sei nicht von vornherein sittenwidrig, wenn Eheleute vereinbaren, dass der Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) wegfällt, sobald das Kind sechs Jahre alt geworden ist. Es müsse vielmehr die Gesamtsituation geprüft werden. Dazu zählte in dem BGH-Fall auch die Tatsache, dass das Kind gut betreut werden konnte, weil Arbeitsplatz und Wohnung nahe beieinander lagen und außerdem die Großeltern Teile der Betreuung übernehmen konnten und wollten. Außerdem war in dem Vertrag eine – wenn auch recht geringe – Abfindungsregelung (Zahlung von 3.000 DM für jedes Ehejahr) enthalten. Demzufolge war der Vertrag nach Feststellung des BGH nicht von vornherein unwirksam und der andere Ehegatte durfte sich auf den Vertrag auch berufen, so dass wegen des Vertrages alle Ansprüche ausgeschlossen waren.

Die weit verbreitete Meinung, bestimmte Regelungen – insbesondere zum Unterhalt – dürften in einem Ehevertrag niemals enthalten sein, wird durch diese BGH-Entscheidung erneut widerlegt. Pauschalurteile sind nicht zulässig, stattdessen ist eine Prüfung der konkreten Einzelfallsituation nötig.

Verfasser: Rainer Bosch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht in Bonn

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