Kündigungen werden oftmals nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern durch eine bevollmächtigte Person ausgesprochen. In solchen Fällen kann der Kündigungsempfänger (Arbeitnehmer) berechtigt sein, die Kündigung nach § 174 BGB wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückzuweisen. Liegen die Voraussetzungen einer berechtigten Zurückweisung vor, ist die Kündigung schon aus diesem Grunde unwirksam. Es bleibt daher für den Arbeitgeber nur der Ausspruch einer neuen, zweiten Kündigung. Ein aktuelles Urteil des BAG gibt Anlass, sich mit den Einzelheiten der in der Praxis oftmals verkannten Vorschrift des § 174 BGB auseinanderzusetzen.
(BAG, Urt. v. 20.09.2006 – 6 AZR 82/06 -, NZA 2007, 377)
Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):
Der klagende Arbeitnehmer war seit 1. Januar 2004 bei dem beklagten Freistaat als Sachbearbeiter im Bereich der Landestalsperrenverwaltung in Vollzeit beschäftigt. Der Vertrag war bis zum 31. Dezember 2004 befristet, sah eine Probezeit von sechs Monaten und die Möglichkeit der Kündigung auch vor Ablauf der Befristung vor.
Am 11. Juni 2004 wurde dem Kläger ein Kündigungsschreiben mit dem Datum dieses Tages ausgehändigt. Das Kündigungsschreiben wies den Briefkopf „Landestalsperrenverwaltung des Freistaats Sachsen“ auf und das Wort Geschäftsführer. Unterschrieben war das Kündigungsschreiben von dem Stellvertreter des Geschäftsführers mit dem Zusatz „i.V.“. Dem Kündigungsschreiben war keine Vollmachtsurkunde beigefügt.
Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 15. Juni 2004 ließ der Kläger die Kündigung unter Hinweis auf § 174 Satz 1 BGB wegen des Fehlens einer Originalvollmacht zurückweisen. Mit seiner fristgerecht am 29. Juni 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet er sich gegen die Kündigung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die Kündigung vom 11. Juni 2004, aber mit Ablauf der Befristung zum 31. Dezember 2004 aufgelöst wurde.
Die Entscheidung des BAG:
Auf die Revision des Arbeitgebers hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des LAG aufgehoben und zur nochmaligen Verhandlung zurückverwiesen.
I. Abgrenzung zur gesetzlichen Vertretungsmacht
Die Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB ist immer dann ausgeschlossen, wenn es sich um einen Fall der gesetzlichen Vertretungsmacht handelt. Kraft Gesetzes vertretungsberechtigt sind bspw. die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstände einer AG (vgl. §§ 35 GmbHG, 78 AKtG). Bei einem eingetragenen Verein ist der eingetragene Vorstand als gesetzlicher Vertreter kündigungsberechtigt (§ 26 Abs. 2 BGB); bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) der geschäftsführende Gesellschafter (§ 714 BGB). Bei einer OHG ist jeder OHG-Gesellschafter kündigungsberechtigt und bei einer KG alle Komplementäre (vgl. §§ 125, 161 HGB). In all diesen Fällen folgt die Vertretungsberechtigung unmittelbar aus dem Gesetz, so dass für die Vorschrift des § 174 kein Raum ist. Dies gilt auch für die organschaftliche Vertretung von Staatsbetrieben.
Im vorliegenden Fall hatte nicht der Organvertreter (Geschäftsführer) der Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen das Kündigungsschreiben unterschrieben, sondern sein Stellvertreter. Der Stellvertreter hatte aber keine organschaftliche (Vertretungs)Funktion inne. Aus diesem Grunde fand § 174 BGB grundsätzlich Anwendung.
II. Vorlage der Vollmachtsurkunde
Kündigt ein Vertreter, verlangt die Vorschrift des § 174 BGB von dem Kündigenden, dass er die Vollmachtsurkunde im Zusammenhang mit dem Kündigungsausspruch vorlegt. Dabei ist es nicht ausreichend, wenn lediglich eine Kopie überreicht wird. Wirksam ist allein die Aushändigung der Vollmachtsurkunde im Original. Ferner verlangt § 174 Satz 1 BGB, dass die Vollmachtsurkunde zugleich mit der Kündigung ausgehändigt wird. Die bloße Ankündigung, die Vollmachtsurkunde später nachzureichen, ist damit nicht ausreichend.
Demgegenüber ist der Zusatz, wie das BAG klargestellt hat, „i.V.“ nicht schädlich. Der Zusatz bedeutet lediglich, dass eine Person anstelle einer anderen auftritt. In Abgrenzung zur Unterzeichnung „i.A.“ wird hierdurch indiziert, dass der Erklärende selbst für den Vertretenen handelnd die Verantwortung für den Inhalt des von ihm unterzeichnenden Kündigungsschreibens – wie ein Vertreter – übernehmen will.
III. Ausnahme: Kenntnis der Vollmacht
Im vorliegenden Fall konnte das Bundesarbeitsgericht aber nicht abschließend entscheiden. Nach § 174 Satz 2 BGB ist nämlich die Vorlage einer Vollmachtsurkunde ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Hat also der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Bevollmächtigung bereits zu einem früheren Zeitpunkt informiert, kann sich der Arbeitnehmer später nicht mehr darauf berufen, der Kündigung habe eine Vollmachtsurkunde nicht beigelegen. Er hatte gerade Kenntnis über den Inhalt der Bevollmächtigung, so dass er auch nicht schutzwürdig ist. Die Anforderungen an die Bekanntmachung der Bevollmächtigung sind dabei weniger streng. Ausreichend ist eine an die Belegschaft gerichtete Erklärung, bspw. am schwarzen Brett, in der die Bevollmächtigung bestimmter Personen im Betrieb bekannt gegeben wird. Möglich ist auch die Kommunikation über das Intranet oder aber Klauseln in den Arbeitsverträgen, nach denen bestimmten leitenden Angestellten des Unternehmens Kündigungsbefugnisse eingeräumt werden.
Die Frage der Kenntnis des Klägers zu der Kündigungsberechtigung des Stellvertreters des Geschäftsführers war im vorliegenden Fall streitig. Dies wird nun das Landesarbeitsgericht nochmals aufzuklären haben.
IV. Inhalt der Zurückweisungserklärung
Die Kündigung muss gerade wegen der fehlenden Vollmacht zurückgewiesen werden. Das BGB gibt dabei einen bestimmten Zurückweisungstext nicht vor. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass sich der Grund der Zurückweisung eindeutig aus der Erklärung ergibt und für den Erklärungsempfänger erkennbar ist, weshalb die Zurückweisung erfolgt. Die übliche Reaktion auf Kündigungen, diese werden als unberechtigt zurückgewiesen, ist dabei zu allgemein. Ausreichend ist es allerdings, wenn der Erklärungsempfänger zum Ausdruck bringt, dass er wegen einer nicht vorhandenen Bevollmächtigung und/oder Vertretungsmacht die Kündigung zurückweist. Eine schriftliche Zurückweisung ist nicht notwendig, aber wegen der dann besseren Nachweisbarkeit zu empfehlen.
Hinweis für die Praxis:
Die Zurückweisung der Kündigung selbst kann ebenfalls durch einen Bevollmächtigten geschehen. Allerdings muss dann auch dieser Bevollmächtigte bei der Zurückweisung der Kündigung seinerseits eine Vollmachtsurkunde beifügen! Wird bspw. ein Rechtsanwalt damit beauftragt, gegen die Kündigung vorzugehen und weist dieser mandatierte Rechtsanwalt zunächst nach § 174 BGB (vorsorglich) die Kündigung wegen fehlender Vollmachtsvorlage zurück, kann der Empfänger dieser Zurückweisung (der Arbeitgeber) seinerseits die Zurückweisung nach § 174 BGB wegen fehlender Vorlage einer Vollmacht zurückweisen. Dies wird in der Praxis oft übersehen.
V. Unverzügliche Zurückweisung
Die Zurückweisung muss schließlich nach § 174 Satz 1 BGB unverzüglich erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 BGB). Innerhalb welchen Zeitrahmens eine Zurückweisung noch unverzüglich erfolgt, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wird teilweise eine Zurückweisung bis zu zwei Wochen noch als fristgerecht angenommen.
Hinweis für die Praxis:
Eine Zurückweisung ist nach unserer Auffassung regelmäßig sicher nur bis zu einer Woche möglich. Innerhalb dieses Zeitraums ist jeder Arbeitnehmer in der Lage, Überlegungen anzustellen und rechtskundigen Rat eines Fachanwalts einzuholen. Im Einzelfall können aber Ausnahmen durchaus gerechtfertigt sein, bspw. wenn der Erklärungsempfänger arbeitsunfähig erkrankt war oder eine sonstige Entschuldigung vorbringen kann, die ihm eine unverzügliche Reaktion unmöglich macht. Sicherer ist es, die Zurückweisung, wie auch im vorliegenden Fall, spätestens nach drei bis vier Tagen nachweisbar zu erklären.
Fazit:
Wird die Kündigung durch eine bevollmächtigte Person erklärt und wird dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigefügt, besteht das erhebliche Risiko einer Zurückweisung nach § 174 BGB. Bei einer berechtigten Zurückweisung ist die Kündigung insgesamt unwirksam mit der Folge, dass eine neue, zweite Kündigung ausgesprochen werden muss. Wichtige Fristen, z.B. die zweiwöchige Ausschlussfrist bei fristlosen Kündigungen oder aber Kündigungen in der Probezeit, können dann bereits abgelaufen sein.
Verfasser:
MEYER-KÖRING v.DANWITZ PRIVAT
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn
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