07.05.2008

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in zwei Verfahren über häufig vorkommende Verwirkungstatbestände zu entscheiden.

1.  Verwirkung wegen intimer Beziehungen zu einem Dritten

In der Entscheidung vom 16. April 2008 – XII ZR 7/05 – hatte die Klägerin den Beklagten nach 26-jähriger Ehe, aus der fünf Kinder hervorgegangen sind, aufgrund ihrer sexuellen Umorientierung verlassen. Die Klägerin war zu ihrer Freundin gezogen und hatte nach einiger Zeit auch intime Beziehungen zu ihr aufgenommen. Die jüngsten Kinder der Parteien blieben im Haushalt des Beklagten. Die Klägerin begehrte Trennungsunterhalt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin Unterhalt für die Zeit bis zur Ehescheidung (Trennungsunterhalt) teilweise zugesprochen. Auf die Revision des Ehemannes hat der BGH die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Der BGH betont in dieser Entscheidung, auch Trennungsunterhalt könne vollständig verwirkt sein, wenn der den Unterhalt begehrende Ehegatte aus einer intakten Ehe ausgebrochen sei und gegen den Willen des anderen Ehegatten eine intime Beziehung zu einem Dritten aufgenommen habe. Der Unterhalt begehrende Ehegatte habe dadurch seine Verpflichtung zu ehelicher Solidarität so massiv verletzt, dass er sich beim Unterhalt nicht auf die eheliche Solidarität berufen könne. Die sexuelle Orientierung sei hierbei irrelevant. Weder würden homosexuelle Beziehungen benachteiligt noch könnten sie begünstigt werden.

Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Ehe nicht mehr intakt und die Ehe aus anderen Gründen gescheitert gewesen sei. Darüber hatte das Oberlandesgericht noch keine Feststellungen getroffen. Der BGH hat die Sache daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das OLG zurückgewiesen.

 

2.  Verwirkung wegen verschwiegenen Einkommens

In der Entscheidung vom 16. April 2008 – XII ZR 107/06 – ging es um einen weiteren häufig vorkommenden Verwirkungsgrund. Zusätzlich hat der BGH Hinweise über die Befristung des nachehelichen Unterhalts bei fehlenden ehebedingten Nachteilen geliefert.

Hier war über nachehelichen Unterhalt zu entscheiden. Die Parteien hatten in 2003 in einem Vergleich den Trennungsunterhalt geregelt. Die Ehefrau hatte hierbei eigene Einkünfte in Höhe von 800,00 € netto monatlich angegeben. Im Dezember 2004 offenbarte die Ehefrau dann, dass sie bereits seit Dezember 2003, und damit kurz nach Abschluss des Vergleichs über den Trennungsunterhalt, monatliche Nettoeinkünfte von ca. 1.184,00 € hatte. Für den Zeitraum Dezember 2003 bis Dezember 2004 hatte die Ehefrau daher zu hohen Unterhalt kassiert.

Der Kläger verlangte nunmehr im Rahmen des Verfahrens über den nachehelichen Unterhalt, der Unterhalt müsse gekürzt werden, weil die Einkommenserhöhung verschwiegen worden war, und beantragte außerdem, der Unterhalt müsse  zeitlich begrenzt werden, weil seine Frau keine wirtschaftlichen Nachteile durch die Ehe gehabt habe. Das Oberlandesgericht hat eine Kürzung des nachehelichen Unterhalts wegen des Verschweigens höherer Einkünfte anerkannt, die Befristung des nachehelichen Unterhalts dagegen abgelehnt. Beide Parteien haben gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision eingelegt. Die Revision der Ehefrau, mit der sie die Kürzung des nachehelichen Unterhalts angegriffen hatte, wurde vom BGH zurückgewiesen; die Revision des Ehemannes hatte Erfolg.

a) Der BGH hat die Kürzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs wegen Verschweigens eigener höherer Einkünfte anerkannt. Unterhaltsansprüche können versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, wenn der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat. Ein typischer Anwendungsfall dieser Fallgruppe ist das Verschweigen eigener höherer Einkünfte. Die Ehefrau wäre verpflichtet gewesen, dem Ehemann im Dezember 2003 von sich aus die höheren Einkünfte mitzuteilen und es dann dem Ehemann zu überlassen, ob er wegen dieser höheren Einkünfte Änderung des Vergleichs über den Trennungsunterhalt verlangt. Verschweigt der Berechtigte dagegen höhere Einkünfte und kassiert weiterhin den erhöhten Unterhalt, kann der Unterhaltsanspruch gekürzt werden.

b) Das Oberlandesgericht hatte eine Befristung des nachehelichen Unterhalts abgelehnt. Der Ehefrau sei es zwar zuzumuten, vollschichtig wieder als Krankenschwester zu arbeiten. Eine Befristung scheide allerdings aus, da die Ehefrau während der Ehezeit überwiegend die Kinder betreut habe und daher geringere Rentenanwartschaften erwerben konnte als der Ehemann.

Der BGH hat dies zurückgewiesen. Die Ehefrau habe nach der Scheidung wieder vollschichtig arbeiten gehen können. Ehebedingte Nachteile lägen daher nicht unbedingt auf der Hand. Die geringeren Rentenanwartschaften, wegen der das Oberlandesgericht eine Befristung abgelehnt hatte, seien keine ehebedingten Nachteile. Die Rentenanwartschaften während der Ehezeit würden über den Versorgungsausgleich ausgeglichen, sodass beide Ehegatten dieselben Rentenanwartschaften hätten. Dieser Gesichtspunkt könne daher auch nicht gegen eine Befristung des Unterhaltes sprechen.

Fazit: Der BGH hat in beiden Entscheidungen die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen bei zwei häufig vorkommenden Fällen betont. Der Ausbruch aus einer intakten Ehe mit der Aufnahme intimer Beziehungen zu einem neuen Partner stellt eine so massive Verletzung der ehelichen Solidarität dar, dass der Trennungsunterhaltsanspruch vollständig wegfallen kann. Gleiches gilt beim Verschweigen höherer Einkünfte. Da beide Sachverhalte in der Praxis häufig vorkommen, werden beide Entscheidungen oft Anlass zur Prüfung geben, ob Unterhaltsansprüche weggefallen sind oder jedenfalls reduziert werden müssen.

Für die Befristung des nachehelichen Unterhalts nach dem ab Januar 2008 geltenden Unterhaltsrecht geben die Ausführungen des BGH einen ersten Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast. Danach hat der Unterhaltsverpflichtete im Falle einer Befristung darzulegen und zu beweisen, dass der andere Ehegatte einer vollschichtigen Tätigkeit in dem erlernten Beruf nachgeht oder jedenfalls nachgehen kann. Gelingt dies, liegt es an dem anderen Ehegatten darzulegen und zu beweisen hat, dass trotz einer vollschichtigen Berufstätigkeit ehebedingte Nachteile bestehen. Die Ansammlung geringerer Rentenanwartschaften ist hierfür als Argument jedenfalls ungeeignet. Es bleibt abzuwarten, welche ehebedingten Nachteile die Rechtsprechung in diesen Konstellationen anerkennen wird.

Autor

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