01.01.2001

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 12. April 2000 – Az.: XII ZR 79/98)

hatte über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen sich ein Unterhaltsschuldner, der durch pflichtwidriges, insbesondere strafbares Verhalten seinen Arbeitsplatz verliert, darauf berufen kann, er könne infolge seiner Arbeitslosigkeit nicht mehr in der bisherigen Höhe Unterhalt leisten.

 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger sind die minderjährigen Kindern des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Sie verlangen von dem Beklagten den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Der wieder verheiratete Beklagte ist schwerbehindert. Sein Arbeitgeber, bei dem er seit 1977 beschäftigt gewesen war, kündigte das Arbeitsverhältnis wegen Diebstahls von Betriebseigentum. Der Beklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt und bezog seither nur noch Arbeitslosengeld.

Das Oberlandesgericht hat der Klage entsprochen. Dabei ist es von dem höheren Arbeitsentgelt ausgegangen, das der Beklagte zuletzt bezogen hatte. Nach Auffassung der Richter konnte sich der Beklagte gegenüber den Klägern nicht auf den Verlust seines früheren Arbeitsplatzes berufen. Denn er habe diesen Verlust verantwortungslos und leichtfertig verursacht. Angesichts seiner behinderungsbedingt schlechten Arbeitsmarktchancen und der allgemein ungünstigen Arbeitsmarktsituation habe sich dem Beklagten bei dem Diebstahl aufdrängen müssen, dass er im Falle einer Entdeckung und seiner Kündigung den Unterhalt für die Kläger und seine zweite Ehefrau kaum noch werde aufbringen können.

Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen, und zwar mit folgender Argumentation:

Bei unfreiwilligem Arbeitsplatzverlust könne sich der Unterhaltspflichtige auf seine Leistungsunfähigkeit nicht berufen, wenn das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten seinerseits eine Verletzung der Unterhaltspflicht darstelle. Hierfür genüge es nicht, dass der Arbeitsplatzverlust als Folge des strafbaren Verhaltens vorhersehbar gewesen sei. Die nachteiligen Folgen, die eine Straftat für den beruflichen Werdegang des Straftäters mit sich bringen könne, lägen nämlich bei vernünftiger Betrachtung stets auf der Hand. Der  Unterhaltsschuldner könne sich nur dann nicht auf die eigene Leistungsunfähigkeit berufen, wenn er seine Leistungsunfähigkeit durch unterhaltsbezogene Mutwilligkeit herbeigeführt habe. Diese liege freilich nicht nur bei absichtlichem oder vorsätzlichem, sondern auch schon bei leichtfertigem Verhalten vor. Das habe der BGH für den in § 1579 Nr. 3 BGB normierten Fall einer vom Unterhaltsgläubiger selbst verursachten Bedürftigkeit wiederholt entschieden. Für den gesetzlich nicht besonders geregelten Fall der vom Unterhaltsschuldner selbst verursachten Leistungsunfähigkeit könnten keine geringeren Anforderungen gelten. Leichtfertigkeit, die gewöhnlich bewusste Fahrlässigkeit sein werde, liege vor, wenn der Unterhaltsschuldner erkenne, dass er als Folge seines Verhaltens leistungsunfähig werde und dennoch – wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge – handele. Ferner verhalte sich leichtfertig, wer sich unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten müsse, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsgläubiger über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinwegsetze.

Da die Vorinstanz hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, wurde die Sache an das OLG Karlsruhe zurückverwiesen.

Verfasserin: Rechtsanwältin Dr. Nicole Heimann

 

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen