28.07.2008 -

Der Betriebsrat vertritt nicht die leitenden Angestellten des Betriebs bzw. des Unternehmens. Wer leitender Angestellter ist, regelt § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Hierzu gehören u.a. Arbeitnehmer des Unternehmens, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung befugt sind. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einem aktuellen Beschluss die Anforderungen an diese Kompetenzen präzisiert (BAG, Urt. v. 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, zitiert nach juris ). In dem konkreten Fall wurde die Stellung eines Chefarztes als leitender Angestellter wegen zu geringer Kompetenzen abgelehnt.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus, in dem etwa 600 Mitarbeiter, davon 80 Ärzte, beschäftigt sind. Die Klinik ist in acht medizinische Abteilungen aufgeteilt, denen jeweils Chefärzte vorstehen.

Der Dienstvertrag des Chefarztes der geriatrischen Abteilung sieht seine Stellung als leitender Angestellter vor. Er ist nach Absprache mit den Fachkollegen und im Rahmen des Personalbudgets zur selbständigen Einstellung und Entlassung von ärztlichen Mitarbeitern berechtigt. In der geriatrischen Abteilung sind neben dem Chefarzt ein Oberarzt, drei Assistenzärzte sowie im Pflegebereich 26,5 Vollzeitkräfte beschäftigt.

Der Betriebsrat hat anlässlich von Betriebsratswahlen beantragt, festzustellen, dass der Chefarzt nicht leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3  Satz 2 BetrVG ist.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag zurückgewiesen.

 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

I. Einstellungs- und Entlassungsbefugnis: Repräsentant des Arbeitgebers

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Diese Zuordnungskriterien beruhen auf der Wertung des Gesetzgebers, nach der eine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis die leitende Funktion eines Angestellten im Betrieb oder im Unternehmen in besonderer Weise zum Ausdruck bringt. Einstellungen und Entlassungen sind Instrumente der Personalwirtschaft und damit unternehmerische Tätigkeit. Wird diese Befugnis einem Angestellten übertragen, so ist er zur selbständigen Einstellung und Entlassung als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat befugt.

 

II. Kompetenz sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis notwendig

Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bestehen. An dem Merkmal der Selbständigkeit fehlt es daher, wenn der Angestellte nur im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, nicht aber im Verhältnis zu seinen Vorgesetzten befugt ist, über Einstellungen und Entlassungen zu entscheiden. Die Ausübung der Personalkompetenz darf nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein.

 

Hinweis für die Praxis:

Allerdings liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Beschränkung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vor, wenn der Angestellte lediglich Richtlinien oder Budgets zu beachten hat oder Zweitunterschriften einholen muss, die einer Richtigkeitskontrolle dienen, aber nicht mit einer Entscheidungsbefugnis des Dritten verbunden sind (Vgl. BAG, Urt. v. 27.9.2001 – 2 AZR 176/00, DB 2002, 1163 ).

 

III. Befugnisse für nur einen Teil der Belegschaft ausreichend

Der Angestellte muss nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung aller Arbeitnehmer des Betriebs befugt sein. Es ist ausreichend, wenn sich die Befugnisse nur auf einen Teil der Belegschaft beziehen. Allerdings liegen die Voraussetzungen nicht bei Arbeitnehmern vor, deren Personalkompetenzen nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb und damit auch für das Unternehmen sind.

 

1. Anzahl der Arbeitnehmer

Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die selbständige Einstellungs- und  Entlassungsbefugnis bezieht. Umfasst sie nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf.

 

2. Qualitativ bedeutsamer Personenkreis

Handelt es sich lediglich um eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegt die für die Stellung eines leitenden Angestellten erforderliche unternehmerische Personalverantwortung dann nur vor, wenn die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis gerade für einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis besteht. Die geforderte Personalkompetenz muss sich deshalb auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hoch qualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen.

 

3. Zeitlicher Anteil irrelevant

Der zeitliche Anteil, den die tatsächliche Ausübung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis an der Arbeitszeit des Angestellten ausmacht, ist für die Beurteilung der Voraussetzungen eines leitenden Angestellten hingegen ohne Bedeutung.

 

Fazit:

Im vorliegenden Fall war der Chefarzt der geriatrischen Abteilung lediglich für vier Personen (ein Oberarzt und drei Assistenzärzte) einstellungs- und entlassungsbefugt und damit nur auf einen sehr kleinen Personenkreis. Diese vier Personen waren auch nicht von besonderer Bedeutung für das Unternehmen. Gemessen an der Gesamtbeschäftigtenzahl von rund 600 Arbeitnehmern ist es ohnehin zweifelhaft, ob überhaupt die Voraussetzungen bei nur vier Arbeitnehmern erfüllt werden können, seien sie noch so bedeutsam. Der Rechtsstreit wurde dennoch nicht abschließend von dem Bundesarbeitsgericht entschieden. Leitender Angestellter kann nämlich auch sein, wer aufgrund seiner besonderen Stellung im Unternehmen als leitender Angestellter anzusehen ist, § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Diese Feststellungen müssen nun erneut vom Landesarbeitsgericht getroffen werden.

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