Aktueller Hinweis (Stand 29.07.2013): Das hier kommentierte Urteil ist zwischenzeitlich insoweit überholt, als im Zuge der damaligen Gestaltung ein Nießbrauchsrecht vereinbart wurde, das über die dispositiven Vorgaben des BGB hinausgeht (BFH-Urteil vom 16.5.2013, II R 5/12, veröffentlicht am 26.06.2013).
Ein nach den Vorgaben des BGB ausgestalteter Nießbrauch lässt die Stellung des Nießbrauchsbestellers als Mitunternehmer nicht entfallen. Bestimmen die Vertragsparteien aber über die Vorgaben des BGB hinaus, dass die mit der übertragenen Beteiligung an der Personengesellschaft verbundenen Stimm- und Mitverwaltungsrechte hinsichtlich des mit dem Nießbrauch belasteten Teils der Gesellschaftsbeteiligung dem Nießbraucher zustehen sollen, und verfahren die Gesellschafter danach, führt dazu, dass der Bedachte hinsichtlich des nießbrauchsbelasteten Anteils nicht Mitunternehmer ist und insoweit die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG nicht beanspruchen kann.
Fazit: Behält sich der Schenker bei der freigebigen Zuwendung einer Kommanditbeteiligung den Nießbrauch zu einer bestimmten Quote hiervon einschließlich der Stimm- und Mitverwaltungsrechte vor und vermittelt daher der mit dem Nießbrauch belastete Teil der Kommanditbeteiligung dem Erwerber für sich genommen keine Mitunternehmerstellung, können für diesen Teil die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG vor 2009 nicht beansprucht werden.
Der Hintergrund
Errichter von Familienpersonengesellschaften sind immer bestrebt, schenkungsteuerbegünstigt Anteile an der Gesellschaft an Kinder übertragen und dabei alle erbschaftsteuerlichen bzw. schenkungsteuerlichen Freibeträge und Vergünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen ausnutzen, freilich ohne sich jedoch der Verfügungsmacht und Herrschaft sowie der Erträge aus dem Gesellschaftsvermögen zu begeben. Wenn dem Schenker aber nahezu alle Rechte vorbehalten bleiben, erwirbt das beschenkte Kind regelmäßig keine steuerlich notwendige Mitunternehmerstellung, so dass dann auch die Vergünstigung für die Übertragung von Betriebsvermögen, hier Mitunternehmeranteilen, ausscheidet.
Wie es trotzdem funktionieren kann, zeigt der für die Gestaltung von Familienpools besonders beachtenswerte Fall des FG Hessen vom 02.07.2008 (Az. 1 V 1357/08).
Der Fall
Der 75-jährige Schenker war Alleingesellschafter einer von ihm errichteten Personengesellschaft. Er wollte seine alleinige Tochter zu 23.500/25.000 an der Gesellschaft schenkweise beteiligen und dafür den Betriebsvermögensfreibetrag und den Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in Anspruch nehmen, was im zu entscheidenden Fall die Schenkungsteuer auf Null gebracht hätte (und einstweilen auch hat).
Per Schenkungsvertrag übertrug er einen entsprechenden Anteil nebst dem entsprechenden Anteil an seinem variablen Kapitalkonto (Konto II) sowie an sämtlichen sonstigen für ihn bei der KG geführten Konten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Übernahme der anfallenden Schenkungsteuer unentgeltlich auf seine Tochter. Der Vater behielt sich dabei an einem Anteil der geschenkten Kommanditbeteiligung und an den sonstigen Konten in Höhe von 22.000/23.500tel den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Das Nießbrauchsrecht erstreckt sich laut Vertrag im Fall der Auflösung der KG oder des Ausscheidens der Tochter auch auf deren Auseinandersetzungsguthaben.
Weiter ist in dem Vertrag geregelt, dass dem Vater für die Dauer des Nießbrauchs das auf die nießbrauchsbelastete Beteiligung entfallende Ergebnis (Gewinn und Verlust) einschließlich evtl. Zinsen, auch soweit es durch außergewöhnliche Faktoren (Aufwendungen und Erträge) beeinflusst ist, zusteht.
Weiterhin ist bestimmt, dass dem Vater insoweit, als der Nießbrauch besteht, die Stimm- und Mitverwaltungsrechte zustehen, die Tochter den Vater zu deren Ausübung bevollmächtigt und sich verpflichtet, von ihrem eigenen Stimmrecht insoweit keinen Gebrauch zu machen, ersatzweise auf Wunsch des Vaters nach dessen Weisung zu handeln. Für den Fall, dass die Tochter die Vollmacht widerrufen bzw. von ihrem Stimmrecht abweichend von den Weisungen des Vaters Gebrauch machen sollte, ist der Vater zum Widerruf der Schenkung berechtigt.
Das Finanzamt versagte die begehrte Vergünstigung und setzte Schenkungsteuer fest, weil die Tochter infolge der umfassenden Beschränkungen keine Mitunternehmerin geworden sei.
Das FG hingegen setzte die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids aus.
Die Entscheidung
Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG bleibt Betriebsvermögen i.S. des § 13 Abs. 4 beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden insgesamt bis zu einem Wert von 225.000 € außer Ansatz. Der nach Abzug des Freibetrags verbleibende Wert ist mit 65 v.H. anzusetzen (§ 13a Abs. 2 ErbStG).
Zum Vermögen i.S. des Abs. 4 gehört u.a. inländisches Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG) beim Erwerb eines ganzen Betriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
Es entspricht ganz herrschender Auffassung, dass bei einer Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, z.B. einer Kommanditgesellschaft, der Übertragende Mitunternehmer gewesen sein und auch der Beschenkte auf Grund des ihm zugewandten Vermögens ebenfalls eine Mitunternehmerstellung erlangt haben muss.
Kennzeichnend für einen Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, dass er zusammen mit anderen Personen Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfalten kann und Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt.
Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wobei die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten ausreichend ist, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) zustehen oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechen.
Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine diese wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens, wobei dieses Risiko regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt wird. Beide Merkmale der Mitunternehmerschaft müssen vorliegen.
Ein dem Schenker vorbehaltenes Nießbrauchsrecht an einem übertragenen Kommanditanteil steht hiernach der Begünstigung nach § 13a ErbStG nicht entgegen, wenn der Beschenkte – ggf. auch neben dem Schenker – ertragsteuerlich Mitunternehmer wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Beschenkte einen hinreichenden Bestand an vermögensrechtlicher Substanz des belasteten Gesellschaftsanteils und an gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten, die seine Stellung als Gesellschafter und Mitunternehmer begründen, erhält. Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn der Nießbrauch vertraglich zugunsten des Nießbrauchers derart ausgestaltet ist, dass die Stimm- und Mitwirkungsrechte sowie der Ertrag nahezu ausschließlich dem Nießbraucher zustehen.
Hiernach sprach im Streitfall viel für die Annahme, dass die Tochter des Vaters bei isolierter Betrachtung des nießbrauchsbelasteten Teilanteils – im (unstreitigen) Gegensatz zu dem unbelasteten Teilanteil – nicht Mitunternehmerin geworden war. Unter den vertraglichen Umständen fiel der Tochter hinsichtlich des belasteten Teilanteils in nennenswertem Umfang weder Mitunternehmerinitiative noch Mitunternehmerrisiko zu.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Schenkungsteuerfestsetzung erwachsen jedoch nach Auffassung des Senats aus der Unsicherheit bezüglich der Rechtsfrage, ob es für die Begünstigung nach § 13a ErbStG nicht ausreicht, dass der Beschenkte nach ertragsteuerlichen Kriterien überhaupt Mitunternehmer ist oder wird, sei es, dass er bereits vor der Schenkung Gesellschafter und Mitunternehmer war, sei es, dass er – wie im Streitfall – einen Gesellschaftsanteil teilweise unbelastet übertragen erhält und dadurch Mitunternehmer wird.
Es wird in der Rechtliteratur die Auffassung vertreten, dass wenn der Beschenkte aus anderen Gründen, etwa wegen einer zurückliegenden Schenkung, z.B. eines Anteils an derselben Kommanditgesellschaft, bereits Mitunternehmer geworden ist, auch eine isoliert betrachtet nicht begünstigungsfähige Schenkung zu der Begünstigung des § 13a ErbStG führt. Folgerichtig wird alsdann auch bei Schenkung eines Gesellschaftsanteils unter Vorbehalt eines nur quotalen, nach seiner besonderen Ausgestaltung der Annahme des Übergangs der Mitunternehmerstellung an sich entgegenstehenden Nießbrauchs und damit einer Gestaltung wie im Streitfall die Auffassung vertreten, dass die Begünstigung des § 13a ErbStG insgesamt beansprucht werden kann, weil der Beschenkte jedenfalls eine Mitunternehmerstellung erlangt. Eine Stellungnahme in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Problem ist nicht ersichtlich.
Auch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO sieht das FG Hessen nicht. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter Vorbehalt lediglich eine Quotennießbrauchs durchaus einer gängigen Gestaltungspraxis im Rahmen vorweggenommener Erbfolgeregelungen entspricht. Es sei aber bereits zweifelhaft, ob eine Regelung, die sich im Rahmen einer gängigen Gestaltungspraxis hält und durch die mithin kein ungewöhnlicher Weg beschritten worden ist, überhaupt einen Gestaltungsmissbrauch darstellen kann.
Die vorliegend gewählte Gestaltung kann aber auch gemessen an dem angestrebten Ziel, die nachfolgende Generation schrittweise an den Betrieb der KG heranzuführen, ohne dass der Vater als bisher bestimmender Gesellschafter diese Stellung bereits endgültig aufgibt, nicht als unangemessen betrachtet werden. Denn durch den nur quotalen Nießbrauchsvorbehalt war die Tochter bereits in die Lage versetzt, an der Willensbildung und den Entscheidungsprozessen im Unternehmen, wenn auch nicht bestimmend, mitzuwirken und auf diese Weise Einblick zu gewinnen. Vor dem Hintergrund dieser Motivationslage wären als alternative Gestaltungen nur in Betracht gekommen, den Nießbrauch in der gewählten starken Ausprägung insgesamt vorzubehalten oder ihn der gesetzlichen Regelung des BGB soweit anzunähern, dass die Mitunternehmerstellung insgesamt (auch) auf die Tochter übergegangen wäre.
Im Übrigen sei schon eine vom Gesetzgeber vorgegebene typische Gestaltung zur Regelung der Nachfolge in einen Personengesellschaftsanteil, von der in ungewöhnlicher Weise abgewichen sein könnte, nicht ersichtlich.
Es bleibt abzuwarten, wie der Senat im Hautsacheverfahren entscheiden wird. Bleibt er bei seiner Auffassung, wird der Fall mit Sicherheit zum BFH gehen. Allen, die sich mit Familienpools und Familiengesellschaften beschäftigen, sollten das Verfahren im Auge behalten.
Hinweis
Zwar sollte erst die endgültige Entscheidung des BFH abgewartet werden; wer es jedoch eilig hat, der sollte zumindest den Weg über
- eine gestufte Beteiligung (erst Übertragung eines Zwerganteil ohne Nießbrauch, danach Restanteil mit Vorbehaltsnießbrauch)
oder
- über einen vorbehaltenen Quotennießbrauch wie im entschiednen Fall
gehen.
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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