Augen auf bei vorweggenommenen Betriebsausgaben!

Bevor Sie Anlaufkosten auslösen, sollten man immer prüfen (lassen), ob diese Kosten auch steuerlich abzugsfähig sind (credit:adobestock)

Werden vor Ingangsetzung des Gewerbebetriebs eines Einzelunternehmers oder einer Personengesellschaft, in der Regel vor Betriebseröffnung, im Zuge der Vorbereitungshandlungen Anlaufkosten veranlasst, sind diese zwar grundsätzlich bei der Einkommensteuer im Rahmen der gewerblichen Einkünfte, nicht aber bei der Gewerbesteuer vom Gewerbeertrag als Betriebsausgaben abzugsfähig.

Was zunächst paradox klingt, folgt dennoch einer steuerrechtlichen Logik. Wer das nicht beachtet, zahlt bei der Gewerbesteuer drauf, wie der BFH in zwei aktuellen Urteilen bestätigte.

Worum es geht bei den Fällen vorweggenommener Betriebsausgaben?

Fall 1 (BFH-Urteil vom 30.08.2022, X R 17/21):

Gastronom G pachtete im Anfang Dezember 01 ein Restaurant einschließlich Inventar. Die Eröffnung fand im Januar 02 statt. In der Zwischenzeit war das Restaurant wegen der durch G veranlassten umfangreichen Umbauten und Renovierungen geschlossen. Sämtliche Betriebsausgaben des G vor der Eröffnung im Januar 02, einschließlich der Umbau und Renovierungskosten, erkannte das Finanzamt bei der Gewerbesteuer nicht an. Nach erfolgreicher Klage unterlag G vor dem BFH.

Fall 2 (BFH-Urteil vom 01.09.2022, IV R 13/20):

Ein Immobilienunternehmen (KG) wurde 01 errichtet, um Häuser zu kaufen, zu sanieren und gewinnbringend zu verkaufen (gewerblicher Grundstückshandel). Dazu sammelte die KG in 01 Anlegergelder durch Vergabe von Genussrechten in Millionenhöhe ein, legte den Prospekt und Exposés auf und nahm so im Jahr 01 insgesamt Anlaufkosten von rund 1,8 Mio. € auf sich. Im Jahr 02 erwarb die KG die erste Immobilie. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Fehlbetrags gemäß § 10a GewStG ab. Nach erfolgreicher Klage unterlag die KG vor dem BFH.

Aus den Entscheidungsgründen

Um das Auseinanderfallen von hier negativen gewerblichen Einkünften (§ 15 EStG) und negativem Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) muss man sich die grundlegenden systematischen Unterschiede beider Arten von Ertragsteuer vor Augen führen.

Unterschied Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Gewerbeertrag

  • Die Einkommensteuer knüpft an die persönliche Steuerpflicht an, also an die natürliche Person, die einen Steuertatbestand verwirklicht. Sie ist vom Leistungsfähigkeitsprinzip beherrschte Personensteuer muss sämtliche betriebliche Handlungen des Steuerpflichtigen von der ersten Vorbereitungshandlung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsguts erfassen. Sie erfasst Einkünfte aus Gewerbebetrieb
  • Die Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Real-(Sach-)Steuer folgt anderen Regeln. Ihr Gegenstand ist nur der auf den laufenden Betrieb entfallende Gewinn, der Gewerbeertrag. Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des EStG oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge (§ 7 Satz 1 GewStG).

Damit weisen die Begriffe des gewerblichen Unternehmens (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und des Gewerbebetriebs (§ 2 Abs. 1 GewStG) in zeitlicher Hinsicht Unterschiede auf. Das Unternehmen und damit das Erzielen gewerblicher Einkünfte nach EStG kann früher beginnen und später enden kann als der Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG.

Bei einem auf Handel ausgerichteten Unternehmen liegt eine werbende Tätigkeit vor, wenn der Unternehmer seine Leistungen am Markt anbietet. Dies ist z.B. mit der Öffnung des Ladenlokals und dem Beginn des Verkaufs von Waren der Fall.

Lösung der Fälle:

Fall 1:

Nach diesen Grundsätzen ist der Restaurantbetrieb erst mit seiner Eröffnung für die Kundschaft im Januar 02 als Steuergegenstand des Gewerbesteuerrechts anzusehen. Bei allen 01 ausgeübten Tätigkeiten handelt es sich um gewerbesteuerlich unbeachtliche Vorbereitungshandlungen.

Hierzu der BFH:

„Solche Geschäfte, die ausschließlich auf der Erwerbsseite, nicht aber auf der Absatzseite getätigt werden, sind nicht geeignet, eine Teilnahme am Marktgeschehen und damit eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr als eines der kumulativ zu erfüllenden Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG zu begründen (BFH-Urteil vom 13.12.1995 XI R 43 45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, unter III.2.e). Die entsprechenden Ausgaben sind daher zwar einkommensteuerlich als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar, gewerbesteuerlich hingegen nicht zu berücksichtigen.“.

Fall 2:

Ein gewerblicher Grundstückshändler nimmt demnach seine werbende Tätigkeit frühestens mit der Anschaffung der ersten Immobilie, d.h. mit dem (wirksamen) Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags auf, denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten. Entscheidend ist nicht der Beginn des Erwerbsprozesses, sondern dessen Ende, das durch den Abschluss des Kaufvertrags markiert wird, so der BFH.

Bei allen durch die KG im Jahr 01 ausgelösten Betriebsausgaben handelt es sich um gewerbesteuerlich unbeachtliche Aufwendungen für Vorbereitungshandlungen. Angesichts der Gewerbesteuer von mindestens 14 % machte das für die KG >250 T€ Steuernachteil aus.

Fazit und Tipps:

In beiden Fällen hätte der Steuernachteil vermieden werden können.

  • Hätte G im Fall 1 sofort nach Erwerb im Jahr 01 parallel zum Umbau bspw. kleine Speisen oder vielleicht sogar nur Espresso durchs Fenster verkauft, so hätte damit bereist eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr vorgelegen.
  • Hätte die KG im Fall 2 im Jahr 01 sofort irgendein kleines und irgendwie vermarktungsfähiges Grundstück erworben oder im Zuge der Gründung eingelegt erhalten, so wäre damit die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr möglich gewesen.

Bevor Sie Anlaufkosten auslösen, immer prüfen (lassen), ob diese Kosten auch steuerlich abzugsfähig sind.

Autor: Andreas Jahn

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Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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