20.03.2024 -

Fremdgeschäftsführer einer GmbH: Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach Eigenkündigung!

Das BAG hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine ausgeschiedene Fremdgeschäftsführerin Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach einer Eigenkündigung hat.
Mit der Anerkennung einer Urlaubsabgeltung nach Eigenkündigung durch das BAG nähert sich die Tätigkeit von Fremdgeschäftsführern immer mehr der von Arbeitnehmern an an (credits: adobestock).

Das deutsche Urlaubsrecht ist seit Jahren in Bewegung. Wir haben in den vergangenen Monaten und Jahren regelmäßig über die Thematik berichtet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun eine weitere wichtige, bislang kontrovers diskutierte Frage für die Praxis geklärt (BAG v. 25.7.2023 9 AZR 43/22). Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob eine durch Eigenkündigung aus dem Unternehmen ausgeschiedene Fremdgeschäftsführerin Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach dem Bundesurlaubsgesetz hatte. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage bejaht!

I. Der Fall

1. Ausgangslage

Die Klägerin war bereits seit 1. Juli 1993 als Arbeitnehmerin zunächst bei der Z GmbH beschäftigt. Ab dem 19. April 2012 war sie dann Geschäftsführerin der jetzigen Beklagten. Die Beklagte setzte die Klägerin dann seit 2018 in ihrer Unternehmensgruppe weiterhin bei der Z GmbH ein. Auf der Grundlage einer Vereinbarung übernahm die Beklagte für die Z GmbH bestimmte entgeltliche Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten und stelle dieser dazu ihre Geschäftsführer im erforderlichen Umfang zur Verfügung.

Die Klägerin hatte eine Arbeitszeit von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr einzuhalten. Vormittags musste sie am Telefon eine sogenannte „Kaltakquise“ durchführen, am Nachmittag hatte sie in eigener Initiative Leistungen anzubieten und wurde im Außendienst, zu Kundenbesuchen und mit Kontroll- und Überwachungsaufgaben eingesetzt. Sie hatte wöchentlich 40 Telefonate und 20 Besuche nachzuweisen. Außerdem führte sie Vorstellungsgespräche und Einstellungsverhandlungen. Die Parteien vereinbarten zudem die Zahlung einer vom Ergebnis der Geschäftsstelle abhängigen Tantieme.

Der Dienstvertrag sah einen Jahresurlaub von 33 Tagen vor. Diesen musste die Klägerin bei der Beklagten beantragen. Im Jahre 2019 nahm sie elf Tage und im Jahre 2020 keinen Urlaub in Anspruch.

Mit schriftlicher Erklärung vom 5. September 2019 legte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihr Amt als Geschäftsführerin nieder. Am 17. September 2019 wurde sie aus dem Handelsregister als Geschäftsführerin ausgetragen. Die Klägerin erklärte die Eigenkündigung am 25. Oktober 2019 fristgerecht zum 30. Juni 2020. Seit dem 30. August 2019 bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses am 30. Juni 2020 erbrachte sie keine Leistungen und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

2. Verfahrensgang

Die Beklagte nahm die Klägerin vor dem Amtsgericht auf Rückzahlung von Tantiemen in Anspruch. In diesem Verfahren erhob die Klägerin Widerklage gerichtet auf Entgeltfortzahlung. Diese Widerklage wurde vom Amtsgericht an das Arbeitsgericht verwiesen. Im Rahmen dieses abgetrennten und nunmehr beim Arbeitsgericht geführten Verfahrens erweiterte die Klägerin ihre Klage um einen Urlaubsabgeltungsanspruch für die noch offenen und noch nicht genommenen Urlaubstage aus dem Jahre 2019 in Höhe von 22 Tagen und anteilig für das Jahr 2020 in Höhe von 16,5 Tagen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch bezifferte sich insgesamt auf 11.294,36 € brutto nebst Zinsen.

Das beklagte Unternehmen hat die Auffassung vertreten, die Arbeitsgerichte seien hier nicht zuständig. Trotz der Niederlegung der Geschäftsführerstellung handele es sich weiterhin um einen Dienstvertrag. Die Klägerin sei nicht Arbeitnehmerin und es sei auch kein Arbeitsverhältnis begründet worden.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

II. Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht den Urlaubsgeltungsanspruch der Klägerin ebenfalls bejaht.

1. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Die Arbeitsgerichte sind für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zuständig. Hier gilt der nationale und nicht der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Für Organe einer GmbH sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig, § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Hierauf konnte sich das Unternehmen aber nicht berufen, da die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin niedergelegt hatte. Ob sie im Übrigen die Voraussetzungen des nationalen Arbeitnehmerbegriffes erfüllte, war hier wegen einer prozessualen Besonderheit nicht abschließend zu klären. Die Gerichte für Arbeitssachen können nämlich auch ausnahmsweise zuständig sein, wenn der Anspruch mit einer bereits beim Arbeitsgericht anhängigen Streitigkeit in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang steht. So lag der Fall hier, denn die von der Klägerin verfolgten Entgeltfortzahlungsansprüche, die vom Amtsgericht an das Arbeitsgericht verwiesen wurde, standen im rechtlichen Zusammenhang mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch. Die Arbeitsgerichte waren daher für diesen Fall zuständig.

2. Urlaubsabgeltung für Fremdgeschäftsführer?

Das Bundesarbeitsgericht hat dann geprüft, ob einer Fremdgeschäftsführerin ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG zusteht. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht bejaht. Für diese Frage ist nämlich der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgeblich, Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG. Der Europäische Gerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass auch Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft, also Geschäftsführer, Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrecht sein können. Das gilt dann ausdrücklich auch dann, wenn der Grad der Abhängigkeit geringer ist als der eines Arbeitnehmers im üblichen Sinne nach deutschem Arbeitsrecht.

In diesem Sinne war die Klägerin im vorliegenden Falle Arbeitnehmerin im Sinne des Unionsrechts. Sie hatte auf Anweisung Arbeitszeiten einzuhalten, auch im Übrigen entsprach die Art der ihr übertragenen Aufgaben einer typischen Arbeitnehmereigenschaft. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Klägerin zugleich auch Mehrheitsgesellschafterin gewesen wäre oder eine Sperrminorität gehabt hätte, was hier erkennbar nicht der Fall war.

Hinweis für die Praxis:

Nach dieser Rechtsprechung sind Fremdgeschäftsführer einer GmbH damit regelmäßig Arbeitnehmer im Sinne des § 7 Abs. 4 BUrlG.

3. Höhe des Urlaubsanspruchs

Im Rahmen der Berechnung des abzugeltenden Urlaubsanspruches hat das Bundesarbeitsgericht die Niederlegung des Geschäftsführeramtes geprüft. Wenn durch die Niederlegung die Klägerin sich ihre Dienstleistung unmöglich gemacht hätte, hätte sie auch keinen Urlaubsanspruch mehr für die verbleibende Zeit geltend machen können. Damit kann sich die Niederlegung des Geschäftsführeramtes auch auf die Berechnung des Urlaubsanspruchs auswirken. Im vorliegenden Fall hat das Gericht aber klargestellt, dass durch die Amtsniederlegung die Erfüllung der vertraglichen Pflichten weiter möglich war. Dies ergab sich gerade daraus, dass die Parteien abweichend vom Normalfall auch Tätigkeiten unterhalb der Geschäftsführertätigkeit zum Gegenstand ihres Vertragsverhältnisses gemacht hatten. Diese Tätigkeiten konnte die Klägerin auch nach der Amtsniederlegung weiter erfüllen.

Der Urlaubsanspruch berechnete sich damit in Höhe der nicht genommenen Urlaubstage, die rechnerisch hier richtig und zutreffend beziffert worden waren. Die Klägerin hatte damit Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 38,5 Tagen mithin 11.294,36 € brutto.

III. Fazit

Die Tätigkeit von Fremdgeschäftsführern nähert sich nach der neueren Rechtsprechung immer mehr der von Arbeitnehmern und deren rechtlichen Behandlung nach arbeitsrechtlichen Vorschriften an. Vor allem dort, wo der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff Anwendung findet, also im Urlaubsrecht, greifen daher auch für Fremdgeschäftsführer diese für Arbeitnehmer geltenden Grundsätze. Insoweit ist dann folgerichtig davon auszugehen, dass auch die Mitwirkungs- und Hinweispflichten, wie bei allen Arbeitnehmern gegenüber Geschäftsführern erfüllt werden müssen. Dort, wo diese Pflichten nicht erfüllt wurden, haben Geschäftsführer dann identischen Schutz. Urlaubsansprüche können nicht verfallen und müssen dann zum Ende eines Dienstvertrages abgegolten werden. Wir werden über die weitere Entwicklung dieser sehr wichtigen Rechtsprechung berichten.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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